Seite:Die Gartenlaube (1867) 128.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

und hatte vergessen, seine neue Adresse zurückzulassen. Als Castelli dieses dennoch erforschte, war er abermals ausgezogen, und so ging es fort. So oft der Dichter hoffte, Maler und Pelz zu erwischen, schlüpften ihm Maler und Pelz, so zu sagen, durch die Finger.

Endlich lächelte dem armen Castelli das süße Glück des Wiedersehens! Canon stand eines Morgens am Fenster seiner fünfzigtausendsten Wohnung, als er seinen Freund Castelli in’s Haus treten sah. Zu entwischen war nicht mehr möglich, also hilf, was helfen kann!

Als Castelli die Zimmerthür öffnete, fand er seinen Freund Canon bis über die Ohren in den Pelz gewickelt, jämmerlich stöhnend und der ganzen Länge nach ausgestreckt im Bette.

„Guten Morgen!“ rief der Dichter barsch.

„Guten Morgen!“ hauchte kläglich der Maler, von welchem nichts als die Nasenspitze sichtbar war.

„Was hat das zu bedeuten? bist Du krank?“

„Sterbenskrank! Es freut mich, Dich zu sehen, mein guter ehrlicher Castelli, – aber komm’ mir nur ja nicht zu nahe, ich bitte Dich!“

„Warum denn nicht?“

„Ich habe die schwarzen Blattern, lieber Freund.“

Castelli, dem das Leben der Güter höchstes war, fürchtete nichts so sehr, als ansteckende Krankheiten.

„Die schwarzen Blattern!“ schrie er entsetzt, und wäre in Todesangst fast zum Fenster, statt zur Thür, hinausgesprungen.

„Deinen Pelz! Deinen Pelz!“ rief Canon ihm nach, nachdem er endlich das rechte Loch gefunden, „Deinen Pelz!“

„Verbrenne ihn!“ brüllte der Flüchtling schon auf der Treppe. „Der Teufel hole den verdammten Pelz! Ich mag von ihm nichts mehr wissen!“

Canon sprang lachend aus dem Bette.

Er war und blieb Besitzer des schönen russischen Pelzes, denn Castelli hätte ihn um alle Schätze der Erde nicht mehr zurückgenommen.

Später beichtete der Maler dem Dichter den losen Streich, den er ihm gespielt, aber das gefährdete den Bund der Freundschaft nicht, und der gutmüthige Castelli lachte oft noch recht herzlich über den lustigen Schwank.




Glückliche Menschen. (Mit Abbildung.)

An den Rhein, an den Rhein, zieh’ nicht an den Rhein,
Mein Sohn, ich rathe Dir gut:
Da geht Dir das Leben zu lieblich ein,
Da blüht Dir zu freudig der Muth.

Siehst die Mädchen so frank und die Männer so frei,
Als wär’ es ein ander Geschlecht;
Gleich bist Du mit glühender Seele dabei:
So dünkt es Dich billig und recht.

Oder gäbe es wirklich Menschen mit so gesättigten Augen, daß der Blick auf unser Bild nicht die Sehnsucht nach wahrem Menschenglück in ihnen erweckte? In der Ruhe der Sicherheit wohlthuend-mild strahlendes Glück – das ist der seltene Inhalt dieses Blattes! Ein Mann voll Lebensfrohmuth zwischen Gattin und Sohn, des Herzens Liebstes mit beiden Händen festhaltend, ein Weib im Hochgefühl der Liebestreue ihm angeschmiegt, glücklich in des Gatten Glück, und das Kind glücklich für sich, das ist ein Anblick, der auch ohne den Rhein die Herzen packte. Wer aber kann ihm gar dort widerstehen, wenn die scheidende Sonne solchen Glücklichen eine gute Nacht zustrahlt?

Man möchte schier zürnen, daß es nicht möglich ist, dem Holzschnitte Farbengluth einzuhauchen. Wie viel verliert unser Herz dadurch, daß die Lust des Auges von der Abendpracht, in welche der Maler diese Glücklichen am Rhein gestellt hat, nicht mit erregt werden kann! Ist doch sonst Alles, Thal und Himmel und Geschöpfe Gottes, dazu angethan, uns in die selige Stimmung neidlosen Mitempfindens einer ungewöhnlichen Glückseligkeit zu versetzen, deren Augenblicksbild uns belehrt, daß der Friede trauter, sorgenloser Liebe hier heimisch ist.

