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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

seine Bewegungsfertigkeit mit ihrer unermüdlichen Eilfertigkeit zu messen. Gegen Haushunde bekunden sie eine wirkliche Verachtung, wie groß und stark diese auch sein mögen. Sie erwarten ruhig deren Angriff, stürzen sich vereinigt auf den ersten, welcher sich ihnen zu nahen wagt, kämpfen wüthend und bleiben gewöhnlich Sieger. Die Haushunde verabscheuen sie und bellen wüthend, wenn sie nur ihre Stimme hören.

So lauten die Berichte der Reisenden; die geistvolle Auffassung des Thieres, welche unser Holzschnitt giebt, ist also gewiß berechtigt.

Die Jagdhyäne erscheint als ein für die Zähmung vielversprechendes Raubthier. Sie würde einen Spürhund abgeben, wie kein englischer Lord solchen besitzt. Aber freilich, so ohne Weiteres läßt sich ein derartiger Charakter dem Willen des Menschen nicht unterthan machen. Burchell zeichnet das Wesen des Thieres sehr richtig. Eine gefangene Jagdhyäne, welche er dreizehn Monate lang in seinem Hofe hatte, schreckte Jedermann ab, Zähmungsversuche mit ihr anzustellen, zeigte sich im Verlaufe der Zeit aber doch nicht gänzlich unzugänglich und spielte zuletzt oft mit einem gleich ihr angeketteten Hunde, ohne diesen jemals zu verletzen. Ihr Wärter durfte sich jedoch niemals Vertraulichkeiten gegen sie herausnehmen. Die erwähnte Jagdhyäne, welche Leutemann und ich in Casanova’s Thierschaubude beobachteten, benahm sich schon weit gesitteter. Die Lust, mit größeren Thieren anzubinden, war bei ihr allerdings auch noch sehr ausgeprägt, und sie erprobte ihre Zähne, so oft sie konnte, an dem dicken Felle ihrer Gefährten, der früher von mir geschilderten beiden Nilpferde; sie zeigte jedoch eine warme Zuneigung ihrem Pfleger gegenüber, obgleich dessen Hände bekundeten, daß sie auch ihn gelegentlich ihren Uebermuth fühlen ließ. Ein ungestümer Muthwille, ein, wie es scheinen will, unbezähmbarer Drang zu beißen, vielleicht ohne Absicht dadurch weh zu thun, sondern eher das Bestreben, die quecksilberne Lebendigkeit des regen Geistes zu bethätigen: das scheint mir das Wesen dieses Thieres zu sein, zumal jetzt, nachdem ich es wiederholt beobachten konnte. Jede Fiber zuckt und bewegt sich an der Jagdhyäne, sobald sie irgendwie in Aufregung geräth. Ihre unglaubliche Regsamkeit nimmt das Gepräge der übertriebensten Lustigkeit an und erscheint einen Augenblick später als Wildheit, Bissigkeit, Raublust. „Bellen hilft hier nichts,“ läßt Grandville seinen Wolf sagen, „es muß gebissen werden“ – hätte er die Jagdhyäne gekannt, er würde ihr diese Worte in den Mund gelegt haben. Sie beißt wirklich ohne alle Ursache, zum Vergnügen, zu ihrer Belustigung, auch ohne jegliche Bosheit; sie beißt den, welchen sie lieb hat, nachdem sie ihm einen Augenblick früher Atzung aus der Hand nahm. Ihre Liebkosungen sind ebenso stürmisch, wie ihre Angriffe auf Beute.

Jungaufgezogene Jagdhyänen gewöhnen sich sehr bald an eine bestimmte Persönlichkeit, an ihren Wärter, einen regelmäßigen Besucher ihres Aufenthaltsortes und legen bei dem Erscheinen ihres Freundes ihre Freude in einer Weise an den Tag, wie kein anderes mir bekanntes Raubthier. Angerufen erheben sie sich von ihrem Lager, springen wie unsinnig im Käfige und an den Wänden desselben umher, fangen unter sich aus Vergnügen Streit oder auch ein Kampfspiel an, verbeißen sich in einander, rollen sich auf dem Boden hin und her, lassen plötzlich von einander ab, durchmessen laufend, hüpfend, springend den Käfig von Neuem und stoßen dabei ununterbrochen Laute aus, für welche man keine Bezeichnung findet, da man sie ja doch nicht, wie man gern thun möchte, ein Gezwitscher nennen darf. Tritt der Mensch, welcher die ganze unsägliche Lustigkeit hervorgerufen, in den Käfig, so wird er augenblicklich umlagert, umsprungen, durch die wundersamsten Laute begrüßt und vor lauter Zärtlichkeit – gebissen, mindestens gezwickt. Unbeschreibliche, endlose Lebhaftigkeit ist diesen Thieren eigen von Jugend auf. Es wird nicht unmöglich, gewiß aber sehr schwer sein, sie zu zähmen; – gelänge es, so würde man an ihnen höchst nutzbare Jagdgehülfen gewinnen. Zu Haus- und Stubenthieren eignen sie sich jedoch nicht; denn außer ihrer Bissigkeit haben sie noch einen Fehler: sie verbreiten einen unerträglichen Geruch, einen noch schlimmeren fast als andere Hyänen.




