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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

„Ja wohl, ehrliche Absichten!“ rief Leopold, indem er mit gewaltiger Faust auf den Tisch schlug und mit jähaufflammendem Blicke Schweigen gebot. „Glaubt man etwa, daß ich ein leichtfüßiger Schönthuer und verrätherischer Schwindler bin? Die tugendsame Jungfrau Anna-Liese wird meine rechtsame Frau und dabei bleibt es!“

Alle Vorstellungen und Beschwörungen, alle Thränen, Bitten, Drohungen mütterlicher Zärtlichkeit blieben vergebens. Nur in den Vorschlag, sich wenigstens für längere Zeit auf Reisen zu begeben, willigte der Unbeugsame mit Freuden ein. Er hatte aus Büchern nichts lernen können, er fühlte, daß er aus dem großen Buche des Lebens die Lücken seines Wissens füllen müsse. Schnell wurden die Vorbereitungen getroffen, am 25. November 1693, ungefähr drei Wochen nach dem Tode des Vaters, brach er auf, beurlaubte sich bei seinem Vetter Friedrich dem Dritten und zog mit seiner Begleitung von dannen „in das ferne Land Italia“. Schon am ersten Weihnachtstage war er in Venedig angelangt, wo wir ihn in jener Carnevalsnacht eine jener Scenen wiederholen sahen, wie sie auf dem Boden seiner heimathlichen Selbstherrlichkeit nicht selten vorgekommen waren.




Das neue elektrische Weltband.
Von Friedrich Althaus in London.


Zu derselben Zeit, wo der Donner des „siebentägigen“ Krieges das europäische Festland erschütterte und Hunderttausende schlachterhitzter Streiter von den Karpathen bis zum Rheine in blutigem Kampfe um Herrschaft und Freiheit rangen, in den ersten Tagen des denkwürdigen Julimonats 1866, verließ die englischen Küsten beinahe unbemerkt eine Flottenexpedition, um ein großes Werk friedlicher Eroberung, ein neues mächtiges Glied der lebendigen Kette zu vollenden, welche die Nationen der Erde verbindet. Es galt, zwischen der alten und der neuen Welt; zwischen Europa und Amerika, einen directen elektrischen Verkehr herzustellen, beiden Continenten, wenn nicht eine Zunge, so doch die blitzbeschwingte Sprache zu verleihen, mittels deren sie ohne Zeitverlust zu einander reden, ihre Begebenheiten, ihre Wünsche, ihre Bedürfnisse einander mittheilen konnten. Die Hauptmasse des Telegraphentaues war sicher an Bord des größten Schiffes der Erde, des Great Eastern, aufgerollt. Die für die europäischen und amerikanischen Küsten bestimmten Landenden lagen ebenso wohlverwahrt in zweien der begleitenden Schiffe. Zu Anfang der letzten Juliwoche näherte die Expedition sich der amerikanischen Küste und am siebenundzwanzigsten Tage desselben Monats lief in England die frohe Kunde ein, daß das amerikanische Landende des atlantischen Telegraphen in Heart’s Content Bay gelandet sei, und die Vorposten der beiden Continente tauschten durch die Tiefen des Oceans ihre Glückwünsche über das Gelingen des großen Unternehmens aus. Somit war wirklich vollbracht, was man zu wiederholten Malen, zuerst vor neun Jahren, zuletzt, wie sich alle unsere Leser erinnern werden, noch vor zwölf Monaten mit ähnlichen Mitteln vergeblich versucht hatte. Mit dem Erfolge des atlantischen Kabels aber ist das letzte Hinderniß eines die ganze Erde umfassenden elektrischen Bandes aus dem Wege geräumt, denn auch die telegraphische Verbindung mit Australien, welche die Natur selbst durch die bequemen Zwischenstationen des süd-asiatischen Archipels erleichtert hat, dürfte jetzt nicht mehr auf wesentliche Schwierigkeiten stoßen. Man kann daher die Ausführung des atlantischen Telegraphen recht eigentlich als den entscheidenden Wendepunkt in der Geschichte der Telegraphie unsres Planeten und die atlantische Expedition als eins jener Capitel der Culturgeschichte charakterisiren, welche, innerhalb der ihr angewiesenen Sphäre, eine Hauptepoche bezeichnen.

