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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

rundes Nest von trockenem Gras, mit einem einzigen kleinen Luftloch. In dies warme Lager hüllt er sich ein und schläft darin weich und sicher.

Ein ganz eigenthümlich ausgerüstetes Thier aus dem Mäusegeschlecht darf hier nicht unerwähnt bleiben. Es ist die canadische Beutelratte. Von Gestalt halb Ratte, halb Maulwurf, besitzt sie ihr charakteristisches Merkmal in zwei großen, ovalen Taschen oder Beuteln, an jedem Backen einer, die, wenn mit Nahrung angefüllt und straff gespannt, wie ein aufgeblasener Ballon, dem Thiere einen äußerst seltsamen Anblick verleihen. Diese Beutel öffnen sich in den Mund und stellen eine tragbare Speisekammer vor, in welcher die Ratte ihre verschiedenen Nahrungsvorräthe aufstapelt, um sie je nach Bedürfniß und Neigung zu verzehren. Wie der Maulwurf wirft das Thier kleine Erdhügel auf und zwar immer in regelmäßigen Zwischenräumen, stellenweise alle zwanzig bis dreißig Fuß, an andern Orten ganz dicht bei einander. Für das Nest ist im Bau selbst eine eigene kreisrunde Kammer von etwa acht Zoll im Durchmesser hergerichtet, wo Mutter und Kinder auf einem bequemen Lager ruhen, das aus trockenem Gras und den weichen Bauchhaaren des Thieres selbst bereitet wird. Von diesem Mittelpunkt und Allerheiligsten der Wohnung läuft nun eine große Anzahl von Gängen aus, von denen Tunnel in’s Freie führen. Offenbar erfüllt diese complicirte Anordnung des Baues einen Doppelzweck: einmal dem Thier Gelegenheit zu geben, sich bei nahender Gefahr nach allen Seiten hin retten zu können, und sodann direct zu den Orten zu leiten, wo es seine Hauptnahrung findet. Gelingt es der Beutelratte, in einen Garten zu kommen, alsdann wehe den darin stehenden Pflanzen! Vor ihren langen, scharfen, vorstehenden Schneidezähnen sind die festesten Wurzeln nicht sicher und rasch genug Stauden und Gewächse dem Verderben preisgegeben. –

Auch unter den Vögeln giebt es Ingenieure und Bergleute, die sich Wohnhöhlen in die Erde oder in Baumstämme graben. Wir nennen von den in unsern Breiten lebenden nur die Uferschwalbe, den Seetaucher, den Sturmvogel und die verschiedenen Baumspechte.

Die Uferschwalbe, ein zierliches kleines Thier, das kleinste seiner bei uns heimischen Verwandten, trifft als einer der ersten Frühlingsboten oft schon im März an unsern Flußufern und Seeküsten ein, wo Jedermann ihre Höhlen kennt. Auf den ersten Anblick scheint das Thierchen mit seinen zarten Füßen und dem winzigen Schnabel zu Ingenieurarbeiten nicht eben geeignet, und kein Mensch würde es für fähig halten, in ziemlich harten Sandstein sich Gänge und Canäle zu bohren. Und doch ist dies der Fall; die Uferschwalbe höhlt sich ihre Wohnung in Sandstein aus, an dem die härteste Messerklinge zu Grunde geht. Die Art und Weise, wie der kleine Mineur dabei zu Werke geht, ist sehr interessant.

Mit seinen scharfen Klauen sich an der Sandklippe festhaltend, schlägt er seinen Schnabel so lange in den Stein, bis er eine gehörige Partie des harten Sandes gelockert hat und dieser zu Boden gerollt ist. Bei dieser vorbereitenden Arbeit bleiben die Krallen ganz unbetheiligt und können auch nicht mithelfen, weil er sich mit ihnen an der Sandbank anklammern muß. Sowie das gebildete Loch, das meist so kreisrund ist, als wäre es mit Hülfe des Cirkels gemacht worden, den nöthigen Umfang hat, um den kleinen Körper des Thieres aufzunehmen, verrichtet dieser selbst das fernere Werk und höhlt, sich unaufhörlich drehend, den Bau tiefer und weiter aus. Dabei nimmt der Vogel alle möglichen Stellungen ein; bald hängt er mit seinen Krallen am Rande der Höhle, während der Schnabel vom Mittelpunkt nach außen zu weiter bohrt, bald liegt er auf dem Rücken, bald steht er tief im Innern des Loches, welches die Gestalt des Trichters bekommt, in der Mitte tiefer und enger, als nach dem Rande zu. Alle Bauten der Uferschwalbe, die man untersucht hat, sind an ihrem untersten Ende mehr oder weniger gewunden. Hier in einer Tiefe von zwei bis drei Fuß wird das Nest gemacht, ein Bett von Heu und den weichsten Brustfedern von Gänsen, Enten und anderen Vögeln. Wunderbar ist die Sauberkeit und Genauigkeit, mit welcher die Uferschwalbe den Sand entfernt, den sie unterminirt; niemals fällt nur ein Körnchen aus der Wand der Höhle oder wird etwa der Grund und Boden derselben alterirt. –

