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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

welchen Empfindungen! – fand ich eine Andere, eine Fremde, an Deinem Lager und ich wies sie von dem Platze; von Dir aber verlange ich die Erklärung, wie sie wagen durfte, hier zu sein!“

Die anfängliche scheinbare Ruhe Alma’s war bereits gewichen und sie hatte die letzten Worte in großer Erregung gesprochen.

„Wenn Du es der Mühe werth gefunden hättest, Dich mit den Einzelheiten jenes Vorgangs bekannt zu machen, so würdest Du Dir die Frage haben ersparen können,“ versetzte er kalt. „Meinen eigenen unklaren Erinnerungen hat der Arzt nachgeholfen, und durch ihn weiß ich, daß das junge Mädchen, von dem Du sprichst, sich meiner Pflege angenommen hat, bevor Du hier warst, während mir nur war, als hätte ich sie im Traum an meinem Lager gesehen.“

„Sonst aber kanntest Du die Schauspielerin nicht?“ fragte sie, und es war, als mische sich ein Anflug von Hohn in ihre Worte.

„O ja, ich kannte sie – seit längeren Jahren.“

„Ich weiß es und weiß auch, es war nicht die barmherzige Liebe der Samariterin, welche sie hierher zog; sie kam, weil –“

Er sagte kein Wort, aber er warf ihr einen Blick zu, der sie warnen sollte. Sie achtete jedoch nicht darauf, ja seine ruhige Kälte brachte sie nur um so mehr auf, und leidenschaftlich fuhr sie fort: „Weil hier ein Verhältniß besteht, das sich vor mir verbirgt, weil ich verrathen und hintergangen bin!“

„Wiederhole die Worte nicht, Alma!“ rief er. „Ich möchte sonst nicht vergeben können, daß Du sie gesprochen hast.“

„Vergeben? Wer braucht Vergebung, Feldern?“

„Du, Alma, weil Du in dieser Stunde nicht an mich glaubst!“ sagte er ernst, aber mit wiederkehrender Milde.

„Sage vielmehr, weil ich an Dich geglaubt habe Jahre lang, weil ich an Dich geglaubt habe in einer anderen Stunde, an die ich jetzt nur zu denken vermag in bitterer Reue!“

„Alma!“ rief er leichenblaß.

Durch den Ton klang ein so schneidender Schmerz und zugleich ein so tiefer Vorwurf, daß sie sich selbst in diesem Augenblick erschüttert fühlte.

„Friedrich, bei Allem, was Dir heilig ist, beschwöre ich Dich, sage mir, was ist zwischen Dir und jenem Mädchen?“

„Sie hat unter meinem Schutz gestanden, Alma, und ihr dankbares Herz hängt an mir, genügt Dir das nicht?“

„Nein, es genügt mir nicht! Schwöre mir bei Allem, was Dir selbst heilig ist, daß Dich kein geheimes Band an sie fesselt, daß Eure Beziehungen klar und lauter sind wie der Tag! Schwöre mir das, Friedrich, und ich will Dir glauben, ja, ich will Dir auf meinen Knieen dafür danken!“

„Nein, Alma, ich schwöre das nicht. Es ist ein Geheimniß zwischen uns, das meine Lippen nicht verrathen können, wenigstens nicht in dieser Stunde. Aber so wahr mir Gott helfe, meine Ehre ist rein dabei!“

Alma wandte sich ab. Statt der Wahrheit, um die sie gebeten, gab er ihr ein Räthsel, statt des Brodes, um das sie gefleht, bot er ihr einen Stein! Ihre Bitterkeit preßte ihr die Worte aus: „Ich weiß nicht mehr, was ich mir bei Deiner Ehre zu denken habe, Feldern.“

Er stand starr – dahin war es also gekommen! Es währte einige Augenblicke, ehe er zu reden vermochte, dann sagte er – Alma wußte nicht, ob er zu ihr oder zu sich selbst sprach –: „Ich wüßte es auch nicht, wenn ich dies länger ertrüge.“

Darauf versank er in Schweigen, das Alma allmählich unheimlich wurde; dennoch wagte sie nicht, das Wort zu nehmen. Endlich sagte er mit vollkommen ruhiger, aber tonloser Stimme: „Es wird nach dieser Stunde am besten sein, Alma, daß wir uns für eine Weile trennen, damit wir Beide in Ruhe und Stille einsehen und beschließen, was für unsere Zukunft noth thut. Ich selbst betrachte meine hiesige Badezeit als beendet und werde heute noch abreisen, um nach E. zurückzukehren, und für Dich möchte es das Natürlichste sein, daß Du den unterbrochenen Besuch bei Deiner Mutter wieder aufnimmst. Bist Du mit meinem Vorschlage einverstanden?“

Sie nickte. „Dann lebe wohl, Alma, bis wir wieder von einander hören!“

Er reichte ihr die Hand, welche ihre glühendheiße eiskalt berührte; dann verließ er das Gemach. Eine Stunde später war er abgereist, nachdem er noch zuvor den Arzt besucht und ihn gebeten hatte, Melanie seinen Dank zu bringen, da ihn zufällige Ereignisse zur schleunigen Abreise nöthigten.

