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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

böse Worte aus, wenn man sieht, wie fern dieser Gedanke in Oesterreich gelegen; es mußte sich erst ein „Nordamerikanisches Ressel-Comité“ in New-York bilden und sich die Aufgabe stellen, für die Ausführung der Schöpfungen Ressel’s, die fortan nicht mehr einer einzigen Regierung, sondern der ganzen Welt angehören sollen, um bereitwillige Hände zu werben, und dort mußte eine Broschüre über „Joseph Ressel und die von der englischen Regierung für den ersten Erfinder des Schraubenpropellers ausgeschriebene Prämie“ erscheinen, um die „Gerechtigkeit über das Grab hinaus einem bei Lebzeiten feig und schändlich betrogenen Wohlthäter der Menschheit widerfahren zu lassen und Wahrheit an der Stelle der Lüge in der ewig lebenden Geschichte festzustellen“.

Das Interesse unserer Leser habe ich bereits durch einen Artikel der Gartenlaube von 1863, Nr. 8 (Joseph Ressel und Wilhelm Bauer, eine Schicksals-Parallele“) und noch einmal 1864 (in Nr. 20: „Drei große deutsche Erfindungen dieses Jahrhunderts und ihre Schicksale“) auf den bedeutenden Mann hinzulenken gesucht.

Der Gedanke, für die Schraube des Archimedes das Wasser als Schraubenmutter zur Fortbewegung von Schiffen durch die Dampfkraft zu benutzen, stand schon 1812 klar vor ihm, aber – „wo die Schraube anbringen?“ – Diese Frage beschäftigte ihn noch 1821, als er (als k. k. Waldmeister) nach Triest kam. „Vorne, oder zur Seite, ist sie den Wellen ausgesetzt, also dachte ich mir sie zwischen Hintersteven und Ruder. Ich machte kein Geheimniß daraus. Die Stellung der Schraube hat aber allgemein mißfallen.“ So schreibt Ressel in seiner „Geschichte der Schraube im Vaterlande“. Diese Stellung hat sich jedoch bis heute bewährt und die durch dieselbe bewirkte Sicherheit der Schraube ist’s, die ihr in der Schifffahrt, sowohl für Kriegs-, wie für wissenschaftliche und Industrie-Zwecke, ihre außerordentliche Bedeutung verlieh. Trotz alledem galt die Erfindung in Triest noch 1827, wo Ressel sie zuerst, und zwar nur mit Menschenkraft, aber doch sehr gelungen, probirte und ein Patent auf sie nahm, für eine Spielerei, die sogar vor gemeinem Spott nicht sicher war.[1]

Joseph Ressel hatte nämlich (wie im Jahrgang 1863 der Gartenlaube, S. 125 und 126, ausführlich erzählt ist) erst mit Hülfe einer zu gründenden Actiengesellschaft und, als dies von der Triester Polizei ihm, einem Engländer zu Liebe, welcher das Privilegium der Dampfschifffahrt zwischen Triest und Venedig besaß, verboten wurde, in Verbindung mit dem Großhändler Fontana in Triest sein Patent auszubeuten gesucht. Auf Ministerialbefehl sollte jedoch „die Sache ganz inländisch“ sein, d. h. Schiff, Schraube und Dampfmaschine in Oesterreich gebaut werden, eine hinsichtlich der letzteren verhängnißvolle Bestimmung, weil der österreichische Maschinenbau damals noch sich sehr in seiner Kindheit befand. Ueber Jahr und Tag verfloß, ehe die Dampfmaschine fertig war, und erst im Hochsommer 1829 konnte die Civetta, der erste Schraubendampfer der Welt, auf der Triester Rhede zur Probefahrt auslaufen. Die Probe gelang vortrefflich, das Schiff mit der Maschine von nur sechs Pferdekraft erreichte eine Geschwindigkeit von sechs Seemeilen in der Stunde; aber an der Dampfmaschine schmolz während der Fahrt ein Rohr, und deshalb untersagte die Triester Polizei alle ferneren Versuche! Das war Anfang und Ende der Schraube Ressel’s in Oesterreich.

Während Ressel im Jahre 1828 auf die Dampfmaschine für die Civetta wartete, machte er die Bekanntschaft eines Herrn Bauer (nicht unser Submarine-Ingenieur, der damals erst fünf Jahre alt war), der ihm und Fontana versprach, der Erfindung in Frankreich und England Aufnahme zu verschaffen, und der deshalb mit genauer Zeichnung und Beschreibung der Schraube versehen wurde. Wirklich gewann er drei Franzosen für die Sache; Ressel reiste, von Fontana unterstützt, nach Paris und machte hier, auf dem großen Canal beim Elephanten, eine ebenfalls gelungene Probefahrt mit einem Schraubenboot, worauf die drei Herren die Erfindung für sich selbst patentiren ließen. Durch diesen Betrug kam die Schraube nach Frankreich, ohne jedoch dort rechtes Gedeihen zu finden.

