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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

Ueber dem Hämmern bemerkte er nicht, daß auf dem am Fuße der Anhöhe hinziehenden Fahrwege ein Bursche herangegangen kam; Rechen und Heugabel über seiner Schulter und der Wasserkrug in seiner Hand zeigten, daß er vom Felde kam und den Tag bei der Arbeit im Freien verbracht hatte. Er blieb stehen und sah eine Weile zu dem Alten hinauf.

„Mach’ Feierabend, Brunnhofer!“ rief er, als dieser über seiner Sense ihn nicht gewahr ward oder nicht gewahr werden wollte. „’Bet-Läuten ist schon vorbei, heut’ wirst Du’s auch nicht mehr erreißen und wenn Du noch so drauf los dengelst …“

„Geh’ Deine Weg’, Michel,“ brummte der Alte, „kümmer’ Dich nicht um andre Leut’; ein Jedes thut, wie’s ihm taugt.“

„Hoho,“ rief der Bursche lachend entgegen, „ist wieder einmal Sturm im Kalender? Man wird doch noch mit den Leuten reden und sich verwundern dürfen. Die Ernt’ ist vorbei, Rechen, Gabel und Sichel hat jetzt Ruh’ bis über’s Jahr, jetzt muß die Drischel her und Du haust auf Deine Sensen los, als wenn’s in aller Früh zum Haberschneiden geh’n sollt …“

Der Alte brummte etwas Unverständliches zwischen den Zähnen und hämmerte noch stärker.

„Ich geh’ schon,“ lachte der Bursche wieder, „will Dich nicht irr’ machen in Deiner Geschäftigkeit, ich wollt’ nur wissen, ob der Sylvest nicht am Abend in’s Dorf hinüber kommt zum Wirth! Morgen ist Sichelhenk’: die wollen wir antrinken, von der Schrannen muß er ja doch schon lang daheim sein …“

Die Worte des Burschen mußten den Alten an der wunden Stelle getroffen haben; er sprang auf, schleuderte die klirrende Sense vor sich auf den Boden, den Hammer nebenan in’s Gras und schien den unwillkommenen Frager in noch derberer Weise abfertigen zu wollen, aber er kam nicht dazu. Ein Zweiter, ein älterer Bauersmann war mit bestaubten Schuhen, den Bergstock in der Hand und den Zwerchsack auf dem Rücken, die Straße herangewandert und hatte die letzten Worte mit angehört.

„Wenn Ihr auf den Vestl warten wollt,“ sagte er, ebenfalls stehen bleibend, „dann dürft Ihr Euch die Weil’ nit lang werden lassen! Das kann hübsch spat werden, bis der kommt!“

„Warum?“ rief Brunnhofer und trat rasch an das Geländer vor, das den Abhang des Bauernhauses gegen die Straße hin eingrenzte. „Was ist’s mit dem Vestl, Grieshuber? Wo bleibt er so lang? Ist ihm ’was passirt etwa?“

„Passirt?“ erwiderte der Bauer. „Nein, so viel ich von der Sach’ versteh’, ist er ganz lustig und alert wie alleweil …“

„Aber, wo ist er denn? Wo bleibt er so lang’?“

„Na, na, brauchst Dich nit gleich zu sorgen und zu ängstigen,“ rief der Bauer mit einem schnellen Seitenblick auf den Burschen, den dieser mit spöttischem Lächeln des Einverständnisses erwiderte; es galt, den mürrischen Empfang des Alten durch eine derbe Neckerei zu vergelten. „Weiß wohl und sagt’s auch alle Welt, daß Du den Buben, Deines Bruders Sohn, gern hast und in ihn hineinschaust, wie in einen Spiegel, aber mußt Dich nit gleich kränken wegen seiner! Das Buberl ist doch nimmer so gar klein, daß er auf der Schrannen oder unterwegs verloren geh’n könnt’ mitsammt dem ’Treidwagen und den zwei Schweißfuchsen davor: Die Fuchsen sind wohlauf – in jedem Fall!“

Der griesgrämige Brunnhofer hätte für sein Leben gern mit einer Grobheit erwidert, die ihm schußfertig aus der Zunge saß, aber er hielt mit Anstrengung an sich, er wollte erfahren, welche Nachrichten der Mann von dem Erwarteten brachte.

„Meine Fuchsen,“ sagte er, „was ist’s mit denen?“

„Die Fuchsen, ja – die hab’ ich geseh’n,“ sagte der Bauer mit verschmitztem Zögern, „ich bin auch in Holzkirchen auf der Schrannen gewesen, hab’ ein Kalbel hingetrieben … aber es ist nichts zu machen mehr! Die Ernt’ ist heuer gut ausgefallen, es giebt Getreid’ in Ueberfluß, das Korn ist wieder heruntergegangen, der Bauer kann nichts verdienen mehr bei den schlechten Zeiten!“

„Aber der Vestl?“ drängte Brunnhofer. „Aber meine Fuchsen, will ich sagen …“

„Ja so – die hätt’ ich bald vergessen! Die hab’ ich übern Markt traben sehen – es ist ein schön’s Paar Schweißfuchsen, frisch und rund, es thät kein Tropfen Wasser drauf halten. Der Vestl muß sein ’Treid schon verkauft gehabt haben, denn er ist auf dem Wagen droben g’standen und hat die Ross’ tanzen lassen, daß die Leut’ nur so steh’n geblieben sind vor Verwunderung …“

