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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

später sagte: „Wir Beide sind die ersten tragischen Künstler in Breslau gewesen.“

Ein scherzhafter Vorfall zog zuerst die Aufmerksamkeit des Publicums auf den jungen Kunstnovizen und entschied über Beckmann’s komischen Beruf. Bei der Vorstellung des „Macbeth“ war durch das Versehen des Theatermeisters die große Schlange aus der „Hexenküche“ auf der Bühne liegen geblieben. Die Verlegenheit war groß, da Lady Macbeth unmöglich die folgende Scene in Gesellschaft dieses Ungeheuers spielen konnte, ohne lautes Lachen zu erregen. Niemand wußte Rath, da erschien unerwartet der lustige Beckmann, der als Knappe hinter den Coulissen stand, und bekämpfte als improvisirter Ritter St. Georg den furchtbaren Drachen, indem er tapfer mit seinem Schwerte darauf losschlug und das getödtete Ungeheuer im Triumphe und unter dem schallenden Gelächter des Publicums mit sich forttrug. Der erste jubelnde Hervorruf belohnte seine kühne That; bescheiden erschien der Sieger mit dem Opfer seiner Thätigkeit, das er als die Ursache seines Glückes dankbar zärtlich an sein Herz drückte. Zwar wurde diese kühne Improvisation ihm von der Direction und manchen Collegen verdacht, aber der berühmte Anschütz, damals noch Mitglied des Breslauer Theaters, nahm ihn in Schutz und machte auf sein bei dieser Gelegenheit gezeigtes Talent zum Komiker wiederholt und dringend aufmerksam.

Trotzdem fand Beckmann in seiner Vaterstadt Breslau weder die gewünschte Beschäftigung, noch genügende Anerkennung. Er suchte beide in Berlin, wo er auf Empfehlung des bekannten Komikers Schmelka ein bescheidenes Engagement erhalten hatte. Aber auch hier sollte noch einige Zeit vergehen, ehe er zur Geltung kam. Trotzdem verlor er nicht den Muth und die Liebe zu seiner Kunst. Mit dem größten Fleiße benutzte er seine unfreiwillige Muße zum Studium der besten Vorbilder, unter denen besonders Schmelka und der unvergeßliche Spitzeder seine Muster wurden. Seine harmlose Gemüthlichkeit und unversiechliche Laune erwarben ihm bald zahlreiche Freunde, von denen namentlich der damalige Theatersecretair der Königsstädtischen Bühne, der Dichter Holtei, zuerst das Talent seines Landsmannes erkannte und der „siebenköpfigen“ Direction empfahl. Holtei selbst hatte gerade damals eine kleine Posse „der Kalkbrenner“ geschrieben, worin er mit vielem Glück das moderne Virtuosenthum verspottete. Die Hauptrolle spielte ein „schlesischer Kalkbrenner“, der fälschlich in einer kleinen Stadt für den berühmten Clavierspieler „Kalkbrenner“ gehalten wird. Da Beckmann als geborner Schlesier die schlesische Mundart des gemeinen Volkes vortrefflich sprach, so vertraute ihm der Dichter diese Rolle an und Fritz rechtfertigte dies Vertrauen in der glänzendsten Weise, so daß er von diesem Abend an der Liebling des Berliner Publicums und zugleich auch des Hofes wurde. Mit jedem Tage steigerte sich der Beifall und erreichte seinen höchsten Grad, als Beckmann in seinem „Eckensteher Nante“ eine echt Berliner Volksfigur schuf und mit unwiderstehlicher Komik ausstattete. Von nun an feierte der bescheidene Künstler eine Reihe von Triumphen, die er sich in Breslau nicht träumen ließ; er war unstreitig der populärste Schauspieler der Residenz und unter dem Namen „der lustige Fritz“ allgemein bekannt.

Zugleich wurde er durch sein angeborenes Improvisationstalent und durch seine geselligen Gaben der Mittelpunkt eines auserwählten Kreises von Schriftstellern, Dichtern, Journalisten und Künstlern, welche sich nach der Theatervorstellung gewöhnlich in einer Weinstube zu versammeln pflegten und unter dem seltsamen Namen „Duslebimbam“ eine Gesellschaft bildeten, die bald eine große Berühmtheit erlangte. Die Seele des Ganzen war Freund Beckmann, der mit dem witzigen Glaßbrenner in tollen Geschichten und lustigen Streichen sich überbot. Es war ein Raketenfeuer von Witz, Humor und guter Laune, das in ununterbrochener Weise Feuer sprühte. Die meisten dieser Scherze flogen sogleich von Mund zu Mund bis in die höchsten Regionen, wo sie besonders bei dem geistreichen Kronprinzen Anklang und Wiederhall fanden. Aus dieser Gesellschaft entwickelte sich zum größten Theil der specifische Berliner Witz, und in ihr sind die wahren Väter des späteren Kladderadatsch und der neueren Posse zu suchen. Unzählige dieser Schwänke und Einfälle kommen auf Rechnung des lustigen Fritz,[WS 1] der in der That unerschöpflich war. So sagte er, als ihm eines Tages bei Tische ein Sitz zwischen den beiden schönen Schwestern Auguste und Charlotte von Hagn angewiesen wurde: „Das ist prächtig! Zwischen A. Hagn und C. Hagn kann ich nur mit B. Hagn (Behagen) sitzen.“ Ein andermal wurde er wegen Beleidigung eines bekannten Berliner Bankiers, Namens Fränkel, gerichtlich verurtheilt, denselben vor Zeugen um Verzeihung zu bitten. Zur bestimmten Stunde erschien Beckmann in der Wohnung des Beleidigten, der zu diesem Zweck eine große Gesellschaft eingeladen hatte, die der ihm zu gebenden Satisfaction beiwohnen sollte. Der arme Sünder steckte den Kopf durch die Thür und sagte mit anscheinender Harmlosigkeit: „Ich habe mich wohl geirrt, hier wohnt Herr Maier?“ – „Nicht doch,“ entgegnete Herr Fränkel, „der wohnt daneben.“ – „Ah! da bitte ich um Verzeihung!“ rief Beckmann sich schnell wieder entfernend, indem er auf diese Weise wörtlich den Ausspruch des Gerichts befolgte.