Freilich – am Rhein, und von Böttcher! – Als ob es da anders sein könnte! Wir haben unsern Lesern diesen „Volksmaler“ schon zweimal vorgeführt: im Jahre 1861 (Nr. 41 der Gartenlaube), wo wir den harten Lebensgang dieses armen Buben aus dem Dorfe Imgenbroich auf der hohen Veen im Regierungsbezirk Aachen erzählten, der erst mit dem sechsundzwanzigsten Jahre die Akademie (in Düsseldorf) beziehen konnte und schon drei Jahre später (1847) in der Meisterclasse saß. Wir wissen, wie heiß er sein Rheinland liebt, wie er die Verherrlichung der Natur und des Volks am alten Strom unverlöschlicher, urgermanischer Begeisterung fast zur Hauptaufgabe seines Lebens erhoben hat. Er allein hat Stoff genug für ein ganzes Rheinlands-Album aufgehäuft. Ein zweites Bild theilte die Gartenlaube 1865 (Nr. 23) mit, seine „Heuernte am Rhein“, deren Original (Oelgemälde) die Bürger von Köln ihrem Classen-Kappelmann zum Dank dargebracht hatten. Ihm gab man den ehrenvollen Auftrag, den Dank der Kölner zu malen, weil er die Rheinlandherzen eben dazumal mit einer „rheinischen Sommernacht“ überglücklich gemacht hatte. Und heute bringt er uns wieder einen rheinischen Sonnenuntergang, von dem wir freilich leider nichts auf unserem Holzschnitt sehen, als den Widerschein des stillen Entzückens auf den beiden lieben Menschengesichtern, die ihm auf unserem Bilde zugewandt sind. Zu diesen „Glücklichen im Schloß“, die leider nach England verkauft worden sind, vollendete Böttcher ein ebenbürtiges Seitenstück, „die Glücklichen in der Hütte“, welches wir nach einer auch unter der speciellen Ueberwachung des Künstlers gemachten Zeichnung nächstens ebenfalls mittheilen. Ueber das vorliegende Bild schreibt uns der Künstler selbst: „Der landschaftliche Hintergrund zeigt die Aussicht, welche man auf der Terrasse der Burg Klopp bei Bingen hat. Die Häuser nebst der Kirche im Hintergrund gehören dem Theile der Stadt Bingen an, welcher der Mündung der Nahe in den Rhein zunächst liegt. Oberhalb der Kirche sehen wir den Mäusethurm auf seiner Rheininsel und rechts von ihm am Bergabhangs die Burg Ehrenfels, an dessen Fuße rechts bis Rüdesheim der edle Rüdesheimer Berg wächst. Hoch oben auf dem Berge, rechts, ist die Ruine Rossel, der schönste Punkt des Niederwaldes. Die Figuren schauen hinaus in der Richtung zur Drususbrücke über die Nahe, wohin besonders am Abend die Fernsicht so reizend ist. Sie sehen, es ist kein schlechtes Stückchen Erde, auf das diese Menschen ihre Villa hingebaut haben.“

Man muß ihm darin vollkommen Recht geben. Er selbst bedauert, „daß die feierliche Farbenstimmung, wie sie der Sonnenuntergang mit sich bringt, in der Zeichnung sich nicht wiedergeben läßt, denn,“ sagt er, „diese stille, sonnige Ruhe in der Landschaft ist doch eigentlich das erläuternde Motiv für die Stimmung der Figuren, die sich dieser feierlichen Naturstimmung bis zu seligem Selbstvergessen hingeben.“

Ja, es ist jenes gefährliche Selbstvergessen, zu dem der Rhein so verführt und vor dem nur die unschuldige Kindheit bewahrt ist, wie wir genau auf unserm Bilde sehen: nur dem Knaben und dem Pudel hat der Zaubersang der Abendgeister des Rheins nichts an; Beide spielen so harmlos, als wenn dort die Sonne den ganzen Tag so unterginge. Aber für Leute, wie der schöne sinnende Mann und die anmuthig an ihn geschmiegte Frau, hat Carl Simrock ganz gewiß seine dringende „Warnung vor dem Rhein“ bestimmt, in welcher der Dichter ohne Zweifel aus eigener heftiger Erfahrung spricht. Und ergeht es uns denn nicht gerade so, denen die Erinnerung an eine wonnige Rheinreise die Farben auf dieses Bild überträgt? Wenn wir den Zauberspiegel des Stroms und sein Felsgestade, seine stolzen Burgen und noch stolzeren Menschen im Geiste wiedersehen, – so bricht die älteste Sehnsucht nach diesen Herrlichkeiten wieder frisch auf, und jeder gewissenhafte Vater stimmt mit ein in Simrock’s Befürchtung:

Zu Schiffe, wie grüßen die Burgen so schön
Und die Stadt mit dem ewigen Dom!
In den Bergen, wie klimmst Du zu schwindelnden Höh’n
Und blickst hinab in den Strom!