Der erste Versuch seines unterseeischen Telegraphen wurde 1848 im Hafen von Portsmouth gemacht; doch hegte man längere Zeit so lebhafte Bedenken über die Ausführbarkeit größerer unterseeischer Linien, daß eine der wichtigsten Telegraphenverbindungen Englands, diejenige, welche auf dem kürzesten Wege den Verkehr des Inselreichs mit dem europäischen Festland vermittelt, die Linie zwischen Dover und Calais, erst im Jahre der großen internationalen Ausstellung (1851) in Angriff genommen und vollendet wurde. Der Erfolg dieses Erstlingsunternehmens übertraf die kühnsten Erwartungen und unter dem Impuls seines Gelingens drang seitdem die unterseeische Telegraphie mit Riesenschritten nach allen Seiten auf ihrem Eroberungswege vorwärts. Die Zahl der Taue zwischen Dover und Calais wurde allmählich auf vier vermehrt; eine neue Linie mit sechs Conductoren entstand zwischen Dover und Ostende, eine dritte mit sechs Conductoren zwischen Folkestone und Boulogne, eine vierte mit vier Conductoren zwischen Harwich und Rotterdam, eine fünfte mit drei Conductoren zwischen Hull und Kopenhagen. Auch die andern Nationen waren nicht träge, dem von England gegebenen Beispiel zu folgen. Die Manufactur unterseeischer Telegraphentaue entwickelte sich rasch zu einem großen Industriezweige. Schweden und Dänemark, das italienische Festland und die Inseln Corsica, Sardinien, Sicilien und Malta, Suez und Aden, Ceylon und Indien, Südaustralien und Vandiemensland, Neufundland und Cape Breton wurden während des folgenden Jahrzehnts durch unterseeische Telegraphen, deren Länge zwischen zehn und dreihundertundsechszig englischen Meilen schwankt, in Verbindung gesetzt. Da diese Unternehmen aber zugleich auch pecuniär sich trefflich bewährten und ansehnliche Dividenden abwarfen, so konnte es nicht fehlen, daß man, von Stufe zu Stufe fortschreitend, bald zur Ueberwindung auch der größten unterseeischen Distanzen zwischen Ländern und Continenten Muth faßte und vor dem kühnen Gedanken einer elektrischen Verbindung Europas und Amerikas, über das Bett des atlantischen Oceans hin, nicht zurückschreckte.

Wem das Prioritätsrecht der Anregung dieses Planes zukommt, wollen wir nicht unternehmen zu entscheiden. Der Gedanke an sich lag unter den Umständen nahe genug und über seine Bedeutung konnten die Ansichten kaum getheilt sein. Thatsache

Das atlantische Telegraphenkabel vom Jahre 1858.
In natürlicher Größe.

ist, daß im Beginn des Jahres 1854 eine Anzahl Kaufleute und Ingenieure in New-York unter dem Vorsitz des Amerikaners Cyrus Field den Entschluß faßte, das Werk in die Hand zu nehmen, und noch im März desselben Jahres von dem Parlament in Neufundland die Autorisation zur Gründung der New-York, New-Foundland and London Telegraph-Company erlangten, wodurch der Compagnie auf fünfzig Jahre das ausschließliche Recht bewilligt wurde, Telegraphentaue in Neufundland und an den benachbarten Küsten zu landen. Der nächste weitere Schritt war die Legung eines unterseeischen Telegraphen durch den St. Lorenzgolf von dem amerikanischen Festland nach Neufundland, ein Unternehmen, welches zwei Jahre später (1856) unter der Leitung von Cyrus Field in’s Leben trat. Inzwischen war auch in England das Interesse an der Ausführung eines atlantischen Telegraphen rege geworden. Die öffentliche Meinung auf beiden Seiten des Oceans äußerte sich entschieden zu Gunsten des großen Werkes und die Regierungen beider Länder blieben nicht hinter den Nationen zurück. Englische und amerikanische Kriegsschiffe wurden im Sommer 1856 mit der Untersuchung des Meeresbodens zwischen Neufundland und Irland beauftragt und englische Capitalisten in London gründeten die Atlantic Telegraph-Company, welche mit der amerikanischen Compagnie gemeinsame Sache machte und in Kurzem über ein Capital von dreihundertundfünfzigtausend Pfd. St. verfügte. Allerdings fehlte es auch nicht an warnenden Stimmen, welche die Idee eines atlantischen Telegraphen in das Gebiet phantastischer Träume verlegten und den Actionären ein trauriges Ende weissagten. Die Größe der zurückzulegenden Entfernung, die mächtige Tiefe des Oceans, die abrupte Unregelmäßigkeit seines Bodens, die unberechenbaren Gefahren von Stürmen, Nebeln und Eisbergen, mangelhafte Construction des Taues, die

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verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 624. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_624.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)