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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

Proli durch Ankündigung des göttlichen Zorns oder durch Verheißung der göttlichen Gnade. Bei diesen entgegengesetzten Polen konnte die Einigkeit nicht lange bestehen und es ist begreiflich, daß Rapp bei seinen praktischen Consequenzen und bei der langen Dauer seiner patriarchalischen Regierung das Feld behaupten mußte.

In Proli’s Gesellschaft stellte sich bald der Mangel an Geld ein, der in Rapp’s Augen die größte Sünde war, und dieser war nicht zu bewegen, aus seinem reichen Schatze irgend etwas zum Unterhalt der aufgenommenen Proli’schen Gesellschaft abzulassen. So riß der Zwiespalt immer tiefer ein und selbst die Harmonisten ergriffen Partei, von welchen ein gutes Drittheil sich für Proli erklärte. Dieser abgefallene Theil wurde von Proli so wirksam unterstützt, daß Rapp sich der Besorgniß nicht erwehren konnte, es könnte die Rotte der Abgefallenen unter Proli’s Anführung sein Castell stürmen und sich des aufbewahrten Schatzes gewaltsam bemächtigen. In der That waren auch alle Anzeichen eines bewaffneten Aufruhrs vorhanden, so daß Rapp sich entschließen mußte, den Abgefallenen als ihren Antheil am Gesammtvermögen die Summe von hundertundfünftausend Dollars in drei Terminen zu entrichten, wogegen Proli sich anheischig machen mußte, innerhalb vier Wochen mit seinem ganzen Hofstaat die Colonie zu verlassen.

Mit diesem Gelde erwarb die Gesellschaft zu Philippsburgh,[WS 1] etwa neun englische Meilen unterhalb Economy auf dem linken Ufer des Ohio, einen kleinen Weiler mit zerstreuten Hütten, wo Proli siebenhundert Acker Land erstand. Dort fing er auch seinen Geschäftsbetrieb damit an, daß er eine Wirthschaft und einen Schmelzofen erbaute, letzteren in der Absicht, um aus dem dortigen Gestein Gold herauszuschmelzen. Aber alle Versuche der Goldmacherei scheiterten und es kamen nur glasirte Schlacken heraus. Die übrigen Prolianer mußten Waldland klären, mauern, zimmern, Steine und Kohlen herbeitragen, den Boden roden, während der weibliche Hof die Küche zu besorgen, das Vieh zu füttern, Thon anzurühren, Ziegel zu streichen und sich den beschwerlichsten Arbeiten zu unterwerfen hatte, welche mit dem früheren Wohlleben einen sehr traurigen Contrast bildeten.

Durch die kostspieligen Versuche im Goldmachen und mancherlei Bauten waren die Geldmittel bald erschöpft, und die Gesellschaft kam immer mehr herunter, weil neue Geldquellen nicht hinzukamen. Um dieser Noth abzuhelfen, unternahmen sogar die Prolianer einen bewaffneten Einfall in die Colonie des alten Rapp zu Economy, um von diesem eine weitere Summe zu erpressen. Dieser Einfall wurde von den Harmonisten, die ihrem Patriarchen getreu geblieben waren, mit Hülfe anderer Nachbarn glücklich abgeschlagen. Daß Proli hartnäckig leugnete, um diese Meuterei gewußt zu haben und auch derselben nicht überführt werden konnte, machte seine gefängliche Einziehung durch den dortige Friedensrichter sehr schwierig. Es scheint, daß er auf freiem Fuß geblieben ist.

Vergeblich erfolgten jetzt Aufrufe über Aufrufe an die Deutschen in Nordamerika, sich den Prolianern anzuschließen, wobei freilich zwischen den Zeilen zu lesen war, daß sie Geld – vornehmlich Geld begehrten. Unter diesen zahlreichen, von Dr. Göntgen verfaßten Aufrufen befand sich auch ein Ausschreiben in Nummer 304 des Amerikanischen Volksfreundes vom 25. April 1832, worin in bogenlangen Ausführungen versichert wird, daß Proli ein vertauschtes Fürstenkind aus einem der ältesten Regentenhäuser Europas und ein Schützling des Fürsten Primas[WS 2] sei.

Zu jener Zeit, da Proli als das gesalbte Oberhaupt im neuen Jerusalem zu Philippsburgh eines Tages vor seinem Schmelzofen stand, vom Ruß geschwärzt, von Schweiß bedeckt und sehr bekümmerten Herzens über die Zukunft seiner Gesellschaft, sah er eine Gestalt auf sich zukommen, die ihm bekannt zu sein schien. Näher gekommen, erkannte er mit Schrecken den Jesuiten Martin, seinen Mephistopheles in Cork, den Gewissensrath der reichen Miß H. daselbst, den Banknotendieb in London, der aber auch sehr heruntergekommen aussah. Anfangs war Proli sprachlos vor Erstaunen. Allein der Jesuit trat auf ihn zu, reichte ihm die Hand und erzählte unbefangen und beredt seinen vielgestaltigen Lebenslauf seit ihrer Trennung, ohne jedoch in seiner Erzählung den Banknotendiebstahl in London zu berühren. Er schien die That zu bereuen, und Proli, dessen Natur überhaupt eine sentimentale und versöhnliche war, that dessen eben so wenig Erwähnung und führte den Jesuiten in sein Blockhaus, wo derselbe als Proli’s Gefährte geblieben zu sein scheint.