Rom am Rhein.[1]
I.
Zwei Erzbischöfe von Köln. – Die gemischten Ehen. – Die katholischen Festtage. – Wallfahrtsunfug. – Reliquienbestreichung. – Die geweihten Hubertusbrödchen. – Der Confessionsstreit unter der Erde.


Es ist eine betrübende Erscheinung, daß in unserer Zeit, wo so viele Kräfte sich regen, Licht und Aufklärung zu verbreiten, Vaterlandsliebe zu nähren und vaterländische Institutionen zu gründen, – eine Strömung zur Verdumpfung und zur Geistesknechtschaft zu drängen und Saat und Vaterland unter eine andere Macht zu knechten sucht. Wir meinen die ultramontane. Fern sei es von uns polemisch gegen die katholische Kirche aufzutreten, insofern sie Gott giebt, was Gottes; und dem Kaiser, was des Kaisers ist. Aber man kann ein redlicher Katholik sein, ohne ultramontan zu sein. Ultramontan ist in unserem Sinne der, welcher sein Vaterland in Rom hat, welcher alle vaterländischen und staatlichen Interessen unter den Einfluß und die Herrschaft der durch den Papst repräsentirten römischen Kirche und ihrer Interessen stellen will. – Gewiß sind nicht Alle, die sich von jener Strömung fortreißen lassen, sich dieser Tendenz bewußt, aber die Leiter erkennen sie und haben sie als ihren consequent zu verfolgenden Grundsatz aufgestellt. Es ist die mittelalterliche Lehre, daß alle Fürsten ihre Throne nur von dem Statthalter Christi auf Erden zu Lehn tragen, welche nach den sanfteren Jahrhunderten, die jene finsteren Zeiten verdrängten, wiederum zur Geltung gebracht werden soll. Daß aber ein solches Princip mit jeder nationalen Gesinnung und Staatsform, zumal einer solchen mit protestantischer Spitze, durchaus unverträglich ist, liegt offen zu Tage. Preußen, das der Erfüllung seiner Mission, Deutschland zur Einheit und zur freiheitlichen Entwickelung zu führen, jetzt so nahe gerückt ist, hat auch den Uebergriffen Roms gegenüber das entscheidende Wort zu sprechen.

Der Wiederhersteller der katholischen Kirche in Frankreich, der erste Napoleon, hatte weise vorgesehen, daß eine gänzliche Trennung der Kirche vom Staate die nothwendigen Bedingungen des letzteren gefährden könne. In seiner mit dem Papste im Jahre 1802 geschlossenen Convention und in den dieselbe begleitenden organischen Artikeln hatte er deshalb dem Staate einen wesentlichen Einfluß zur Verhütung eines mißbräuchlichen Umsichgreifens der Kirche gesichert. Diese Convention galt auch in der von Frankreich eroberten Rheinprovinz, nach deren Abtretung an Preußen aber trat dem römischen Stuhle gegenüber eine mildere, nachgiebigere Praxis ein.

Bis in das zweite Jahrzehnt nach der Besitznahme der wiedereroberten Provinzen wurde der Friede zwischen Staat und Kirche nicht wesentlich gestört. Auf dem erzbischöflichen Stuhle zu Köln saß ein Mann von milder Gesinnung und staatsmännischer Bildung, der Graf Spiegel zum Desenberg. Dieser trug wesentlich zur Erhaltung des Friedens bei, und insbesondere gelang es durch seine Beihülfe eine Divergenz zu beseitigen, welche in Betreff der gemischten Ehen entstanden war. In den alten Provinzen bestanden gesetzliche Vorschriften über die confessionelle Erziehung der Kinder aus solchen Ehen, welche auch auf die neuen Provinzen gesetzlich ausgedehnt wurden. Nach und nach fing die katholische Geistlichkeit an, strengere Saiten aufzuziehen und namentlich von den Brautleuten als Bedingung der Eheschließung das Versprechen der katholischen Confession der in der Ehe zu erzielenden Kinder zu fordern. Dieser Conflict führte zu Verhandlungen mit dem Papste und in deren Folge zum Erlasse eines päpstlichen Breve, worin zwar von einer ernstlichen Abmahnung und Belehrung des katholischen Theiles über ein solches „Verbrechen“ gegen die Kirche, wenn Katholiken, wie es in der beigefügten Instruction des Cardinals Albani heißt, „schändlich von unsinniger Liebe wahnsinnig

  1. Mit diesem ersten Artikel eröffnen wir eine Reihe von Aufsätzen über das wichtige Thema, die wir der Feder eines Mannes verdanken, dessen Name weit über die Grenzen Preußens hinaus ein hochgefeierter ist.
    D. Red.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 23. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_023.jpg&oldid=- (Version vom 26.2.2017)