Offenbar war es derselbe Bauer, der sie 1829 nach England brachte, denn im Juli dieses Jahres nahm dort ein Kaufmann Cummerow ein Patent auf eine Schraube, die ihm „von einem im Auslande wohnenden Fremden, der wenig mit der englischen Sprache vertraut gewesen“, mitgetheilt worden sein soll. So erzählt der Engländer Bourne in seinem Werke über die Propellerschraube. Ueber diesen Bauer finde ich später keine Notiz mehr. Praktisch verwerthete die Erfindung erst der englische Farmer Smith, der 1839 ein Patent auf eine verbesserte Schraube nahm.

Weder in Frankreich noch in England wurde dabei je der Name Ressel’s genannt, aber auch nicht in deutschen Schriften: bis auf die neueste Zeit (noch im Jahre 1861 in einem „Buch der Erfindungen, Gewerbe und Industrien“!) galten nur Engländer, namentlich Livingston, Smith und Sauvage, oder auch Ericson als Erfinder der Schiffsschraube. Zu spät für den unglücklichen Ressel traten der k. k. Fregatten-Capitän Heinrich v. Littrow, Director der Marine-Akademie in Triest, und der bekannte Karmarsch, Director der polytechnischen Anstalt in Hannover, für Ressel’s unzweifelhaftes Prioritätsrecht auf; es galt, das Einzige zu retten, was für Ressel’s Namen und Nachkommen und für Deutschland noch zu retten war: die Ehre. Wie Ressel um die von England ausgesetzte Erfinder-Prämie betrogen wurde, wollen wir nun genau erzählen.

„Seit einigen Jahren setzte die englische Admiralität eine Prämie von zwanzigtausend Pfund Sterling für Denjenigen aus, welcher nachweisen könne, den größten Anspruch auf die Erfindung des Schraubendampfers, nämlich auf die erste Anwendung der archimedischen Schraube zum Betrieb der Dampfschiffe anstatt der Schaufelräder, zu haben. Nun sucht Mr. Carpenter, Capitän der königlichen Marine, nachzuweisen, daß er den größten Anspruch auf diese Prämie habe.“

Dies las Ressel am 18. September 1852, einem trüben Herbsttage, in dem „Osservatore Triestino“. Wie ein elektrischer Funke durchfuhr ihn diese Nachricht, und eine helle Sonne der Hoffnung ging in ihm auf. Er setzte sofort an die österreichische Gesandtschaft in London das Gesuch auf, „ihn als österreichischen Unterthan und alten Staatsdiener in dieser Angelegenheit bei der britischen Admiralität in Schutz zu nehmen.“ Um aber nicht haarbreit vom Dienstweg abzuweichen, wurde dieses Anmeldeschreiben zunächst der Triester Statthalterei zur Weiterbeförderung übergeben; von dieser kam es an Ressel zurück, um, mit den nöthigen Documenten (namentlich seinem Erfindungspatente vom 11. Februar 1827) versehen, von ihm den Marine-Obercommando vorgelegt zu werden. Dieses schickte die Sendung wieder an die Triester Statthalterschaft, worauf sie, mit noch einigen Belegen und Actenstücken vermehrt, nun dem Handelsministerium in Wien überantwortet wurde, durch welches sie (und zwar erst im Februar 1853!) endlich in die Hand des österreichischen Generalconsuls in London gelangte. Noch correcter vorzugehen war nicht möglich.

Der österreichische Generalconsul hielt es für angezeigt, zunächst auf officiösem Wege bei einem im Civil-Departement der englischen Admiralität fungirenden Capitän Baldwin Walker Erkundigungen über die englische Preisausschreibung für den ersten Erfinder der Propellerschraube einzuziehen. Dies geschah am 11. März. Schon am 12. erfolgte die Antwort, daß die britische Regierung jene zwanzigtausend Pfund Sterling an verschiedene Personen, welche in Besitz von Patenten über die betreffende Erfindung seien, bereits vergeben habe.

Diese Angabe war offenbar falsch, denn erst Anfang April 1855 wird von sämmtlichen englischen Zeitungen die Prämienvertheilung besprochen und sogar strengem Tadel unterworfen; Walker hatte höchst wahrscheinlich nicht aus sich so geantwortet, sondern einem veranlaßten Wink der Admiralität gemäß die Ausflucht angewendet, um die Concurrenz eines Ausländers, und gar eines Deutschen, um die zwanzigtausend Pfund mit einem Male zu beseitigen. Denselben Verdacht scheint der Generalconsul gehegt zu haben; schon am 15. März übergab er mit amtlicher Zuschrift dem ersten Lord der Admiralität, Sir James Graham, Ressel’s Gesuch und Documente.

Diesmal zog man es englischerseits vor, gar keine Antwort zu ertheilen. Acht volle Monate waren vergangen, jedenfalls eine

  1. Die Stadt Triest setzte ihre Gehässigkeit gegen Joseph Ressel noch über das Grab fort: die eherne Bildsäule des österreichischen Erfinders des Schraubenschiffes war ursprünglich zur Aufstellung in Oesterreichs wichtigster Seestadt bestimmt, aber Triest verweigerte den Platz dazu, weil es kein Denkmal dieses Deutschen besitzen wollte! Nur deshalb kam sie nach Wien.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 703. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_703.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)