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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

Reiseliteratur, seidenen Kleidern, schwarzen Fracks und feinen Leinenhemden im Koffer zu führen und einschwärzen zu wollen. Darauf macht der Beamte eine Hieroglyphe mit Kreide auf das Bagagestück und man fällt in die Hände der Commissionäre, welche das Gepäck aus der Halle auf den Omnibus oder in die Voitüre de Place (Droschke) bringen. Sind viele Passagiere mitgekommen, so beeile man sich (falls man einen bestimmten Gasthof, ein bestimmtes Privathaus oder eine Maison meublée hat, wo man wohnen wird), einen Wagen zu belegen. Dies kann oder vielmehr muß eigentlich die erste Aufgabe, unmittelbar nach Ankunft, noch vor der Revision des Gepäckes, sein; man geht auf den Hof oder die Straße, wo die Droschken aufgestellt sind, und versichert sich des Wagens, etwa mit den Worten: „Je vous prends à l’heure; donnez-moi votre numéro!“ (Ich nehme Sie auf die Stunde; geben Sie mir Ihre Nummer!) Hierauf giebt der Droschkenkutscher einen Schein und wartet, bis man mit seinem Gepäck ankommt. Eine viersitzige Voitüre de Place kostet für die einfache Fahrt innerhalb des Morgens sechs Uhr bis dreißig Minuten nach Mitternacht zwei Francs (und drei bis vier Sous Trinkgeld); jedes Bagagestück wird mit fünfundzwanzig Centimes (oder fünf Sous) extra vergütet. Kommt man nach Mitternacht an (bis Morgens sechs Uhr), so kostet die einfache Fahrt drei Francs und obige Extraspesen. Regenschirm, Nachtsack, Hutschachtel zählen nicht als Bagagestücke.

Unter den nächsten Aufgaben ist jetzt die wichtigste das Suchen einer Wohnung, – zu Zeiten großen Fremden-Andranges wie bei der Ausstellung oft eine mühevolle, zeitraubende. Eine Menge von Umständen sind hierbei maßgebend. Wem es vergönnt war, durch einen in Paris lebenden Freund brieflich im Voraus sich ein Zimmer verschaffen zu können, darf sich glücklich preisen geradenweges dorthin fahren und einziehen zu dürfen. Aber wie oft wird es während des nächsten Sommers der Fall sein, daß Hunderte, unbekannt mit den Verhältnissen und Straßen, ziemlich rathlos in der Weltstadt umherkutschiren werden, abgewiesen an Gasthöfen, die überfüllt sind!

Gewinnen wir zuvörderst einen Ueberblick vom Pariser Gasthofswesen und dem, was damit zusammenhängt.

Es sollen nicht weniger als etwa fünftausend Hôtels, Restaurants, Cafés und Wirthschaften in der Weltstadt existiren. Nur die ersteren logiren. Wie allenthalben, so stufen sich auch hier dieselben durch alle Schattirungen ab vom feinsten, comfortabelsten, fürstlich eingerichteten Hotel mit goldenen, allen diesen Vorzügen entsprechenden Preisen bis hinab zur unheimlichen, in enger Gasse gelegenen, schmutzigen, dunkeln Herberge, ungeheuerlich in allen Beziehungen, aber ebenfalls prunkend „Hôtel“ genannt. Man hüte sich deshalb vor den Anpreisungen der an den Bahnhöfen aufgestellten Agenten.

