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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

meinen „Fliegenden Blättern für Musik“ aufgezeichnet, und — ein Jahr nachher, 1847, in seinem achtunddreißigsten Jahre schon — sechsundzwanzig Jahre nach der ersten Begegnung mit dem schönen, genialen Knaben bei Goethe, wie ihn das Bild darstellt, trugen sie den großen Tonkünstler aus seiner Wohnung in der Königsstraße nach der Pauliner-Kirche. Neben seinem Sarge wandelte unter den unzähligen Leidtragenden auch der Schreiber dieser Zeilen.





Die erste Wochensuppe.


„Die Barke wendet rasch zum Strand!“
Den Schiffer zieht von trauter Stätte
Die froh’ste Botschaft an das Land:
Ein Knäblein schmückt sein Ehebette!

5
O wie das Meer sich heute dehnt,

Wie träge sich die Segel bauchen –
Und die beglückte Mutter sehnt
Sich nach des Gatten treuen Augen!

Da endlich ist das Haus –

10
Die Thür – das Himmelbett im Stübchen:

Zwei Arme strecken stolz sich aus
Und halten hoch ihm hin sein Bübchen.
Was er zuerst geküßt, geherzt?
Das Weib? das Kind? Wer kann es wissen!

15
Er herzt und küßt und weint und scherzt;

Vom Sturm der Wonne hingerissen.

Und nun der liebsten Augen zu
In der Genesung Schlummer fielen,
Wie wacht er über ihre Ruh’,

20
Wie leis’ berührt sein Fuß die Dielen!

Da blüht noch einmal auf die Zeit
Und all' die Lust der Flitterwochen,
Da wird’s dem Mann zur Seligkeit,
Das Wochensüppchen selbst zu kochen.

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Und wenn zum ersten Male dann

Sanft ruhend in des Lehnstuhls Kissen
Die Gattin den geliebten Mann
Belauscht so frauendienstbeflissen:
Wie selig lächeln Beide doch –

30
Und Jedes möcht’ es gern verhalten –

Die Gattin über ihren Koch,
Der Gatte über all sein Walten!

Kein Augenblick ist freudenleer,
Wo ließ ein solches Glück sich nieder:

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Die Blicke scherzen hin und her

Und finden stets beim Kind sich wieder.
Und ruht im Arm ihm Weib und Knab’,
Wird ein Gebet sein Herz bewegen:
„O Gott, vom Himmel gieß herab

40
In meinen Himmel deinen Segen!“
Friedrich Hofmann.




Aus der Geschichte der Väter Jesu.
Von Alfred Meißner.


Die Prager Universitätsbibliothek enthält unter ihren handschriftlichen Schätzen ein kleines, aber nicht unwerthvolles Manuscript ihres seit Jahren verstorbenen Custos Fischer. Der Mann interessirte sich ganz besonders für Ganganelli und trug mit großer Emsigkeit Alles zusammen, was über das Ende des freisinnigen Papstes bekannt wurde, auf welchem noch immer der Schleier des Geheimnisses ruht. Ohne seine eigene Meinung kundzugeben, ohne sich für eine oder die andere Ansicht auszusprechen, sammelte der alte Bücherfreund und hat damit, wie mir scheint, nichts Unverdienstliches gethan.

