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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

muß, steht über der Nothwendigkeit des Beweises. Hieraus aber resultirt als größte und Cardinalerinnerung: „Nimm Geld mit, doppelt so viel, wie du zu brauchen gedenkst, und dann noch etwas mehr.“ Als 1865 die erste Ausstellung war, da schloß die Comitébilanz mit einem Deficit von einundzwanzig Millionen Francs ab, an denen die Staatscasse zu kauen hatte. Diesmal will man’s besser machen. Der Staat bewilligte von sich aus sechs Millionen Francs und die Stadt ebensoviel. Aber das reichte noch nicht; man brauchte mehr, trotzdem kein Boden zu expropriiren war und kein luxuriöser Palast diesmal errichtet werden sollte. Da trat eine Garantie-Gesellschaft von großen, schlauen Finanzspeculanten in die Lücke und gab noch acht Millionen Francs, aber nur unter der Bedingung, Hand im Spiel haben und sich zuerst für ihr Risico decken zu dürfen. Diese wurde nun factisch Herr und versteigerte so hoch wie möglich Alles, was nur an Gerechtsamen und Erlaubnissen in dem Ausstellungsgebäude und rings um dasselbe zu vergeben war, und so kam es, daß unerhörte Summen für anscheinend ganz geringfügige Bewilligungen gezahlt wurden.

Nun! Die Leute, die um schweres Geld die Berechtigung erhielten, Mäntel, Schirme und Stöcke am Eingange abnehmen, Kataloge oder Zündhölzchen verkaufen, Photographien abklatschen oder Erfrischungen verabreichen zu dürfen, wollen erstens wieder zu ihrem Riesenzins kommen, wollen dann den Werth ihrer Waaren, ihrer Zeitversäumniß, ihrer Dienstleistungen herausschlagen und wollen endlich, wie billig, auch am Schlusse des siebenten Monats für ihr Risico, für ihre Kräfteaufopferung und ihren Kampf ein rundes bestimmtes Etwas als Resultat erringen, – also hier schon die erste gerechtfertigte, doppelte Anforderung an unsere Taschen. Netto gerade ebenso, nur in etwas veränderter Form, rechnet die Municipalität für ihre großmüthig geopferten sechs Millionen Francs; solch’ eine Summe kann eine Stadtcasse ohne genügendes Aequivalent nicht verschenken, – ihre steuerpflichtigen Kräfte müssen ihr dafür, sei es auf welchem Wege es wolle, wieder gerecht werden, und diese Steuerkräfte recurriren wieder an den Geldbeutel des Fremden. Wie die Staatscasse ihre sechs Millionen verrechnet, darum hat sich bekanntlich in Frankreich Niemand zu bekümmern.

Mit alledem werden aber die Ausstellungskosten erst gedeckt, – nun wollen auch noch ein paarmal hunderttausend reeller Speculanten die kostbare Gelegenheit benutzen, um von den drei Millionen Fremden, auf deren Besuch man rechnet, soviel wie möglich zu profitiren, sei es direct oder indirect, und außer diesen lauert noch eine Legion von unehrenwerthen Speculanten, modernen Strauchrittern und Schnapphähnen, Glücksjägern, die auf den Gimpelfang gehen, und ähnliches Gesindel beiderlei Geschlechtes auf die heranrückenden Karawanen, und in Mitte dieses ganz Paris durchfluthenden, lauernden Gedankens liegen Scylla und Charybdis, in welchen Mancher auf seiner Odyssensfahrt dem Untergange nahe kommen wird.

Es ist ein eigenes Ding in Frankreichs Hauptstadt: das, was wirklich Geld werth ist, um es zu sehen, die großartigen und prachtvollen Museen im Louvre, im Luxembourg, im Hôtel Clugny, in Versailles, – die Schlösser und Kirchen, die Wasserkünste und herrlichen Gärten, die Menagerien im Jardin des Plantes und alle die Raritäten und Kostbarkeiten, welche überhaupt zur Schau ausgestellt sind und für deren Betrachtung man andern Orts tüchtig zahlen muß – sie alle kosten nichts, nicht einen Centime Entrée oder Trinkgeld; auch die Verkehrsmittel in Paris selbst, die Omnibus, in denen man von einem Stadtende zum andern je alle fünf Minuten für einen und einen viertel Silbergroschen fahren kann, verursachen so viel wie keine Ausgaben. Selbst die Eisenbahntaxen nach Paris werden so bedeutend ermäßigt werden, daß auch diese nicht den Schwerpunkt der Ausgaben bilden. Das, was das meiste Geld kostet, ist das, was dieses Geld am wenigsten werth ist. –

