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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

englische Post sind bereits eingetroffen; die angekommenen Correspondenzen werden redigirt; unbarmherzig fährt der Rothstift, dieses zeilenmörderische, gefürchtete Instrument der Herren Mitarbeiter, über einzelne Stellen hin, welche an Breitspurigkeit, Undeutlichkeit, unliebsamer Tendenz oder anderen unheilbaren organischen Fehlern leiden. Andere Briefe trifft ein noch schlimmeres Geschick: sie wandern ohne Weiteres in die Grabstätten der Papierkörbe, wo die neuen Ankömmlinge meist schon eine recht anständige Gesellschaft beisammen finden. Mit Windeseile lassen die Redacteure ihre Stifte und Federn über das Papier fliegen, um ihre eigenen Gedanken, sei es in Leitartikelform, sei es als Einleitung und Anmerkungen zu den aus allen Weltgegenden eingesandten Berichten zu fixiren. Aber kaum hat der Schreibende eine Seite beendet, so wird dieselbe schon von dem sogenannten Metteur en page, dem die Vertheilung der Manuscripte an die einzelnen Setzer und die Satzanordnung des politischen Theiles der Zeitung obliegt und der gleichsam jedem Gedanken der Herren Redacteure auf die Fersen tritt, eiligst hinweggenommen und in die Setzerei befördert. Eine halbe Stunde ist verronnen; athemlos kommt der Portier in’s Redactionszimmer und bringt die Berliner Post, darunter die langen Verhandlungen des preußischen Landtages, welche die Kölnische Zeitung durch ihre eigenen Stenographen aufnehmen läßt. Der Metteur en page, der den Redestoff aus dem Abgeordnetenhause vorläufig nur in quantitativer Beziehung zu schätzen weiß, giebt sein Votum dahin ab, daß die heutigen Verhandlungen zwei volle Columnen, oder acht Zeitungsspalten einnehmen würden. Sofort wird Rath gehalten, wie das bereits vorliegende und das noch in Arbeit begriffene Material zu vertheilen sei. Diese Berathung erfordert jedoch nur wenige Minuten, denn die Nothwendigkeit, daß das erste Blatt der Zeitung gegen elf Uhr Morgens fix und fertig sein muß, verdrängt alle kleineren Bedenken über Dieses und Jenes. Schleunigst begiebt sich der Metteur en page mit den Berichten über die Kammerverhandlungen in den Setzersaal zurück.

Wir folgen ihm bald dahin nach und finden ihn gleich beim Eintritt in den großen Setzersaal eifrig damit beschäftigt, die in eine Menge kleiner Stücke geschnittenen Kammerverhandlungsberichte an die entsprechende Anzahl Setzer zu vertheilen. Die bewunderungswürdige Erscheinung, daß auch die größten Sitzungsberichte sammt all’ den andern Tagesneuigkeiten oft schon eine Stunde, nachdem die Post sie gebracht hat, dem Auge des Lesers gedruckt vorliegen, findet ihre Erklärung, wenn man einen Blick in den großen Setzersaal und auf die in demselben entfaltete Thätigkeit wirft. In diesem Saale, der etwa fünfzig Fuß in’s Geviert mißt, sind nicht weniger als vierundfünfzig Setzer beschäftigt; außerdem arbeiten aber auch noch sechs in einem auf der zweiten Etage befindlichen kleinen Saale, so daß die Gesammtzahl derselben nicht weniger als sechszig beträgt. Mit solchen Kräften läßt sich bei geregelter Thätigkeit gewiß Bedeutendes leisten, aber dennoch bleibt unser Staunen gerechtfertigt, wenn man die Menge der bekannten kleinen, zum Theil sehr mühevollen Manipulationen berücksichtigt, welche vorzunehmen sind, bevor der Leser sein Blatt fix und fertig in die Hand bekommt.[1]

Hat der Setzer sein Manuscript abgesetzt, so wird bekanntlich ein Correcturabzug des Satzes gemacht, was, nebenbei bemerkt, in der Officin der Kölnischen Zeitung theils in der bisherigen Weise, mittels der Bürste, theils durch eine sehr einfache, aber sinnreiche Erfindung, mittels einer schweren, mit Filz bekleideten eisernen Walze geschieht, welche bei nur einmaligem, schnellem Hinrollen über den auf den gesetzten Lettern liegenden Correcturstreifen den schönsten Abzug liefert.

Zwischen Redaction, Setzerei und den Correcturzimmern wandert inzwischen unser Metteur en page emsig hin und her; aus den letzteren bringt er die Correcturstreifen den betreffenden Setzern zurück, nicht ohne denselben mitunter ein nichts weniger als freundliches Compliment des Correctors zu bestellen, dessen Jeremiaden über fehlerhaften Satz wohl in jeder Druckerei ebenso stereotyp sind, wie die Klagen der Setzer über die schlechte Handschrift der Herren Autoren, auf welche bekanntlich, mit einigen wenigen rühmlichen Ausnahmen, die Devise: „Docti male pingunt“ (Die Gelehrten sind schlechte Maler) paßt.

Den von den Fehlern gesäuberten Satz erhält nunmehr der Metteur en page zurück, um die Formirung desselben nach Kategorieen in Spalten und Columnen (ganze Seiten) zu bewerkstelligen.