Der weitaus größte Theil der Pariser Gasthöfe wird von Franzosen gehalten und in demselben nur französisch gesprochen. Neuerer Zeit sind jedoch nicht nur eine Anzahl der besten und empfehlenswerthesten Häuser in Händen deutscher Wirthe, die deutschen Ton und deutsche Ordnung walten lassen, sondern in fast jedem besseren Gasthause ist mindestens ein deutschredender Kellner, die Zuflucht und das Heil aller in diesem Hause nicht französisch redenden Gäste. Sogar in den beiden größten Etablissements von Paris: im Grand Hôtel am Boulevard des Capucines und im Grand Hôtel du Louvre (beide Actien-Unternehmen des Credit mobilier), deren jedes ein ganzes Straßen-Quadrat einnimmt und über sechshundert Fremdenzimmer zu verfügen hat, besteht das ganze Personal nur aus deutschen Kellnern; selbst der Maitre d’hôtel, der Secretär etc. sind Deutsche und nur der Director eines jeden ist Franzose. Man fand es für nöthig, sich mit deutscher Dienerschaft zu versehen, um ruhigen, glatten Gang in den großen Organismus zu bringen, einmal weil der Deutsche dienstwilliger, aufmerksamer, ausdauernder in allen seinen Pflichterfüllungen ist als der trällernde, tausend andere Dinge im Kopfe brütende französische Kellner, dann aber auch namentlich deshalb, weil der Deutsche außer seiner Muttersprache und dem Französisch noch Englisch spricht und sich englischen Sitten und Forderungen besser anbequemt als der nur französisch parlirende Franzose.

Außer den beiden obengenannten Riesen-Karawanserais sind folgende Häuser namentlich noch solche, in denen besonders Deutsche verkehren und die von Deutschen geleitet werden: Das Hôtel de Mirabeau in der Rue de la Paix, von Deutschen der vornehmen Stände viel besucht; das Hôtel de Bade am Boulevard des Italiens; das Hôtel Bergère in der Rue Bergère; das Hôtel Violet in der Passage gleichen Namens (bei der Rue Faubourg Poissonnière); Hôtel de Bavière in der Rue Richer; Hôtel du Pavillon in der Rue d’Hauteville und viele andere. Wer noch nicht bestellt hat und auf gut Glück sich ein Hôtel suchen muß, wird wohl thun, bei einem derselben, vielleicht sogar zuerst am Hôtel du Louvre, vorzufahren, wo der Wechsel Gehender und Kommender am größten sein möchte. In Nicht-Ausstellungszeiten kann man in demselben Zimmer von zwei Francs an aufwärts bis zu zwanzig Francs täglich erhalten, – während der Ausstellung wird wohl kaum das kleinste Zimmer unter dem doppelten Minimal-Ansatze zu haben sein.




Blätter und Blüthen.


Ein treuer deutscher Volksmann, ein beharrlicher und unerschrockener Kämpfer für Licht und Recht, Freiheit und Nationalehre ist uns durch den Tod entrissen. Am Morgen des achten April starb in seiner Vaterstadt Leipzig Emil Adolf Roßmäßler, nachdem er am dritten März auf dem Krankenbette seinen einundsechszigsten Geburtstag gefeiert hatte.

Unter den Männern, welchen seit dem Wiedererwachen des nationalen Geistes in Deutschland die Bildung des Volkes eine Herzenssache geworden ist und die rastlos streben, die Schätze und mit ihnen die Gesetze der Natur zum erlösenden Gemeingut Aller bis zu den ärmsten Classen zu machen, stand Roßmäßler in der vordersten Reihe; auf diesem Felde seiner Thätigkeit hat er sich als Schriftsteller, Lehrer und Redner die anerkennungswürdigsten Verdienste erworben. Auch die Leser der Gartenlaube haben ihn von dieser Seite kennen gelernt, und um so mehr sind wir es ihnen schuldig, ein Lebensbild des verehrten Todten, wenn auch in engem Rahmen, hier niederzulegen.

