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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

des In- und Auslandes zu Theil, aber es charakterisirt seine Denkweise, daß er kein Diplom mehr schätzt, als den Ehrenbürgerbrief der Stadt Berlin, daß ihn kein Beweis des Zutrauens mehr erfreut hat, als die Anfrage seiner Mitbürger, ob er geneigt wäre, ein Mandat für das preußische Abgeordnetenhaus anzunehmen, obgleich ihn Gesundheitsrücksichten zur Ablehnung zwangen. Mit Ehrfurcht grüßt jeder Berliner den freundlichen Greis mit den klugen Augen, der trotz seines hohen Alters von zweiundachtzig Jahren in dem schwachen, gebrechlichen Körper sich die geistige Frische bewahrt hat und mit Recht unter seinem Bilde den Vers des griechischen Weisen auf sich anwenden darf: „Ich altere beständig Vieles lernend“.

Im häuslichen Kreise seiner Familie und in Gesellschaft seiner Freunde entwickelt Böckh eine seltene Humanität und Liebenswürdigkeit. Das Alter hat ihn nicht stumpf, sondern wie edlen Wein nur milder gemacht, und noch heute liebt er heitere Laune, fröhliche Gesichter, attische Scherze und selbst witzige Stachelreden, wie in den Tagen seiner Jugend, wo er in Heidelberg mit Achim v. Arnim und Clemens Brentano lustig schwärmte und der damals grassirenden Romantik seinen Zoll entrichtete. Zwei Mal verheirathet ist er mit Söhnen und Enkeln gesegnet, unter denen der Regierungsrath Richard Böckh sich als Statistiker einen bedeutenden Namen erworben hat. Seine Tochter aus erster Ehe ist die Gattin des berühmten Juristen und Abgeordneten, Professor Gneist. Zu seinen Freunden aber zählt der würdige Jubilar die Besten seiner Zeit, und das ganze deutsche Volk liebt den großen Mann, den die Wissenschaft nicht dem Leben entfremdet, sondern zum wahren Lehrer seines Volkes erhoben hat: ein leuchtender Stern an dem Himmel der deutschen Nation, voll Glanz und Klarheit, zu dem wir und einst noch unsere Nachkommen mit Bewunderung und Ehrfurcht aufblicken werden.

Max Ring.




Blätter und Blüthen.


Gegen den Entdecker der Gregarinen. Unverkennbar haben wir den mikroskopischen Forschungen der Neuzeit außerordentlich viel zu danken, und dieselben gewiß nicht unterschätzend, fühle ich mich als Sachkenner verpflichtet, nicht etwa gegen die Forschungen des in Petersburg lebenden deutschen Naturforschers Herrn Lindemann und dessen neueste Entdeckung unsichtbarer Ungeheuer, der Gregarinen, in den menschlichen Haaren (s. Gartenlaube Nr. 5, S. 79), in die Schranken zu treten, sondern gegen einige seiner weitgreifenden Behauptungen.

Bemerken muß ich vorerst, daß ich kein Gelehrter bin und nur aus einer fünfzigjährigen Erfahrung spreche. Es kann deshalb nicht meine Absicht sein, der wissenschaftlichen Autorität, welcher wir diese Mittheilung verdanken, zu nahe zu treten, aber wundern muß ich mich doch, daß Herr Lindemann sich nicht mit der Erfahrung in Verbindung setzte, denn die Erfahrung war ja oft mächtiger als die Wissenschaft und giebt absolute Gewißheit; in unserm Falle hier die, daß alles organische und vegetative Leben durch dauernde Siedehitze sicher zerstört wird.

Weit glücklicher, scheint Herr Lindemann, trotz der kurzen Bekanntschaft mit diesen Ungeheuern, in seinen Erfahrungen hinsichtlich der Krankheiten, welche durch dieselben im menschlichen Körper entstehen, gewesen zu sein. Welchen großen Fund die medicinische Wissenschaft durch alle diese Beobachtungen und Erfahrungen gemacht hat, liegt meiner Beurtheilung fern, nur möchte ich das Resultat meiner fünfzigjährigen Erfahrung gegenüberstellen, nach welcher, so viel mir bekannt, noch kein Arbeiter in den Fabriken, die sich mit der Präparation der Menschenhaare befassen, an den angegebenen Krankheiten gelitten hat. Inwiefern nun die von Herrn Lindemann entdeckten und so sehr gefürchteten Gregarinen ein so eminentes Unheil verbreiten sollen, ist in der That nicht erklärlich, wenn man weiß, mit welcher Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit die Menschenhaare überhaupt, folglich auch diejenigen, welche zu Chignons verwendet werden, in guten Fabriken schon seit geraumer Zeit von allen fremdartigen Stoffen gründlich gereinigt werden, denn sie werden in Siedhitze stundenlang ausgekocht und dann noch in heißem Wasser mit Soda ausgewaschen.

Wenn nun Herr Lindemann behauptet, daß selbst durch Auskochen die etwaigen Gregarinen nicht absterben, so werden Wissenschaft und Erfahrung darüber noch entscheiden müssen. Meiner Ansicht nach ist es unmöglich, daß ein thierisches Wesen, selbst wenn es auf der niedrigsten Stufe des organischen Lebens steht, nach längerer Einwirkung der Siedehitze jemals noch ein Lebenszeichen von sich geben kann. Um dies zu wissen, braucht man vielleicht kein Naturforscher zu sein; ein Beweis ist es aber wohl, daß Herr Lindemann in seinen Behauptungen zu weit gegangen, oder die jetzige Präparation der Menschenhaare nicht kennt, wie diese aus guten Fabriken zu beziehen sind.

