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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

seiner Kirche im Schritte durch eine seinen Weg kreuzende Wallfahrt fuhr, wegen Störung des öffentlichen Gottesdienstes denuncirt. Nach altberühmten Wallfahrtsorten, z. B. nach Kevelaer, ziehen von weit entlegenen Orten Wallfahrten von tausend Personen beiderlei Geschlechts und nehmen ihr Nachtquartier in Dörfern, wo nur wenige Wirthshäuser Raum für ihre Aufnahme bieten und Scheunen und Heuspeicher dabei zu Hülfe genommen werden müssen. Zu welchem Unfug dieses Gelegenheit giebt, bedarf keiner Erörterung und schwerlich wird dagegen die geistliche Begleitung schützen können. Es ist bekannt, welchen enormen Umfang im Jahre 1844 die Wallfahrten nach dem fernen Trier zur Verehrung des sogenannten heiligen Rockes erreichten, welche Völkermassen zu den periodischen Ausstellungen der großen und kleinen Heiligthümer im Münster zu Aachen wallfahren und wie noch im Jahre 1865 Hunderttausende von allen Seiten zur Jubel-Ausstellung der Reliquien der Heiligen drei Könige nach Köln pilgerten. Bei solchen Gelegenheiten werden dann Rosenkränze, Heiligenbilder, Gypsfiguren, Druckschriften von den bei den Reliquien dienenden Priestern an diese angestrichen, damit man eine geweihte Erinnerung mit nach Hause nehme, und es wird glaubhaft erzählt, daß die fromme Einfalt öfters draußen in den Verkaufsbuden statt des Lebens der Heiligen drei Könige die daneben liegende Lebensbeschreibung eines berüchtigten Mörders kaufte und anstreichen ließ. Welcher abergläubische Unfug überhaupt mit diesen Dingen getrieben wird, ist unbegreiflich und es dürfte fabelhaft klingen, wenn es nicht wahr wäre, daß Bettelmönche gesegnetes Kraut gegen die Behexung des Viehes verabreichen und daß am St. Hubertustage geweihte Brödchen verkauft werden, welche die Kraft haben sollen, selbst schon Gebissene vor der Hundswuth zu bewahren, ja daß an dem nämlichen Tage sogar in einer Sacristei die Hunde, welche doch der Glaube nicht selig machen kann, mit dem Schlüssel des heiligen Hubertus auf die Stirn gebrannt werden, um vor Tollwuth geschützt zu sein. Und man erzählt sich im Volke die schaurige Geschichte daß ein Mann, welcher aus Versehen statt des geweihten ein ungeweihtes Brödchen aß, sofort von der Hundswuth befallen worden sei.

Freilich ist das Alles für die Kirche, wie für die Gastwirthe sehr lucrativ, denn kein Pilger verläßt den Ort seiner Wallfahrt, ohne sein Opfer, bestehe es nun aus Gold, Silber oder Kupfer, oder in riesigen Kerzen, in Armen, Beinen und anderen Gliedern von Wachs, welche dem Gliede, wofür man Heilung sucht, entsprechen, darzubringen. Wenn auch ein Einblick in die Totalität dieser Opfer nicht gestattet ist, so genügt doch ein Blick in die jedesmal aufgestellten Kasten oder Schüsseln, um sich von der Erheblichkeit ihres Inhalts zu überzeugen. Daraus dürfte es sich dann erklären lassen, wenn beispielsweise zu Kevelaer eine gewaltige Kirche gebaut wurde, über deren anderweitige Baumittel nichts bekannt ist, oder wenn das Domcapitel zu Trier nach und nach die berühmtesten Weinberge an der Saar und Mosel ankauft. –

Ein fernerer Punkt betrifft den Streit der Confessionen unter der Erde. Das französische Gesetz vom 23. Prairial des Jahres XII (12. Juni 1804) legte die Begräbnißplätze in die Hand der Civil-Gemeinde und das Nämliche geschah im Großherzogthum Berg durch das Verwaltungs-Decret vom 13. October 1807. Wenn auch in jenem Gesetze eine Scheidung der Begräbnißplätze nach den Confessionen vorgesehen war, so ist doch in jener Zeit der Duldung bei der Anlage der Kirchhöfe fast nirgends danach verfahren, so daß noch jetzt namentlich in den größeren Städten der Rheinprovinz Katholiken und Protestanten auf demselben Beerdigungsplatze friedlich neben einander beigesetzt werden. Ueberdem wurde jene Scheidung durch eine Cabinets-Ordre vom 27. August 1820 „im Geiste echt christlicher Duldung“ außer Kraft gesetzt. Ein Dogma von der geweihten Erde des ganzen Kirchhofs existirt durchaus nicht und wird noch jetzt von der Geistlichkeit, wenigstens für die eben bezeichneten größeren Städte und Bischofssitze, nicht in Anspruch genommen. Dagegen ist die durch die angeführte Cabinets-Ordre verordnete Einsegnung des ganzen Kirchhofes gestattet und eben so keinem Priester die Einweihung jedes einzelnen Grabes verwehrt.

