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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

No. 13.

1867.
Die Gartenlaube.
Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.


Wöchentlich 1 1/2 bis 2 Bogen.     Vierteljährlich 15 Ngr.     Monatshefte à 5 Ngr.


Die Herrin von Dernot.


Von Edmund Hoefer.
(Fortsetzung.)


Der Sturm war schon über die Wanderer hingebraust, nur zuweilen noch fuhr ein einzelner Stoß durch den Busch über Matten und Felder; dafür aber folgten die Blitze einander grell und rasch, und der Donner, durch den Widerhall fortgepflanzt, rollte fast ohne Aufhören ihnen zu Häupten. Und nun begann auch der Regen stärker und stärker zu fallen, und von vorn klang ein von Schritt zu Schritt sich vermehrendes dumpfes Rauschen ihnen entgegen.

„Das hab’ ich gefürchtet – es stand gar zu schwarz über dem Gebirge, und nun kommt das Wasser schon! Wenn der Steg nur hält!“ sagte der Jägersmann in sorglichem Ton, ohne jedoch darum seine Eile zu mäßigen. „Aber nur Muth und ein wenig Vertrauen, mein Fräulein!“ fügte er mit einem bereits wieder ermuthigenden Lächeln hinzu; „wir kommen doch noch vor dem Aergsten hinüber, und für trockene Kleider wird schon Rath werden.“

„Nur vorwärts – ich bin nicht ängstlich und nicht zärtlich, mein Herr!“ versetzte seine Begleiterin munter, und ihr Auge, dessen Braun doch um mehrere Nuancen heller war als das des seinen, begegnete ihm mit fröhlichem Blicke. „Aber um Die dort hinter uns ist mir’s, die –“

„Da sind wir – der Steg hält noch! Aber rasch, rasch!“ rief der Jäger.

Aus dem Gebüsch tretend, sahen sie den rauschenden Bach nahe vor sich. Rechts kamen die Wasser, wie es schien, eine kleine Höhe im Sturz herunter – der Regen fiel so dicht, daß man nur auf wenige Schritte um sich zu schauen vermochte – und füllten das tiefe Bette fast bis an den Rand mit wildem, wirbelndem Gebrause. Jenseits sah man die undeutlichen Umrisse eines anscheinend stattlichen Mühlengebäudes, aber der Weg zu demselben führte über einen allerdings sehr kunstlosen und in diesem Augenblick gefährlichen Steg – zwei Balken nur lagen, fest aneinandergeschoben, von Ufer zu Ufer, kaum glatt behauen, ohne Geländer, und die Wellen spritzten darüber und machten sie schlüpfrig, und bei der sichtbar steigenden Gewalt der Wasser war die Sorge keine leere, daß im nächsten Moment schon die arme Brücke gehoben und fortgerissen werden dürfte.

Der Jäger sprang auf den Steg. Sein Auge flog bachaufwärts, dann zurück auf seine Begleiterin, das folgende Paar. „Es geht – aber mit festem Fuß! Oder – soll ich Sie tragen?“

Zur Antwort trat sie mit einem fast ein wenig spöttischen Lächeln an ihm vorüber und schritt rasch und sicher vorwärts. Die andere Dame folgte ihr nicht minder entschlossen, wenn auch mit ruhigem Blick dem augenscheinlich bewundernden Auge des Jägers begegnend.

„Mein Compliment, mein Herr!“ sagte der Letztere heiter, da er jetzt dem gleichfalls vorübergehenden Joseph sich anschloß. „Das laß’ ich mir gefallen! Da darf man schon eine Fußreise riskiren und sich obendrein auch verirren.“

Es war ein günstiger Augenblick gewesen, da sie den Steg passirten. Der Regen war ein paar Secunden lang weniger dicht gefallen und hatte ihnen einen freien Blick gestattet. Nun aber, da auch der Jäger eben vom Balken auf das Ufer sprang, zuckte ein greller Blitz und der Donner brüllte hinterdrein, wie sie’s heut’ noch nicht vernommen, und zugleich war es, als öffneten sich nun erst die Schleußen der Höhe, so stürzten die Regenfluthen wolkenbruchartig herab; die Damen hatten kaum das kleine Vordach erreichen können, das über der Thür der ganz nahen Mühle schirmend hervortrat.

„Was den Kukuk – gar Damen?“ sagte ein großer, hagerer und ersichtlich sehr alter Mann, der neben ein paar anderen, jüngeren Menschen in der Thür stand, um den Gang des Wetters zu verfolgen oder vielleicht auch der natürlich schon bemerkten Gesellschaft entgegen zu sehen. Seine Stimme klang tief und voll aus der kräftigen, breiten Brust hervor und sein Auge ließ aus dem scharfblauen Stern einen, wenn auch ein wenig düsteren, doch schier jugendlich scharfen Blick hervorbrechen. „Und – bigott! – ist’s der Franz, der sie uns bringt?“

„Macht Platz, Vater, daß die armen Kinder hereinkommen,“ unterbrach ihn eine gleichfalls schon bejahrte, aber noch rüstige und lebhafte Frau und schob ihn ein wenig zur Seite. „Tretet ein und geht nur gleich mit, daß wir nach trocknen Kleidern und Schuhwerk sehen,“ fügte sie gutmüthig lächelnd hinzu. „Daß sich Gott erbarm’, so sauber und in solchem Wetter! Lasse einen Kaffee machen derweil, Peter! Rasch!“

„Bei dem Gewitter da – nein,“ erwiderte der Dritte, der in der Thür gestanden, auch ein Mann in Jahren, kaum weniger groß als der Greis und auch nicht stärker; es mochte dessen Sohn sein, einer gewissen Aehnlichkeit nach zu schließen.

„Was Gewitter – sei nicht thöricht! Das ist schon vorüber,“ meinte die Frau lebhaft, „rasch, wie ich sage.“

Sie verschwand mit den beiden Mädchen im Hause. Der Mann folgte ihr ziemlich widerwillig und rief gleich darauf barsch nach einer Magd. Der Alte aber war in der Thür stehen geblieben, wie er die Ankömmlinge vorübergelassen, und sein Auge, in welchem sich beim näheren Anschauen der Braunäugigen eine

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verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 193. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_193.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)