Und im Strome, da taucht die Nix aus dem Grund,
Und hast Du ihr Lächeln geseh’n,
Und sang Dir die Lurlei mit bleichem Mund,
Mein Sohn, so ist es gescheh’n:

Dich bezaubert, der Laut, Dich bethört der Schein,
Entzücken faßt Dich und Graus;
Nun singst Du immer: Am Rhein, am Rhein,
Und kehrst nicht wieder nach Haus.




Friedrich Rückert’s Leben und dichterisches und wissenschaftliches Wirken hat trotz der fleißigen Forschungen des Dr. C. Beyer (Fr. Rückert’s Leben und Dichtungen. Zweite Auflage. Coburg bei G. Sendelbach) noch manche dunkle Partien, die selbst durch die Mittheilungen seiner nächsten Angehörigen schwer zu erhellen sind, so daß auf die Correspondenz des rastlosen Dichters und Gelehrten mit den hervorragendsten seiner Zeit- und Strebegenossen, denen er über sein stilles Schaffen in der Studirstube fast allein bisweilen Einblicke eröffnete, großer Werth gelegt werden muß. Sollten solche Rückert-Briefe nicht von ihren dermaligen Besitzern der Familie (und geschähe dies auch nur in möglichst guten Abschriften) zur entsprechenden Benutzung mitgetheilt werden? Unter den nachgelassenen Schriftschätzen Rückert’s vermißt ferner dessen Sohn, Professor Heinrich Rückert in Breslau, sämmtliche Briefe Platen’s an Rückert, die offenbar einmal entliehen und nicht zurückgegeben worden sind. Heinrich Rückert ersucht den unbekannten Inhaber derselben, diese für ihn und alle Verehrer Rückert’s unschätzbare Briefsammlung ihm direct oder Herrn Dr. Beyer in Coburg zur Weiterbeförderung baldigst zusenden zu wollen.




Kleiner Briefkasten.


W. Z. in Z–u. Nein! was wir schon früher erklärt, wiederholen wir auch Ihnen: die Gartenlaube kann sich ihren Abonnenten gegenüber auf keinerlei sogenannte Prämien einlassen, weder auf Stahlstiche, noch Lithographien, noch gar auf Lotterieloose. Erhalten Abonnenten der Gartenlaube hier und da Prämien, so gehen diese niemals von der Verlagshandlung unseres Blattes, sondern von einzelnen Sortimentsbuchhandlungen und Großcolporteuren aus. Die Thatsache der ungeheuern Auflage unserer Zeitschrift beweist zur Genüge, daß diese keines solchen Lock- und Zugmittels bedarf.

D. Red.




Inhalt: Getrennt. Novelle von F. L. Reimar. (Fortsetzung.) – Das Tusculum eines amerikanischen Dichters. Von Karl Rau in New-York. Mit Abbildungen. – Von den Geheimnissen der Vogelstellerei. Von Gebrüder Karl und Adolph Müller. 1. Auf der Tränke. Mit Abbildung. – Aus der Briefmappe des Weisen von der Blumenhalde. I. – Ein russisches Findelhaus. – Blätter und Blüthen: Wolfsjagd in Siebenbürgen. Von Albert Amlacher. – Der Pelz des Starosten. – Glückliche Menschen. Mit Illustration. – Friedrich Rückert. – Kleiner Briefkasten.




Die Deutschen Blätter, Literarisch-politische Feuilleton-Beilage zur Gartenlaube, Nr. 7 enthalten: Die beleidigte Erdgöttin Indiens. – Umschau: Die Pariser Singspielhallen. – Gerichtsscene in Texas. – Salomon Munk. – Ein Club der Feinschmecker. – Modernes Studententhum. – Die Balltoiletten der Damen. – Der Bauer als Romandichter. – Der Tunnel in Chicago. – Neue Ausgaben.



Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 128. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_128.jpg&oldid=- (Version vom 8.3.2017)