In neuerer Zeit nun hat die katholische Geistlichkeit den Anspruch auf Trennung nach den Confessionen erhoben. Zuerst geschah dies in der Diöcese Trier, wo es dann unter dem Oberpräsidenten v. Kleist-Retzow zu einer schwachen Vereinbarung kam, wonach auf dem Lande in einer Ecke des gemeinsamen bürgerlichen Begräbnißplatzes nach Verhältniß der protestantischen Bevölkerung ein Platz für diese abgesteckt und ummauert wurde. Da das Verhältniß der in dem früheren katholischen Lande verstreut lebenden Protestanten meist nur ein sehr geringes ist, so beschränkt sich dieser abgesonderte Platz oft auf ein paar Hundert Quadratfuß, wo denn die Protestanten, wie die im Mittelalter an die Kirchhofmauer verbannten Verbrecher und Selbstmörder, ruhen dürfen. Ja der Fanatismus ist, wo diese Einrichtung noch nicht bestand, bis zu gewaltsamer Widersetzlichkeit gegen die Beerdigung eines Protestanten auf dem gemeinsamen Begräbnißplatze, und wenn die letztere unter dem Schutze der Gensdarmerie und des Militairs dennoch geschah, bis zu wiederholter nächtlicher Ausgrabung des Sarges ausgeschritten.

Auch in der Erzdiöcese Köln weigerte sich der interimistische Erzbisthums-Verweser, irgend einen neuen Begräbnißplatz weihen zu lassen, wenn er nicht ausschließlich für Katholiken bestimmt werde. An einem Orte kam es denn auch mit ihm zu einer ähnlichen Vereinbarung wie die in der Diöcese Trier erwähnte, aber die evangelische Geistlichkeit protestirte dagegen als entwürdigend. Eine Entscheidung ist deshalb noch nicht ergangen, nach den Präcedenzfällen hat indessen die evangelische Kirche wenig Schutz zu erwarten.

So wird denn auch, wie oben bei der Ehe, hier noch im Grabe eine Mauer aufgerichtet zwischen Menschen eines Vaterlandes, eines Stammes, einer im Leben verträglichen Gesittung und Gesinnung, und der ärgerliche Streit der Confessionen wird noch bis unter die Erde fortgesetzt.




Die erste und einzige Liebe Abraham Lincoln’s.
Von H. L. Bernays in Missouri.[1]


Einige Daten der hier wiedererzählten Episode aus Lincoln’s Leben sind in amerikanischen Kreisen erst durch eine Vorlesung bekannt geworden, welche Herr William H. Herndon, der frühere Associé des so tiefbetrauerten Präsidenten in dessen Advocatur, vor Kurzem in Neu-Salem in Illinois, an dem Schauplatze dieses ergreifenden kleinen Romanes, gehalten hat. Den vertrauteren Freunden unseres großen Todten war sie nicht neu. Auch ich, der ich den Präsidenten sehr wohl kannte und der ich, ohne auf Intimität auch nur im Entferntesten Anspruch zu machen, doch in manchen nicht unbedeutenden Momenten mit ihm zu conferiren die Ehre hatte, wußte um diese Geschichte. Jedoch würde mich meine Scheu, eine Jugendepoche tiefen Leidens einer so großen Persönlichkeit vor das kalte Publicum zu bringen, abgehalten haben, anders als im Vorübergehen von der romantischen Zeit Lincoln’s öffentlich zu sprechen, hätte nicht gerade sein genauester Freund den großen Märtyrer für die Grundsätze des Nordens auch als einen im tiefsten Herzen getroffenen Liebenden unserem auf alle Details aus dem Leben seiner Staatsmänner so erpichten Volke vorgeführt. –

Lincoln war kein Mann von kühnen Entschlüssen. Im Gegentheil, es bedurfte für ihn geraumer Zeit, ehe er sich eine feste Ansicht über irgend einen Zustand zu schaffen wußte; trotzdem aber hatte sein Handeln niemals den Anstrich, als sei es ihm abgedrungen worden. Denn kaum jemals hat es einen Staatsmann von ehrlicheren Ueberzeugungen gegeben, als ihn, kaum Einen, bei dem die Tiefe der Empfindungen hinter scurriler Redseligkeit leichter wäre zu erkennen gewesen. Es ist in der Union wohl bekannt, daß nicht nur einige seiner Cabinetsmitglieder, sondern auch andere Politiker nicht ohne vorübergehenden Erfolg ihn einzuschüchtern vermochten. Aber allein mit seinem tiefen Ernst

  1. Die Einzelheiten des obigen Artikels sind dem Verfasser direct von dem frühern Associé Lincoln’s mitgetheilt worden, machen also Anspruch auf vollkommene Authenticität.
    D. Red.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 25. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_025.jpg&oldid=- (Version vom 26.2.2017)