In den Zügen des geschmeichelten Alten tauchte ein zufriedenes Schmunzeln auf; der Andere fuhr fort:

„Ich bin erst viel später fort von Holzkirchen, hab’ noch ein Geschäft abmachen müssen beim Seidlbräu, dann bin ich langsam meinen Weg heimgetappt, hab’ mich auch in Miesbach noch ein Bissel verhalten; es ist schier duster worden, wie ich vor den Markt herausgekommen bin. Und wie ich so dahin marschir’, seh’ ich auf einmal auf einem grünen Grasfleckl neben der Straß’ Roß und Wagen steh’n. Schau, hab’ ich mir ’denkt, das wäre bald ein Paar Rösseln, wie dem Brunnhofer seine Schweißfuchsen, und richtig, wie ich näher hinkomm’, sind sie’s auch wirklich gewesen …“

„Meine Fuchsen? Aber wo – wo?“

„No, no – es war kein gefährlicher Ort! Sie haben auf dem grün’ Fleckl gegras’t und haben sich’s wohl sein lassen!“

„Aber wo?“ rief der Alte ungeduldig. „Und ist kein Mensch dabei gewesen?“

„Keine sterbliche Seel’! Das hat’s auch nit nöthig gehabt; die Fuchsen sind ja lampelfromm … und was hätt’ ihnen denn auch passiren können? Du weißt ja das schöne grüne Grasfleckl an der Schlierach, wo der Weg hinauf geht nach Agatharied …“

„Was? Bei der Schenk? Bei dem Staudenhäusl?“

„Richtig! Wie Du Dich gut auskennst, Brunnhofer! … Schau’, hab ich mir da so ’denkt, wird doch dem Vestl nichts passirt sein, weil Roß und Wagen da so allein steht? Ueber dem – so geh’ ich in meinen Gedanken zu dem Staudenhäusl hin – da hab’ ich’s aber schon von Weitem gehört, daß es kein Unglück abgegeben hat und daß es lustig hergeht! Da hab’ ich Juchezen hören und Schleifen, wie wenn man tanzen thut, und ein Klankenett (Clarinette) hat ’pfiffen dazu, daß es nur so gehällt hat!“

„Hab’ ich mir’s nit denkt?“ murrte der Alte. „Der Musikanten-Hallunk ist wieder dabei!“

„Da bin ich zum Staudenhäusl hin und hab’ zum Fenster hineing’schaut, da ist der Klankenetten-Muckl auf der Bank g’sessen und hat aufgespielt, daß ihm die Backen hätten aufspringen mögen; der Vestl aber hat die Kellnerin um die Mitt’ g’habt und hat gejuchezt und gestampft und Langaus ’tanzt, daß der Staub davon g’flogen ist!“

Der alte Brunnhofer hatte sich, um seinen Verdruß zu verbergen, mit seiner Tabakspfeife zu schaffen gemacht, er schlug in Einem fort Feuer, aber so sehr Stahl und Stein knirschten, so munter die Funken blitzten – der Zunder schien naß geworden zu sein und wollte hartnäckig nicht brennen. „Stern-Sacra,“ rief er jetzt ärgerlich „bring’ ich denn heut kein Feuer zuwegen?“

„Zu was denn, Brunnhofer?“ sagte der Bauer, der sich mit dem Burschen zum Fortgehen wandte. „Kannst ja bei Dir selber anzünden, im obern Stock! Da brennt’s hellauf, was ich mein’! Na, gute Nacht, Brunnhofer, nix für ungut und laß Dir fein die Weil’ nit lang werden, mit’m Warten!“

Lachend gingen die Beiden ihrer Wege; der Alte sah ihnen nach, bis sie im Gebüsch an der Ecke verschwunden waren. Dann begann er in scheltenden Worten das Herz zu erleichtern. „Stern-Sacra,“ wetterte er in sich hinein, „ist das ein Kreuz mit dem Buben! Nicht genug, daß er ganzen Tag herumzigeunert, wie ein Scheerenschleifer, daß er nicht heimkommt zur rechten Zeit, daß er meine Prachtfuchsen auf der Straßen stehen laßt – auslachen muß man sich auch noch lassen von den Leuten! Wenn mir eins von den Rossen verschlagen thät oder steif werden, wo nehmet’ ich wieder ein solches Paarl her … aber jetzt soll’s aus einem andern Ton gehen! Jetzt will ich meinen Kopf aufsetzen und, wenn er heimkommt, einmal ein Wörtl mit ihm reden auf gut Deutsch!“

Einen Blick warf er noch in die immer mehr verdämmernde Landschaft, dann ging er langsam dem Hause zu; der offene Hausgang, an dessen Ende sich die Küche befand, war jetzt von dem Heerdfeuer beleuchtet und sah so wohnlich und gastlich aus, daß es den Vorübergehenden wohl anheimeln mochte, verweilend einen Blick hinein zu werfen oder wohl gar einzutreten in das bequeme behäbige Haus. Der Brunnhofer war zu unwillig, einen solchen Eindruck zu empfangen, auch hatte er kaum drei Schritte gethan, als ihm neuer Aerger entgegen kam. Am Heerde schlug plötzlich eine helle Lohe auf, eine Dampfwolke stieg empor und wälzte sich brenzlich in den Hausgang.

„Stern-Sacra,“ schrie er, durch den Qualm in die Küche

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verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_002.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)