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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

nit weil sie ihm gefallt und weil er sie gern hat, sondern weil sie das Loos ’troffen hat … aber wer weiß, ob der erste Unwillen ihr nit lang vergangen ist? Ob es ihr nit auch geht wie Dir und ob sie nit anders reden thät, wenn Du ihr jetzt ein Wort vergönnen thät’st …“

„Ich?“ rief Sylvester aufspringend. „Ich sollt’ noch einmal hinsteh’n vor die trutzige Dingin und ihr wohl gar ein gutes Wort geben? Eher sterben! Ja, ich hab’ sie gern gehabt, zu tiefst von Herzensgrund gern, aber sie glaubt’s ja nit, daß ich ein Herz hab’! Sie glaubt, daß ich gar nit weiß, daß ich keine Ahnung davon hab’, was das heißt, Jemand gern haben … und sie soll Recht haben in ihrer Gescheidtheit! Sie soll sehen, daß ich wirklich kein Herz hab’, daß ich sie und die ganze Narrethei vergessen kann, als wie …“

„Red’ nit so daher,“ unterbrach ihn die Alte, „wenn Du Dich im Spiegel anschau’n könntest, dann würd’st sehen, daß Dein Geschau’ zu denen Reden nit stimmt! Du hast die Narrethei nit vergessen … aber wenn Du mit dem Madel nit reden willst, was meinst dazu, wann ich’s probiren thät und thät’ anklopfen – weißt, so ganz fein und von der Fern?“

„Basel,“ rief der Bursche noch erregter, „um Alles in der Welt, thu’ das nit! Wenn Du mich nur ein bissel gern hast, thu’s nit! Schau, wenn ich wüßt’, daß Du das thät’st, heut noch ging’ ich aus dem Haus und morgen aus dem Dorf!“

„Na, na, ist schon wieder Feuer im Dach?“ erwiderte sie lachend. „Wenn Du’s nit haben willst, ich kann die Hand davon halten, ich kann’s bleiben lassen! … Aber wie soll’s nachher mit Dir werden, armer Bub’?“

„Sorg’ nit, Basel,“ entgegnete er sich zusammennehmend mit anscheinender Ruhe. „Ich werd’s wohl zwingen, ich will tüchtig arbeiten, Tag und Nacht arbeiten, daß ich’s bei Tag vergess’ und bei Nacht verschlaf’ vor Müdigkeit … Ich hab’ einmal zug’schaut, wie das wilde Feuer eingeschlagen hat im Wald und wie der Forstner es an’gangen ist, daß er’s überwältigt hat … mit’m Löschen wär’ nichts ausgericht’ gewesen, aber so haben wir weit herum einen Graben ’zogen um die Brandstatt und haben das Holz ausgehau’t rings herum; was drinnen war, das haben wir verloren ’geben und es hat einige Tag’ gedauert, bis Alles niedergebrennt g’wesen ist zu lauter Aschen und Kohlen, aber das Feuer ist nit drüber hinaus gesprungen und d’rum herum ist der Wald steh’n blieben, frisch und grün … So will ich’s auch machen, Basel … aber der Hund rebellt draußen! Der Vetter kommt heim, ich hör’ ihn schon, wann er so schreit, ist er übel aufgelegt, da will ich ihm lieber aus dem Weg gehen …“

Kaum war er durch die Hinterthür aus der Küche geschlüpft, als der Brunnhofer schon die Hausthür aufgerissen hatte und den Schnee von den Füßen stampfend durch den Gang herangepoltert kam. Er trug eine erwürgte, übel zerzauste Henne in der Hand. „Hab’ ich’s nit alleweil gesagt,“ rief er die Hauserin an, „der Mader wird so lang um den Taubenkobel und um den Hühnerschlag herumschleichen, bis er ein Unglück angerichtet hat? Glücklicher Weis’ bin ich just daher gekommen und hab ihn versprengt und hab’ ihm das Hendel da noch abg’jagt! Wo ist der Vestl? Warum hat er dem Mader nit aufgepaßt? Warum hat er ihm keine Fallen aufg’stellt? Warum hat er ihn nit erschossen?“

„Na, sturmt’s wieder?“ entgegnete die Hauserin mit gelassenem Lachen. „Der Bub’ wird bald gar nit mehr wissen, was er thun und lassen soll, daß er’s recht macht! Erst soll er kein’ Stutzen mehr anrühren und nachher soll er wieder auf den Mader Jagd machen!“

„Will mich die Schwagerin trotzen?“ fragte der Bauer und zündete paffend die ausgegangene Pfeife wieder an. „So ist’s nit gemeint, das weiß sie recht gut! Ein richtiger Bauer muß auch umzugehen wissen mit einem Schuß, damit er dem Schelmenvolk und dem Raubzeug Eins auf den Pelz brennen kann, wenn’s noth thut! Darum kann er doch ein Bauer sein und braucht keinen Jäger zu spielen! Aber wo ist der Bub’? Er soll herkommen, gleich auf der Stell’! Ich will meinen Zorn an ihm auslassen!“

„Wie kann ich wissen, wo er steckt?“ sagte die Schwägerin gleichgültig. „Hat lang gewartet auf den Schwager, von wegen dem Essen; dann ist er fort, wird ihm wohl die Zeit lang geworden und der Appetit vergangen sein!“