Es ist in weiteren Kreisen wohl wenig bekannt, daß Roßmäßler seinem akademischen Fachstudium nach Theolog war und daß er mehrere Jahre bereits eine pädagogische Stellung (im weimarischen Weida) eingenommen, ehe von seiner stillen Liebe zur Naturkunde so lautes Zeugniß abgelegt wurde, daß er (1830) den Ruf als Lehrer an die land- und forstwirthschaftlichen Akademie zu Tharand erhalten und annehmen konnte, woraus ihm später eine Professur an derselben Anstalt erwuchs. Dieser Umstand ist von Bedeutung, denn ihm haben wir es offenbar zu verdanken, daß der Mann, welchem die Naturkunde nicht ursprünglicher Beruf, sondern zur Selbstbildung gepflegte Liebhaberei war, später dieselbe nicht als Domaine eines besonderen Standes betrachten konnte, sondern sie am liebsten zu einer recht intimen Liebhaberei des ganzen Volkes gemacht hätte; wobei wir jedoch nicht vergessen, daß die freisinnige Richtung, zu welcher er sich in der Wissenschaft, wie im Staats- und socialen Leben früh bekannte, sein Auge und Herz dem Volke noch eher zugewandt hatte, als er diesem durch das von gewissen Seiten so scheel angesehene Popularisiren der Wissenschaft die erheblichsten Dienste leisten konnte.

Roßmäßler war aber wohlbedacht gewesen, durch gediegene strengwissenschaftliche Leistungen sich bei der gelehrten Zunft selbst Sitz und Stimme zu sichern, auch hierin getreu seinem großen Vorbild Humboldt, der seine hohe Würdigung Roßmäßler’s diesem in vielen wissenschaftlichen und freundschaftlichen Briefen bethätigte. Zu einer wissenschaftlichen Autorität ersten Ranges erhob er sich durch seine „Ikonographie der europäischen Land- und Süßwasser-Mollusken“, mit sechszig von ihm selbst lithographirten Tafeln, denn von seiner Abstammung von einer Kupferstecherfamilie war wenigstens die kunstfertige Hand eines gewandten Zeichners ihm zu Theil geworden.

Wie nun dadurch und durch mehrere andere Schriften und Lehrbücher für seine Vorträge Roßmäßler sich selbst in der Wissenschaft, so erwarb das Volk ihm Sitz und Stimme im ersten deutschen Parlament, an dem er bis zu dessen gewaltsamer Aufhebung in Stuttgart festhielt und das ihm zum Schluß (1850) seine sächsische Professur kostete. Fortan war und blieb er freier deutscher Volkslehrer der Naturkunde und bethätigte diesen selbstgegebenen hohen Beruf durch Wort und Schrift bis an sein Lebensende. Wir erinnern an seine „Populären Vorlesungen aus dem Gebiete der Natur“, an seine „Flora im Winterkleide“, seine „Vier Jahreszeiten“, ferner an sein Lieblingswerk „Der Mensch im Spiegel der Natur“ und die Prachtwerke „Das Wasser“ und „Der Wald“, wie auch an seine „Reiseerinnerungen aus Spanien“, das er 1853 besucht hatte, – aus allen diesen Büchern spricht derselbe Geist, der ihm das Motto zu seiner verdienstvollen Zeitschrift „Aus der Heimath“ dictirt hatte: „Die Natur ist weder eine allgemeine große Vorrathskammer, noch eine staubige Studirstube, noch auch ein Betschemel, sondern unser Aller gemeinsame Heimath, in der Fremdling zu sein Schande und Schaden bringt.“ Alle diese Schriften sollten nicht blos für den Namen des edlen Todten, sondern für all’ sein volkstreues Streben und Wirken noch lange ein ehrendes Andenken im deutschen Volke erhalten.

Fr. Hfm.




Inhalt: Die Herrin von Dernot. Novelle von Edmund Hoefer. (Fortsetzung.) – Die Blume des Maitranks. Von A. Kerner. Mit Abbildung. – Amerikanische Lebensläufe. Von Adolf Douai. 1. Der Convertit. – Photographien aus dem Reichstag. III. Mit Abbildung. – Nach Paris. Praktische Winke für Ausstellungsreisende. Von H. A. Berlepsch. II. – Blätter und Blüthen: Ein treuer deutscher Volksmann.



Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 256. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_256.jpg&oldid=- (Version vom 13.3.2017)