Bereiten wir uns vor, auf die Reise zu gehen. Also Geld! Frankreich rechnet bekanntlich wie Italien, die Schweiz und Belgien (mit denen es in einem Concordatsverhältnisse steht) nach Franken und Centimes; deshalb werden auch die Silbermünzen gedachter Länder im gewöhnlichen Verkehr ohne Weigerung allenthalben dort angenommen. Gold hat Frankreich in Hundert-, Fünfzig-, Vierzig-, Zwanzig-, Zehn- und Fünffranken-Stücken ausgeprägt; die Zwanzig-Frankenstücke (im Werthe von fünf und ein Drittel Thalern oder neun und ein Drittel Gulden süddeutsch) werden kurzweg „Napoléon“ genannt. Belgisches Gold gilt wie französisches, italienisches dagegen wird nur mit Verlust genommen. In Silber sind Fünf-, Zwei-, Ein- und ein Halb-Frankenstücke ausgeprägt, in Kupfer Zehn- und Fünf-Centimesstücke. Letztere werden im Verkehr immer noch mit dem alten Namen „Sou“ bezeichnet; zwei Sous sind also zehn Centimes, fünfzehn Sous fünfundsiebenzig Centimes oder sechs Silbergroschen. Die englischen Penny- und halbe Pennystücke cursiren allgemein als Zwei- und Ein-Sousstücke. – Papiergeld der Banque de France in Fünfzig-, Hundert-, Zweihundert-, Fünfhundert- und Tausend-Frankenscheinen und diejenigen der Banque de Bruxelles in Fünfundzwanzig-Frankenscheinen cursiren im täglichen Verkehr allgemein.

Alles andere Gold-, Silber- und Papiergeld hat im Detailverkehr keinen Curs.

Wer mit preußischem oder Guldengelde nach Paris kommt, muß dasselbe erst beim Wechsler nach dem Tagescurse mit etwa einem halben Procent Agio umsetzen. Es giebt aber mancherlei deutsches Papiergeld, welches in Paris kaum oder nur mit enormem Verluste verwerthbar ist. Wer also die Absicht hat, die Ausstellung zu besuchen, möge bei Zeiten Jagd auf Napoleonsd’or oder englische Sovereigns machen, oder sich ein gutes, sofort zahlbares Papier auf ein solides Pariser Bankierhaus kaufen. Jeder im Auslande auf Paris ausgestellte Wechsel muß, ehe er zum Incasso gelangen kann, mit einem Timbre Imperial, der wie eine Briefmarke aufgeklebt wird, versehen werden; fünf Centimes per hundert Franken.

Früher war ein Paß, und zwar ein von der französischen Gesandtschaft des Landes, in welchem man wohnte, visirter Paß, strengstes Erforderniß, um über die Grenze zu kommen; heute fragt man anständige Reisende fast an keiner der großen Eintrittslinien nach Legitimationspapieren; höchstens, wenn man das Mißgeschick hat, irgend einem steckbrieflich verfolgten Industrieritter ähnlich zu sehen, könnte es der Fall sein, sich einem Verbalexamen unterwerfen zu müssen. Es ist deshalb immerhin sehr empfehlenswerth, irgend ein gutes Legitimationspapier in der Tasche zu haben, namentlich schon deshalb, weil die Erlaubniß zum Besuche mancher Sehenswürdigkeiten, wie z. B. der kaiserlichen Gobelinsmanufactur, sowie mancher Sammlungen zu außergewöhnlicher Zeit an die Vorzeigung des Passes gebunden ist, um seine Eigenschaft als wirklich Fremder zu bekunden. Man erhält dann unentgeltlich eine Erlaubnißkarte ausgefertigt.

Die Kenntniß der französischen Sprache ist zwar keine absolute Nothwendigkeit, denn es leben über hunderttausend Deutsche in Paris und in den meisten Hotels hat man deutsche Kellner zur Bedienung; aber der Reisende hat natürlich nur den halben Genuß von der Weltstadt, wenn er nicht verstehen kann, was gesungen und belacht, bestritten und vertheidigt, ausgerufen und verlangt wird. Er lebt noch einmal so theuer, kauft zu noch ein Mal so hohen Preisen ein und wird gar rasch der unglücklichste Spielball der schlau profitirenden Speculation. Vor allen Dingen hüte sich der Deutsche, welcher wenig Französisch versteht, vor dem „Oui-Sagen“ aus Verlegenheit; die Pariser Zuvorkommenheit, welche mit der liebenswürdigsten Miene zehn Mal mehr anbietet und anpreist, als man haben will und brauchen kann, möchte bei allzu bereitwilligen Ouis leicht Gelegenheit für zu umfangreiche Rechnungen bekommen. Nach Paris gehenden Gesellschaften ist es deshalb zu empfehlen, mindestens eine Person als Reisecollegen mitzunehmen, die der Sprache völlig mächtig ist und die Stelle des Dolmetschers vertritt.

Was man an Gepäck mitzunehmen hat, läßt sich nicht wohl andeuten, weil dies sich ganz nach den persönlichen Bedürfnissen richtet. Wohl aber lassen sich mancherlei Gegenstände aufzählen, welche man unter keiner Bedingung in den Koffer thun soll. Dahin gehören zuvörderst Zeitungen; sie könnten bei der Revision auf der Douane an der Grenze höchst fatale Verlegenheiten bereiten. Bekanntlich giebt es in Frankreich verbotene Zeitschriften des Auslandes, auf welche eben so scharf gefahndet wird, wie auf Contrebande, deren Verbreiter unnachsichtlich und streng bestraft werden. So z. B. gehört es zu den allergewöhnlichsten Ereignissen, manchmal acht Tage lang kein Blatt von der Kölnischen Zeitung zu Gesicht zu bekommen. – Ebenso hüte man sich, Bücher im Koffer zu führen, in denen gegen die jetzige Regierung

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