Seite:Die Gartenlaube (1867) 111.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

Das Stampfen und Kneten des Thons geschieht noch mit Füßen und Händen, eine überaus harte, anstrengende Arbeit. Ebenso werden die Geschirre vom sogenannten „Wirker“ auf der gewöhnlichen Drehscheibe noch aus freier Hand geformt. Das Garbrennen der Waaren geschieht in einigen Fällen durch Steinkohlen, meistens aber durch Holz, welches hier in hohem Preise steht; die Weißwaarenbäcker haben bisher nur Holz mit Erfolg verwenden können.

Zwischen den Fabrikanten und ihren Gehülfen und Dienstleuten besteht noch ein patriarchalisches Verhältniß, letztere nennen die Herrschaft „Vetter“ und „Base“. Dieselbe Vertraulichkeit waltet auch zwischen dem Pastor und seiner Gemeinde ob. Er redet die Männer und Frauen meist bei ihrem Vornamen, die jüngeren sogar mit „Du“ an, während die Kinder auch von ihm als vom „Pastors Vetter“ sprechen und seine Frau „Pastors Base“ tituliren. Dagegen ist, wie er mich versicherte, der Umgang zwischen Eltern und Kindern entschieden ein zu vertraulicher. Weil die Kinder mit den Eltern stets zusammen sind, werden sie in alle Verhältnisse eingeweiht und schon früh um Rath gefragt. Es kommt vor, daß bei gewissen Familienereignissen die Mutter sich vor dem Unwillen des vierzehnjährigen Sohnes fürchtet.

„Im Uebrigen,“ sagte der Pfarrei, „kann ich den Krug- und Kannenbäckern in Grenzhausen und in den andern evangelischen Dörfern das beste Zeugniß ausstellen. Sie sind sehr arbeit- und sparsam, letzteres bis zum Geize; mäßig und nüchtern, ehrlich und bieder; die Kaufleute in Vallendar borgen einem Grenzhäuser auf das bloße Wort. Man findet unter ihnen viel Neigung zur Lectüre; die Gartenlaube wird in den meisten Familien gehalten. Die Kinder werden fleißig zur Schule geschickt, und wenn es die Mittel erlauben, läßt man ihnen gleich oder hinterher einen gehobenen Unterricht privatim ertheilen. Die im katholischen Nachbardorfe Höhr schicken ihre Söhne sogar auf belgische Institute, freilich oft blos des Namens halber. Gegenwärtig ist unter den Kannenbäckern der Ehrgeiz verbreitet, ihre Söhne als einjährige Freiwillige in die preußische Armee treten zu lassen, was indeß, obwohl es bekanntlich mit den Anforderungen gar leicht genommen wird, häufig dennoch an dem Mangel der nothwendigsten Vorbildung scheitert.

Vom Aberglauben ist, da die religiöse Anschauung der Bevölkerung im Allgemeinen eine rationalistische, im Krugbäckerlande gar nicht die Rede, weder in den protestantischen noch in den katholischen Dörfern. Diese letztern gehörten früher zum Kurfürstenthum Trier, jene zu den Fürstlich Wied’schen Besitzungen. Grenzhausen ist seit 1564 protestantisch, wo sich Hermann, Erzbischof von Köln und Fürst von Wied, für die neue Lehre erklärte. Noch heute ist hier viel Anhänglichkeit verbreitet an das Haus Wied, namentlich auch an den gegenwärtigen Fürsten Hermann, der bekanntlich ein geistvoller Philosoph und Schwager unseres entthronten Herzogs ist. Sonst hat das Krugbäckerland in Trachten, Sitten und Gebräuchen ebensowenig etwas Eigenthümliches bewahrt wie andere Fabrikdistricte: auch hier hat die Industrie Alles nivellirt.“

„Wie aber stehen die protestantischen Dörfer zu den katholischen?“

„Nur in gewerblicher Hinsicht waltet zwischen allen Dörfern mancherlei Eifersüchtelei und Ueberhebung ob; die Confession hingegen hat uns erst in neuester Zeit und dann auch nur mittelbar getrennt. Der katholische Pfarrer im benachbarten Höhr ist mein Duzbruder, wir besuchten uns gegenseitig und standen im freundschaftlichsten Verkehr. Starb in Grenzhausen ein Katholik, so begleitete ich die Leiche bis an das Kirchhofsthor, wo mir mein katholischer Amtsbruder entgegentrat; wir reichten uns die Hände und ich überlieferte ihm den Sarg. Dieses schöne Verhältniß hat aber der jüngste Krieg zerrissen; die protestantischen Dörfer nahmen für Preußen, die katholischen für Oesterreich und den Bund Partei. Seitdem ist zwischen Grenzhausen und Höhr ein Riß eingetreten, und der katholische Pfarrer hat allen Umgang mit uns abgebrochen, vielleicht weil der Bischof ihm denselben verboten. Es ist mir aufrichtig leid!“

Dann kamen wir wieder auf die Industrie des Ortes zu sprechen, die ich, insofern sie einen ganzen District erfüllt und darin allein herrscht, als eine höchst merkwürdige und wichtige rühmte.