Den durch jenen Artikel geängstigten Damen und Herren, welche durch den Verlust des eigenen Haares genöthigt sind, künstliche Haararbeiten zu tragen, theils zur Verhütung von Entstellung oder Erkältung, theils auf Grund einer beliebten Mode, kann ich zur Beruhigung die Versicherung hier niederlegen, daß die gegenwärtige Präparation der Menschenhaare Strafthiere der Unreinlichkeit oder Gregarinen sicher nicht aufkommen laßt.

Zur weiteren Begründung des Nachweises über die fabrikgemäße, gewissenhafte Bearbeitung der Haare zu künstlichen Arbeiten und dieser meiner Erwiderung habe ich der geehrten Redaction der Gartenlaube meinen Namen hinterlegt.




Wieder eine Liebesgabe von jenseit des Oceans. Auf Anregung und durch Vermittlung des sächsischen Consuls in Batavia, Herrn Kinder, sind uns für die Verwundeten und Waisen des letzten Krieges abermals eintausend Thaler zugegangen, die unsere braven deutschen Landsleute in Java, und an deren Spitze zwei deutsche Handlungshäuser in Batavia, im Laufe des vorigen Jahres gesammelt haben. Diese eintausend Thaler sind, nachdem gleich große Beträge schon nach Preußen, Sachsen und Süddeutschland abgegangen, ausdrücklich für Oesterreich bestimmt und durch unsere Veranstaltung und durch die Freundlichkeit des Herrn Demuth (Gerold’sche Buchhandlung) in Wien in einzelnen Gaben auch bereits an die Unglücklichen des Jahres 1866 vertheilt worden. Indem wir unserer Seits auch öffentlich über diese ansehnliche Liebesgabe quittiren, statten wir im Namen der Betheiligten unsern herzlichsten Dank ab, namentlich auch für den abermaligen Beweis, daß deutsche Herzen, wohin sie auch das Schicksal führen mag, doch immer warm und treu für das alte Vaterland fortschlagen und diese Liebe in wahrhaft großartiger Weise bethätigen.

D. Red.




Kleiner Briefkasten.

v. S. in B. Das schöne Böttcher’sche Bild „die Glücklichen im Schloß“ ist nach England an den großen Kunstfreund Kaufmann Schwabe in Liverpool verkauft und leider bis jetzt noch in keiner Nachbildung erschienen.

A. in K–n. Ganz selbstverständlich; wenn wir seither noch keine Skizzen aus dem norddeutschen Reichstage brachten, so hat das den sehr triftigen Grund, daß, ehe sich die Parteien gebildet und die Fractionen geklärt hatten, ehe in der Versammlung überhaupt etwas geschehen war, alle dergleichen Schilderungen auf eine bloße Spielerei hinausgelaufen wären. Schon in der nächsten Nummer unseres Blattes aber werden Sie aus der Feder eines bedeutenden deutschen Schriftstellers und derzeitigen Mitglieds des Reichstags mit einer Reihe von Photographien aus diesem letztern den Anfang gemacht finden.

H. H. in Düsseldorf. Der Kriegsgeschichten sind nun genug. Alle uns eingehenden Gedichte zu lesen, haben wir keine Zeit.




Zur Nachricht!

Mit dieser Nummer schließt das erste Quartal. Wir ersuchen daher die geehrten Abonnenten, ihre Bestellungen auf das zweite Quartal schleunigst aufgeben zu wollen.


Der uns sehr knapp bemessene Raum gestattet uns aus dem reichen und mannigfaltigen Schatze uns neuerdings gewordener Beiträge, die nun nach und nach zum Abdruck gelangen werden, nur auf die nachstehenden hinzuweisen:

Photographien aus dem Reichstage des norddeutschen Bundes. Mit großen Abbildungen. – Schilderungen aus dem Vorarlberg von Felder, dem jüngst viel genannten neuen bäuerlichen Dichter aus dem Vorarlberg’schen. – Nach Paris. Vorschule für Besucher der Weltausstellung. Von H. A. Berlepsch. Außerdem wird unser Pariser Specialcorrespondent über die Ausstellung selbst mannigfache Berichte erstatten. Zugleich wird in dem nächsten Quartale die schon früher angezeigte neue Erzählung von E. Marlitt: „Das Geheimniß der alten Mamsell“ beginnen.

Alle Postämter und Buchhandlungen nehmen Bestellungen an.

Leipzig, im März 1867.

Redaction und Verlagshandlung.




Inhalt: Die Herrin von Dernot. Novelle von Edmund Hoefer. (Fortsetzung.) – Aus dem Steppenleben Rußlands. Mit Illustration. – Das Wiener Chormadel. Von H. Ehrlich. – Die Geschichte des Kladderadatsch. Mit Portraits.– Die Fortschrittspartei auf dem Katheder. 1. Ein Jubilar. Von Max Ring. – Blätter und Blüthen: Gegen den Entdecker der Gregarinen. – Wieder eine Liebesgabe von jenseit des Oceans. – Kleiner Briefkasten.




Die Deutschen Blätter, Literarisch-politische Feuilleton-Beilage zur Gartenlaube, Nr. 12 enthalten: Ein Sturm auf Jamaica. – Umschau: Das Jubiläum Böckh’s. – Der einjährige Freiwillige. – Eine schwere Anklage gegen die Lebensversicherungs-Gesellschaften. – Patriotische Bemühung. – Der Statthalter von Bengalen. – Silberverbrauch der Photographen. – Ein demokratischer Taufact. – Cylinderhut und Frack. – Schwindel in Deutschland. – Schleiermacher’s Anfänge im Schriftstellern. – Unwillkommene Lorbeeren. – Zweistöckige Eisenbahnwaggons.



Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 208. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_208.jpg&oldid=- (Version vom 9.3.2017)