Alles Druckfertige muß übrigens, bevor es in die Spalten- und Columnenform gebracht wird und in die Presse gelangt, in eignen Abzügen dem Chefredacteur zur Begutachtung vorgelegt werden, eine Weitläufigkeit, welche in der durch das Preßgesetz vorgeschriebenen Verantwortlichkeit des Redacteurs für jeden gedruckten Buchstaben der Zeitung, ja sogar für den Inhalt der Anzeigen, ihren Grund hat und sowohl für den technischen Betrieb des Zeitungsgeschäftes eine Fessel ist, als auch auf der geistigen Wirksamkeit der deutschen Presse leider noch immer wie ein Alp lastet.

Ist nunmehr das Geschäft des Formirens des Satzes beendigt und umfaßt der eiserne Rahmen die Lettern, so wird die auf solche Weise entstandene Zeitungsform an eine im Boden des Saales angebrachte Luke getragen und vermittels eines Hebewerkes bis in den Keller hinuntergelassen, wo sie sich auf dem daselbst befindlichen steinernen Waschtische der bekannten Reinigung zu unterziehen hat, bevor sie stereotypirt wird und in die Maschine kommt.

Gehen wir nun, um das Schicksal der Form systematisch weiter zu verfolgen, derselben bis in den Keller nach.

Wir steigen die Treppe hinunter und stehen, wie die Inschrift sagt, vor dem „Großen Maschinensaale“. Die darunter angebrachten Worte: „Verbotener Eingang“ bilden natürlich für uns kein Hinderniß: wir treten ein und befinden uns zunächst in derjenigen Räumlichkeit, in welcher die Zeitungsträger und -Trägerinnen, fünfzig an der Zahl, Klein und Groß, kurz vor Beginn ihrer Thätigkeit sich aufzuhalten pflegen und des Momentes harren, in welchem sie, mit einem Pack Zeitungen versehen, ihre städtische Wanderung antreten können.

„Sie haben jetzt,“ sprach der mich begleitende Factor der Druckerei beim Eintritt in den die Druckmaschinen enthaltenden und darum in den Druckereien schlechthin „Maschinensaal“ genannten großen Raum mit einem Anflug diabolischen Humors, „lange genug auf der Oberwelt geweilt und werden sich nunmehr in die Unterwelt begeben müssen, zu welchem Ende ich Sie der Obhut dieses modernen Charon anvertraue.“ Bei diesen Worten winkte er Jemanden zu sich heran, den er mir als den Obermaschinenmeister vorstellte und mit meinem Anliegen bekannt machte, worauf er sich mir freundlichst empfahl.

Im Gefolge meines neuen Führers durchschritt ich den großen Maschinensaal, dessen Besichtigung wir später vornahmen, und stieg in die unteren Räume hinab. Soeben gab eine an der Decke des Raumes, in welchen wir zunächst eintraten, befindliche Klingel das Signal, daß eine jener oben erwähnten Druckformen herabkommen werde, während zu gleicher Zeit einige auf die vorzunehmende Manipulation bezügliche Worte durch ein neben der eisernen Leitung für die Formen bis zum Setzersaale laufendes Sprachrohr herabgerufen und rasch beantwortet wurden. In demselben Raum, in welchem die Formen, d. h. der von denselben umschlossene Letternsatz, behufs deutlichen und reinen Drucks gewaschen werden, befindet sich ferner noch ein Hebewerk, welches das zum Druck der Zeitungen zu verwendende Papier in großen Quantitäten heraufbefördert. Der Papierverbrauch der Kölnischen Zeitung ist bei einer Auflage von zwanzigtausend Exemplaren natürlich ein sehr enormer; er beläuft sich auf durchschnittlich sieben Ballen oder fünfunddreißigtausend Bogen per Tag, was ein Capital von etwa achttausend Thalern monatlich repräsentirt.[2] Ein eigens eingerichtetes Bahngeleise führt die Papierballen auf einer schiefen Ebene vom Hofe direct in die unterirdischen Lagerräume, welche sich neben dem Zimmer ausdehnen, in dem wir uns augenblicklich befinden.

Treten wir nun in die Räumlichkeit ein, in welcher die Formen stereotypirt werden. Es dürfte wohl zweckmäßig erscheinen, bei diesem dem großen Publicum weniger bekannten Verfahren etwas eingehender zu verweilen.

  1. Wie erstaunlich schnell auch andere Buchdruckereien ihre Arbeiten liefern, davon ist die Leipziger Officin, welche den Druck der Tages-Ziehungslisten der sächsischen Landeslotterie besorgt, ein eclatantes Beispiel. Vormittags drei Viertel auf elf Uhr ist der Schluß der Ziehung und schon ein Viertel zwölf Uhr sind die erwähnten Listen gesetzt, corrigirt, gedruckt, gefalzt, couvertirt, adressirt und frankirt auf der Post zur Reise durch das Land.
    D. Red.
  2. Die Gartenlaube, bekanntlich doch nur eine Wochenschrift, bedarf im Jahre für fünfzigtausend Thaler Druckpapier mehr als die Kölnische Zeitung.
    D. Red.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 753. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_753.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)