„Und dennoch hat ihr der Herzog, der doch nur über ein kleines Ländchen gebot, welches er in Einem Tage durchreisen konnte, während seiner ganzen Regierung nie einen Blick geschenkt,“ sagte der Pfarrer. „Wie oft hat er in Montabaur, eine Stunde von hier, gejagt; aber nie ist er nach Grenzhausen gekommen! Und doch hätte gerade die Thonwaarenfabrikation, die Tausenden von Menschen Beschäftigung und Existenz gewährt und noch einer weit größeren Ausdehnung fähig ist, die Aufmerksamkeit und Pflege der Regierung verdient.“

„Wie Ihnen schon selber nicht entgangen sein wird,“ fuhr er fort, „tritt die Industrie zum größten Theile noch heute wie vor hundert Jahren im Gewande des Handwerks auf, und wenn schon die Krug- und Kannenbäcker sich ‚Fabrikanten‘ nennen, ist von einem fabrikmäßigen Geschäftsbetrieb noch wenig die Rede. Dazu fehlt es ebenso sehr an Capitalien wie an Speculationsgeist. Allwöchentlich geht unser Rohthon in Hunderten von Wagen an den Rhein, um in auswärtigen Fabriken verarbeitet zu werden; ein Beweis, welch’ vortreffliches Material wir besitzen und daß durch die massenhafte Ausfuhr der hiesigen Bevölkerung kein geringer Arbeitsverdienst entzogen wird. Die Ausbeutung des Thones selbst wird in der unverantwortlichsten Weise betrieben. Wenn nach Willkür Gruben aufgeworfen, einige Wochen ausgebeutet und, sobald dieselben mit Einsturz drohen oder sich Wasser zeigt, wieder zugeworfen oder liegen gelassen werden, so ist das ein Raubsystem, welches zum Mindesten den Nachtheil hat, daß das ausgezeichnete Material nicht in dem Maße gewonnen wird, wie es sein sollte. Noch mehr läßt die Bearbeitung des Thones und die Anfertigung der Geschirre zu wünschen übrig. Beides könnte durch Anwendung von Maschinen weit leichter, billiger und besser geschehen. Gerade dadurch nimmt die englische Thonindustrie einen so hervorragenden Rang ein, da es niemals möglich ist, aus freier Hand Gefäße in solcher Vollkommenheit und Güte zu drehen, wie es Maschine und Preßeinrichtung thun. Unsere Industriellen müßten ihre Söhne nach Frankreich und England schicken, um die dortige Fabrikationsweise kennen zu lernen. Ueberhaupt fehlt es unseren Bäckern an theoretischer und künstlerischer Bildung. Man kennt hier noch nicht die Anwendung des Cements, und die Gefäße sind in Folge mangelhafter Anfertigung zu sehr dem Schwinden, Zerreißen und Zerspringen ausgesetzt. – Auch die Construction der Brennöfen ist noch eine sehr mangelhafte, indem sie ein zu großes Heizungsmaterial erfordern und eine Unmasse Holz als dicken schwarzen Rauch entweichen lassen, unter neun bis zehn Klaftern Holz ungefähr eine ganze Klafter. Es müßten Musteröfen gebaut, eine Musterfabrik angelegt werden, welche die Fortschritte in Technik und Wissenschaft zur allgemeinen Kenntniß und Anschauung brächten. Es müßten die gesammten Fabrikanten zu einer Association zusammentreten, um den Thon gemeinschaftlich graben und bearbeiten zu lassen, um auf gemeinsames Lager zu arbeiten und den Verkauf durch eine Commission betreiben zu lassen. Das würde die Ausdehnung und Hebung der Industrie schnell und ungemein fördern. Aber zu Alledem gehört Geld und die Initiative der Regierung. Was diese sonst noch in äußerer und localer Hinsicht für uns thun kann, sollen Sie morgen im Gewerbeverein, den ich Ihretwegen zusammenberufen will, von den Fabrikanten selber hören.“




Blätter und Blüthen.


Pius des Neunten Leben und Gewohnheiten. Ist man auch kein Anhänger des Papstthums, so hat doch vielleicht eine Schilderung des Lebens und Treibens Pius’ des Neunten für Manchen Interesse, da derselbe einer der trefflichsten und wohlmeinendsten, wenn auch nicht kräftigsten Vertreter des Papstthums und aller Wahrscheinlichkeit nach der letzte Nachfolger Petri auf dem apostolischen Stuhle sein dürfte. Der erste Papst, der heilige Petrus, bestieg den heiligen Stuhl im Jahre 34 nach Chr. Geb., der letzte Papst, Pius der Neunte, wurde im Jahre 1846 gewählt. Er ist jetzt ein schöner Greis von vierundsiebenzig Jahren, der sich im weltlichen Leben Johann Maria von Mastai-Ferretti nannte und am 13. Mai 1792 zu Sinigaglia geboren wurde. Anfangs hatte er die Absicht, sich dem militärischen Stande zu widmen, doch wählte er dann den geistlichen Beruf und wurde nach mehrjährigen gefahrvollen Missionsreisen von dem damaligen Papste Leo dem Zwölften zum Director eines dem heiligen Michael geweihten Hospizes ernannt; im Jahre 1827 wurde er Bischof von Spoleto. Sein Vorgänger, Papst Gregor der Sechszehnte, machte ihn 1832 zum Erzbischof von Imola und verlieh ihm 1840 die Cardinalswürde. Was man ihm sonst auch vorwerfen möge, so lassen sich ihm doch die mildesten

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 111. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_111.jpg&oldid=- (Version vom 3.3.2017)