Proli’s Leben und Schicksale gestalten sich seit 1833 immer mühseliger und kümmerlicher. Auf ihm ruht die ganze Kraft der Colonie und alle Kunstgriffe, Geld beschaffen, erweisen sich nutzlos. Alle seine schönen Träume von einer beglückten Menschheit, von einem Elysium auf Erden zerfließen wie Silberschaum im Wogensturz, wenn die Strömung weiter geht und ruhiger wird. Auch erlahmt die Spannkraft seiner Seele allmählich, und wo man darüber erbittert war, daß er so manche ehrenhafte und gläubige Familie in den Strudel seiner seltsamen Bestrebungen gezogen, jetzt trat das Gefühl des Mitleids in seine Rechte ein.

Von allen Seiten bedrängt richtet er sein Augenmerk auf eine Gegend am Missouri, wo 1,200,000 Acker Landes, per Acker einundeinviertel Dollar, feil sind. Allein wie dieselben erwerben, ohne Geld und Credit zu haben? Er strengt sein seltsames Genie an, um Hülfsmittel zu finden, wie ein Schiffbrüchiger den rettenden Balken zu erfassen sucht – Alles umsonst. Im Monat Juli 1833 läßt er die ganze Colonie zusammenrufen und erklärt derselben, daß die Gesellschaft sich auflösen müsse, weil kein Geld mehr da sei, daß er nichts mehr für sie thun könne und daß alle Mitglieder nur für sich selber sorgen und zusehen müßten, wie sie sich künftig ernähren könnten. Es entsteht ein furchtbarer Tumult gegen Proli. Man droht ihm den Tod, während er sich einschließt. Das neue Jerusalem fällt auseinander wie ein Kartenhaus, wenn es von einem Hauche berührt wird. Was man über den letzten Act dieses Dramas in Erfahrung bringen konnte, ist sehr unsicher und mangelhaft. Nach einigen Nachrichten soll Proli zur Absicht gehabt haben, mit achtzehn Personen nach Kentucky zu gehen, aber noch in demselben Jahre 1833 an der Cholera gestorben sein. Nach Anderen ist er in den Staat Arkansas übergesiedelt und hat bald darauf seinen Tod in den Wellen des Missouri gefunden, wobei es unbestimmt geblieben ist, ob dieser Tod ein zufälliger oder absichtlicher war.[WS 3]




Die „Zierlichen“ der Steppe.
Von R. Hartmann.


Unvergeßlich sind mir die Tage, die ich im tropischen Afrika verlebte, dort wo ich auf den unermeßlichen Steppen eine ebenso eigenthümliche, wie vielgestaltige Thierwelt sich tummeln sah. Da jagt der doggenähnliche, schön gefärbte Sémechhund rudelweise die scheue Antilope, brüllend umkreist der Löwe das Lagerfeuer des Nomaden, der Ameisenscharrer und das Schuppenthier durchwühlen den bald sandigen, bald lettigen, mit hohen Gräsern, mit verschränktem Buschwerk und mit Baumgruppen bedeckten Boden. Alle lebenden Geschöpfe nicht blos dieser Region, sondern auch der ganzen Erde übertrifft aber an Sonderbarkeit der Gestalt die Giraffe, diese echte Bewohnerin der Steppe. Ein feiner, schmaler Kopf mit knotig aufgewulsteter Stirn und kurzbehaarten Spießhörnchen paßt sich an den langen, seitlich zusammengedrückten Hals, der sich seinerseits weit absetzt von der breiten, gewölbten Brust. Den kurzen Rumpf mit abschüssigem Rücken tragen die langen, in den Kniegelenken sehr starken, in den Hufen breiten Beine. So baut sich der fünfzehn bis achtzehn Fuß hohe Riese empor. Auf dem weißlich- oder bräunlichgelben Grunde des Felles zeichnen sich röthlichbraune Dreiecke, Trapeze und Vielecke mit fast mathematischer Regelmäßigkeit ab und vervollständigen so das angenehmste Colorit. Die Bewegungen des Thieres sind nicht ohne Zierlichkeit, es geht einen auch in der Ruhe sehr fördernden Paß und stürmt, erschreckt, mit gewaltiger Schnelle über die Ebene dahin.

Die Araber nennen das seltsame Geschöpf El-Seráfeh, die Zierliche, woraus der Name Giraffe entstanden. Die Denka-Neger des weißen Niles aber nennen es Mir, die Hohe, Erhabene. Ich beobachtete im Sennar einige Wochen lang eine zwar noch junge, jedoch bereits sechs Fuß hohe Giraffe. Sie war ein Geschenk

Anmerkungen (Wikisource)

  1. heute Monaca, Pennsylvania (englisch)
  2. Fürstprimas (einziger Titelinhaber 25. Juli 1806 – 19. Oktober 1813): Karl Theodor von Dalberg (1744–1817)
  3. hierzu Berichtigung und Ergänzung im Heft 43, Seite 688.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 347. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_347.jpg&oldid=- (Version vom 15.3.2017)