Zu einer Zeit, in welcher das Zuströmen von Jesuiten nach Oesterreich, die instinctive Renitenz der Bevölkerung gegen diese und der besondere Schutz, den eine durch den Gang der Ereignisse unbeirrbare Regierung der Gesellschaft zukommen läßt, Jeden auffordern, sich mit der Geschichte des Ordens näher bekannt zu machen, habe ich auch diese Handschrift aufmerksam durchgesehen. Selbst eine Specialgeschichte, wie die einer Ordenskörperschaft, übt nämlich auf mich immer nur den Eindruck einer Landkarte aus, die ich wegen der Uebersichtlichkeit des Zusammengehörigen in Ehren halte, die mich aber immer auffordert, den oder jenen Gebirgszug, dieses oder jenes Flußthal selbst zu bereisen und die Pfade durch’s Gestrüpp selbst aufzuspüren. Ich finde das Interesse nur im Detail. Ueber eine Reihe von Ereignissen so entschieden geheimnißvollen und criminalistischen oder eigentlich tragischen Charakters, wie die sind, welche den Tod Clemens des Vierzehnten begleiten, hatte ich längst schon den Wunsch, mich näher zu unterrichten, und da war mir das besagte Manuscript ein gar willkommener Fund. Es leistete mir dieselben Dienste, wie dem Wanderer auf einer Fußtour das Notizbuch eines Vorgängers. Ich erfuhr, besser als irgendwo anders, wo die Quellen fließen, konnte ihnen nachgehen und will nun versuchen, aus ihnen das kurzgefaßte Bild einer Kette von Ereignissen zu entwerfen, die vor etwas weniger als hundert Jahren die ganze gebildete Welt mit Bestürzung erfüllten.

Es war am 10. August 1773, an welchem Clemens der Vierzehnte das Breve: dominus ac redemptor noster erließ, durch welches der Orden Jesu für ewige Zeiten aufgehoben wurde.

Diese Maßregel hatte, wie die Macht der Jesuiten damals stand, die Bedeutung eines Staatsstreichs. Der Orden zählte in seinen Klöstern über achttausend Mitglieder. In Rom wohnte der Ordensgeneral Ricci, der, als der Papst in ihn drang, die Gesellschaft Jesu zu reformiren, das stolze Wort: sint ut sunt, aut non sint! (sie sollen sein wie sie sind oder sie sollen gar nicht sein) gesprochen; er war eines Anhangs in den unteren Classen gewiß. Während alle Jesuitenhäuser Roms militärisch besetzt wurden – man hatte deren Insassen die Wahl gelassen, in Gemeinschaft, aber unter Aufsicht eines Weltgeistlichen weiter zu leben, doch ohne Verrichtung geistlicher Handlungen, oder das Ordenskleid abzulegen und bei den Bischöfen geistliche Verrichtungen zu übernehmen, in beiden Fällen wurde ihnen ein Jahrgehalt zugesagt – und während die Bevölkerung, von der an den Ecken angeschlagenen Proclamation aufgeregt, sich bis tief in die Nacht auf den Straßen umherbewegte, blieb Ganganelli wach im Vatican. Ohne geschlafen zu haben, begab er sich am anderen Morgen nach Castel Gandolfo.

Wiewohl bereits achtundsechszig Jahre alt, stand Ganganelli in voller, rüstigster Kraft da. Seine Gesundheit war, wie Cardinal Bernis in einem Brief vom 3. November 1773 sagt, nie blühender gewesen.

Ganganelli war ein klarer, erleuchteter, freidenkender Kopf, dem es nicht an Energie und Festigkeit fehlte, aber er war kein gewaltsamer Charakter und von jedem Fanatismus frei. Er hatte vier Jahre damit zugebracht, die Frage der Auflösung des Jesuitenordens zu discutiren. Von allen Seiten drängten ihn die Monarchen, er konnte kaum ausweichen, wenn er das freundschaftliche Verhältniß mit den großen Höfen, welches sein Vorgänger in Frage gestellt, wieder herstellen wollte. Aber nachdem er lange die Sache hingehalten und mit sich selbst über die Verderblichkeit dieses Ordens einig geworden war, verstand er sich mit ruhiger Entschiedenheit zu dessen Aufhebung. Doch sagte er nach Unterzeichnung des Breves, die Feder weglegend: questa supressione me darà la morte! (Diese Aufhebung wird mir den Tod geben.)

Schon von dem Zeitpunkt an, wo die Aufhebung des Ordens

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verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 8. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_008.jpg&oldid=- (Version vom 26.2.2017)