Auch ein Hofschauspieler, der sich auf sein Talent übermäßig viel einbildete und auf Beckmann herabsah, obgleich er selbst nur ein sehr mittelmäßiger Künstler war, sollte Beckmann’s Witz kennen lernen. „Denkt Euch nur,“ erzählte einmal Beckmann in Gegenwart seines Collegen, den wir Grünberger nennen wollen, obgleich sein Name anders lautete – „denkt Euch nur, mir träumte, daß ich gestorben sei. Bescheiden klopfte ich an das Himmelsthor und begehrte Einlaß. ‚Wer ist Er denn?‘ fragte mich Petrus mit himmlischer Grobheit. ‚Der Schauspieler Beckmann,‘ antwortete ich mit gewohnter Bescheidenheit. ‚Weiß Er denn nicht, daß kein Schauspieler in den Himmel kommt?‘ sagte Petrus und schlug mir die halbgeöffnete Pforte vor der Nase zu. Während ich mich auf’s Bitten legte, kommt unser Freund Grünberger ganz gemüthlich angewackelt. Ohne Umstände läßt ihn Petrus in den Himmel, nachdem jener nur leise bei ihm angeklopft. Empört über eine derartige Ungerechtigkeit stelle ich den Heiligen zu Rede, indem ich ihn darauf aufmerksam mache, daß Grünberger während seines Lebens ebenfalls der Bühne angehört habe. ‚Das weiß ich besser!‘ sagte Petrus und schlug dabei ein lautes Gelächter auf. ‚Der Grünberger ist sein Lebtag kein Schauspieler gewesen!‘“

Am meisten aber hatte der bekannte Director des alten Königsstädtischen Theaters, Commissionsrath Cerf, von Beckmann’s Witz zu leiden. Dieser originelle Bühnenleiter in der berühmten Hauptstadt der Intelligenz war, so unglaublich dies auch klingen mag, des Lesens und Schreibens unkundig. Beckmann selbst, der bei ihm außerdem noch das Amt eines Theatersecretairs bekleidete, erzählte von seinem Principal die schnurrigsten Geschichten. In einer Gesellschaft, worin sich der Herr Director und sein Secretair befanden, wurde eine schriftliche Abstimmung vorgenommen. Unter den eingelaufenen Stimmzetteln befand sich einer, der nicht beschrieben war und deshalb für ungültig erklärt werden sollte. „Das geht nicht,“ sagte Beckmann, „denn ich kann bezeugen, daß ihn Herr Commissionsrath Cerf geschrieben hat.“

Friedrich Wilhelm der Dritte war bekanntlich ein großer Theaterfreund und besonderer Gönner Beckmann’s, der vielfache Beweise der königlichen Gnade erhielt und häufig neben den Hofschauspielern in den Privatvorstellungen in Potsdam und Charlottenburg mitwirkte. In dem kleinen Lustspiele U. A. W. G. extemporirte Beckmann so glänzend, indem er immer neue Erklärungen für die genannten vier Buchstaben fand, daß der König ihm nach der Aufführung eine Ananas und eine Börse mit Gold gefüllt zukommen ließ, mit der eigenhändigen Zuschrift: „Und Ananasse werden gegessen“ und – „Und Abends wird geschmaust.“ Auch unter Friedrich Wilhelm dem Vierten fehlte es Beckmann nicht an vielfachen Auszeichnungen, und so oft Kaiser Nicolaus nach Berlin kam, mußte der berühmte Komiker und Repräsentant des Berliner Witzes, für den merkwürdiger Weise der ernste absolute Herrscher eine große Vorliebe zeigte, vor ihm erscheinen. Selbst als Beckmann bei einem Besuche des Kaisers in Berlin an heftigem Rheumatismus litt, trat er unter Stöhnen und Aechzen vor seinem hohen Gönner auf, um die Vorstellung nicht zu stören, indem er witzig dem Regisseur bemerkte: „Der Beherrscher aller Reußen wird wohl auch mein Reißen beherrschen.“

Trotz aller dieser Auszeichnungen hatte der lustige Fritz seine trüben Stunden. An seinem Herzen nagte der Ehrgeiz; er wollte Hofschauspieler werden und einen Orden wie einst Iffland tragen. Die Erfüllung beider Wünsche wurde ihm jedoch versagt, obgleich er die Rettungsmedaille dafür erhielt, daß er einen Menschen aus dem Wasser herauszog. Leider aber wurde ihm ursprünglich

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Feitz
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 690. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_690.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)