„Mir ist er auch vergangen,“ brummte der Alte, „der Verdruß bringt mich noch um mit dem Buben, wenn nit ein End’ hergeht!“

„Ich begreif’ den Schwager nit, wie soll er denn ein End’ machen?“

„Ja, wenn ich das selber wüßt’! Glaubt die Schwagerin, ich thät dann lang mit der Stang im Nebel herumfahren? Sternsacra, das ist ja das Kreuz und das Elend! Es ist wahr, er hat mir den Willen gethan mit dem Jagen und Schießen, aber jetzt soll er mir auch mit dem Heirathen den Willen thun und soll nit herumgehen, als wenn ihm die Hennen das Brod genommen hätten! In der ganzen Gegend ist Alles voll von der Geschicht’ mit seiner Brautschau; jetzt soll er’s auch durchfechten und soll zeigen, daß er Schneid’ hat und ein Madel zu kriegen weiß und wenn sie sich noch so harb anstellt und noch so schiech! Ich kenn’ das Madel, sie ist sauber, ist fleißig und ordentlich und wann sie auch nichts hat, als wie sie geht und steht, sie bringt was in’s Haus, was mir abgeht, ein’ guten Humor und ein lachend’s, ein freundlich’s Gesicht …“

„Wann der Schwager mit ihr ist, wie mit uns,“ entgegnete die Hauserin, „dann vergeht ihr das Lachen in den ersten vierzehn Tagen! Wann der Schwager freundliche Gesichter sehen will, muß er nit selber den ganzen Tag herumgeh’n, wie ein verlegen’s Donnerwetter!“

„Na, die Schwagerin wird doch nit empfindlich sein wollen,“ lachte der Bauer, „und wird ihr Gesicht vergleichen mit dem von der Kohlenbrenner-Clar’l? Und kurz und gut, er hat sie sich ausgesucht und soll sie mir in’s Haus bringen, so will ich’s haben! Das ist eine Brunnhoferin, wie ich sie mir ein’bildt und gewünscht hab’, da geht ein ganz anderes Leben an, wann die kommt!“

„Da wird der Schwager schon müssen Geduld haben,“ sagte die Hauserin, nicht ganz ohne Gereiztheit, „da ist nichts zu machen, der Vestl ist in der Sach’ einmal zu bockbeinig und will von der Clar’l nichts mehr wissen und wenn nit vielleicht mit ihr eher ein g’scheidtes Wort zu reden ist …“

„Sternsacra,“ brach er wieder los, „das ist ja eben mein Verdruß und mein Elend, daß das Madel, wenn’s möglich ist, noch bockbeiniger ist, als der Schlingel von einem Buben! Ich will’s der Schwagerin nur eingesteh’n … ich hab’ mir’s auf heut’ verspart gehabt, auf den heiligen Abend, da bin ich hinüber in die Kohlhütten, mit dem Madel zu reden, und g’rad komm’ ich davon her! Ich hab’ Zwiesprach’ mit ihr gehalten und hab’ ihr zugeredt, der Herr Pfarrer könnt’s nit besser machen und nit eindringlicher, aber es hat Alles nix genutzt, sie ist steif und fest dabei ’blieben und hat Nein g’sagt! Es ist mir wohl vorkommen, als wenn sie alleweil die Augen voll Wasser hätt’ dabei, aber sie war nicht zu bewegen! Sie thät’ sich Sünden fürchten, hat sie gesagt, auf eine solche Art und Weis’ in heiligen Eh’stand zu treten! … Sünden fürchten! Wahr ist’s ja, so recht sauber ist die Art und Weis’ nit … wie ihm solches Zeug nur einfallt, dem Kreuzkopf, dem verzwickten! … aber das ist ja doch nix als Spreizerei! Die ganze Welt ist verkehrt, sonst hat man Teufelsnoth g’habt, die jungen Leuteln auseinander zu halten: die Zwei sollten zusammen können und möchten’s heimlich auch, und wenn sie sich noch ärger verstellen, und die wollen nit! Thät Noth, man thät’ sie mit Gewalt zwingen zu einander!“

„Ich denk’ halt,“ sagte die Hauserin, als sie zu Worte kommen konnte, „das muß man den jungen Leuten selber überlassen und der Zeit!“

„Hat sich was zu überlassen!“ rief er wieder ärgerlich. „Als wenn keine Zeit zu verlieren wär’! Das Gered’, und das Gefrag’ und das Geschau’ ist dem Madel schon zuwider worden, die Mutter ist wieder wohlauf, die Clar’l will fort, morgen, in aller Früh; sie will wieder hinein zu ihren Gefreundten in Tirol und will nit eher wieder kommen, als bis kein Mensch mehr daran denkt und bis der Vest’l geheirath’ hat … Aber meinetwegen, ich will mich auch nichts mehr d’rum kümmern … Warum soll ich mir die Feiertag’ verderben lassen! Darnach ist auch wieder eine Zeit und wenn ich mir einmal was in Kopf gesetzt hab’, dann führ’ ich’s doch durch, es wird auch für die Hacken noch ein Stiel zu finden sein! Jetzt aber richt’ sich die Schwagerin zusamm’, ich geschirr’ die Fuchsen ein und schieb’ den Rennschlitten heraus: wir wollen nach Schliers hinüberfahren in die Metten … wir machen den Weg über Westerhof … Der See kracht

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verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 67. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_067.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)