Betrachten wir die furchtbaren Werkzeuge, mit denen viele Thiere gewaffnet sind, so wundern wir uns nicht über die Arbeiten, welche sie damit vollführen. Womit aber bringen manche Mollusken ihre wunderbaren Bauten und Zerstörungen zu Stande? Sieht man doch nicht den geringsten Apparat, der ihnen dabei behülflich sein könnte! Wie z. B. gelingt es dem zarten Pholas mit seiner Schale, welche so dünn ist wie Papier und so zerbrechlich wie Oblate, tiefe Höhlen in Felsen zu bohren, die so hart sind wie Kiesel? Man hat darüber verschiedene Ansichten aufgestellt; Einige behaupten, das Thier sondere innerhalb seiner Schale eine Säure ab, die auf Kreide und Kalk zerstörend einwirke, Andere meinen, daß die Löcher lediglich durch die Reibung der Schale gemacht werden, wieder Andere, daß sie den Füßen ihre Entstehung verdanken. Jedenfalls ist eine der beiden letzteren Annahmen die richtige, denn die Säure würde Holz oder Sandstein, in dem das Thier sich ebenfalls einbohrt, nicht afficiren. Höchst wahrscheinlich wird der Fels durch eine unaufhörliche Reibung mit den Füßen oder durch beständige kreisförmige Bewegungen der Schale ausgehöhlt, – eine Procedur natürlich von unbeschreiblicher Langsamkeit. Allein bei so vielen Operationen ist ja die Zeit das wichtigste Element. Sei nun das Verfahren welches es wolle, so viel steht fest, daß das Thier an allen Küstenbauten, an Schiffsländen, an den Schiffen selbst, an Wogenbrechern etc. oft furchtbaren Schaden anrichtet.

Vielleicht noch gräßlicher sind die Verheerungen, welche der Schiffs- oder Pfahl-, auch Bohrwurm[WS 1] hervorbringt, ja geradezu fast unglaublich. Holz von jeder Art und Beschaffenheit wird von ihm zerstört und seine Höhlen befinden sich darin oft so dicht neben einander, daß ihre Scheidewände kaum dicker sind als ein Blatt Briefpapier. Während der Schiffswurm noch bohrt, füttert er den Tunnel mit einer dünnen kalkhaltigen Muschelschale aus und bietet so eine merkwürdige Aehnlichkeit mit den Gewohnheiten der großen weißen Termitenameise dar. Hat das Thier einmal ein Stück Pfoste in Beschlag genommen, so vernichtet es dasselbe so vollständig, daß, zöge man die Muschelfütterung aus dem Holze heraus und wöge jedes einzeln, der mineralische Bestandtheil ebenso schwer sein würde wie der vegetabilische. Der Pfahlwurm hat schon unzählige Schiffbrüche verursacht, denn ohne daß man es merkt, frißt er Planken und andere Holztheile der Schiffe so aus, daß der geringste Zusammenstoß mit anderen Fahrzeugen den stolzen Bau zertrümmert.

Vor uns liegt ein Stück dieses wurmzerfressenen Holzes, derart von den Höhlen des Weichthieres zersetzt, daß ein halbwegs derber Griff mit der Hand es zerbrechen würde. Und dieses Stück Holz gehörte zu einem Hafenbau, von welchem vielleicht Hunderte von Menschenleben abhingen, und war von den unermüdlichen Mineurs so im Verstohlenen ausgehöhlt worden, daß nur ein glücklicher Zufall die Verwüstung entdeckte und gewissem großem Unheile zuvorkam! Um einen Begriff von dem Umfange der Verheerungen zu geben, welche der Schiffswurm stiftet, erwähnen wir, daß die englische Regierung allein für die Wiederherstellung des von ihm in den Häfen von Plymouth und Devonport in einem Jahre angerichteten Schadens achttausend Pfund Sterling aufzuwenden hatte. –

Von den Spinnen sind ebenfalls mehrere Arten zu den Höhlenbauern zu rechnen, die sogenannten Fallthür-Spinnen (Röhrenspinnen), die man in verschiedenen Erdstrichen antrifft. Eine derselben, in Westindien zu Hause, gräbt ein schief abwärts gehendes Loch von etwa drei Zoll Länge und einem Zoll Durchmesser in die Erde. Diese Höhle füttert sie mit einem zähen dicken Gewebe aus, das herausgenommen einem ledernen Beutel nicht unähnlich ist; was aber das Merkwürdigste ist, das Haus besitzt eine förmliche in Angeln gehende Thür, wie der Deckel mancher Seemuscheln, und sie und ihre Familie öffnen und schließen diese Thür beim Aus- und Eingehen. Manche solcher Spinnenwohnungen erfreuen sich sogar zweier jener Thüren. Die an dem einen Ende ist etwas locker und unregelmäßig, wie dieses Ende des Nestes überhaupt, hingegen die andere wunderschön abgerundet und sehr glatt mit erstaunlicher Genauigkeit in die Oeffnung passend. Die Fallthürspinnen sind Nachtthiere; Tags über halten sie sich still in ihren Höhlen und gehen nur nach Dunkelwerden auf Raub aus. Sobald Jemand die Thür aufhebt, eilt die Spinne, die „für Fremde nie zu Hause ist,“ herbei, hakt sich mit ihren Hinterfüßen an das seidene Futter der Thür fest, klammert sich mit den Vorderbeinen

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Der Schiffsbohrwurm ist kein Wurm, sondern wie der erwähnte „Pholas“ eine Muschel.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 758. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_758.jpg&oldid=- (Version vom 13.12.2020)