Am selben Tage verließ Alma den Badeort, um zu ihrer Mutter zurückzukehren; mit tieferem Weh im Herzen, als bei ihrem Kommen.

Alma wählte sich keinen Vertrauten für ihren Kummer, selbst die Mutter nicht, der sie nur von der Herstellung ihres Mannes berichtete, die ihre weitere Pflege überflüssig gemacht und ihm die Rückkehr in seinen Beruf gestattet habe, und Letztere fand es natürlich, daß Alma sie für die ihr geraubte Zeit durch ein längeres Bleiben entschädigen wolle. Es fiel ihr wohl auf, daß die Wangen der Tochter bleicher waren, als bisher, daß ihre frühere heitere Laune einer ernsten, selbst trüben Stimmung Platz gemacht hatte, doch schrieb sie dies den Anstrengungen der Krankenpflege zu und war um so mehr bemüht, sie mit Zerstreuungen aller Art zu umgeben, die Alma jedoch entschieden von sich abwies, indem sie dafür so viel wie möglich die Einsamkeit ihres Zimmers suchte. Dort wurde ihr eines Tages – sie mochte etwa eine Woche wieder in der Residenz sein – der Besuch einer unbekannten Dame gemeldet, welche die Nennung ihres Namens mit den Worten verweigert habe: „Wenn die Frau Professorin mich sieht, wird sie mich zu sprechen wünschen.“

Etwas überrascht, befahl Alma, die Fremde zu ihr zu führen, hätte aber fast einen Schrei des Entsetzens ausgestoßen, als dieselbe nach einer Minute in’s Zimmer trat – es war Melanie. Unwillkürlich hob sie die Hand mit einer abwehrenden Bewegung, als wollte sie ihr verbieten, die Schwelle zu überschreiten.

„Ich verstehe Sie,“ sagte die Schauspielerin mit einem bitteren Lächeln, „Sie wollen mich von sich weisen, wie Sie es schon einmal thaten. Jetzt aber gehorche ich Ihnen nicht; wenn ich es thäte, würde es schlimmer sein für Sie, als für mich selbst.“

Es lag in ihrer Weise etwas, das Alma wider ihren Willen frappirte, und ohne daß sie es wußte, klang ihr Ton ziemlich mild, als sie entgegnete: „Ich leugne nicht, daß Ihr Erscheinen mich befremdet, aber dennoch weise ich Sie nicht fort, ehe ich weiß, was Sie zu mir führt. Was haben Sie mir zu sagen?“

„Vieles,“ entgegnete Melanie. „Vieles, worüber Sie jauchzen werden in Ihrem Herzen, während es das meinige Qual kostet, es zu sagen. Daß ich es aber dennoch sage, das – hören Sie wohl zu – verdanken Sie dem Manne, den Sie Ihren Gatten nennen!“

„Sie wagen es, seinen Namen vor mir zu nennen?“ rief Alma zitternd.

„Ja,“ entgegnete die Schauspielerin ruhig, „und Sie selbst werden nicht wagen, Ihr Ohr diesem Namen zu verschließen.“

Wieder fühlte Alma sich befangen von der Sicherheit ihrer Gegnerin. „So sprechen Sie,“ sagte sie, „und ich will versuchen, ruhig zu sein.“

„So frage ich Sie denn und beschwöre Sie bei Ihrer Seele Seligkeit, mir wahr zu antworten: lieben Sie Feldern so, daß Sie sich Ihr höchstes Glück nur an seiner Seite denken können?“

Das Wort genügte, um Alma ihren Vorsatz, gelassen die Worte der Schauspielerin anzuhören, vergessen zu lassen. „Empörend!“ rief sie aus, während ihr ganzer Körper vor Entrüstung bebte.

Melanie hielt ihr die gefalteten Hände entgegen. „Ich flehe Sie an, weigern Sie mir nicht die Antwort! Mein – Ihr eigenes Leben und Schicksal hängt an dieser Frage.“

„Sie fragen mich, ob ich ihn liebe?“ sagte Alma endlich; „fragen Sie sich selbst, warum ich Sie – hassen muß!“

Ein trauriges Lächeln glitt über die Züge der Schauspielerin. „Ich danke Ihnen,“ sagte sie, „damit ist der Würfel geworfen! So hören Sie denn: auch ich liebe den Mann, der Ihr Gatte ist, liebe ihn leidenschaftlich und grenzenlos! so grenzenlos, daß ich jetzt das eigene Herz zertreten, daß ich mich selbst von Ihnen zertreten lassen will, wie einen Wurm, den Sie nicht allein hassen, den Sie auch verachten dürfen!“

Alma trat einen Schritt zurück. „Halten Sie ein!“ rief sie, „ich kann aus Ihrem Munde nicht die Schuld meines Gatten hören.“

„Um Gottes Barmherzigkeit willen, reden Sie nicht so! Friedrich hat keinen Theil an meiner Schuld, wie ich nie einen

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