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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

Scenen und Bilder aus dem Feld- und Lagerleben.
7. Im Bivouac bei Schloß Sichrow.


So mancher der geehrten Leser wird schon ein Bivouac bei einem Manöver in Friedenszeiten erlebt und sich an dessen verschiedenen humoristischen Vorkommnissen ergötzt haben; im Kriege und zumal in dem gegenwärtigen, welchen man füglich eine Jagd nennen kann, sind dieselben noch seltener als das schöne Wetter in diesem traurigen Sommer. Dem Soldaten, der den Tag vier bis sechs Meilen in Sonnengluth oder Sturm und Regen, bald vom Staube fast des Athems beraubt, bald im tiefen Lehmboden fast stecken bleibend, marschirt ist, vergeht doch der Appetit auf Lustbarkeiten, wenn der Magen sich mit verschimmeltem Brode oder mit gar nichts begnügen soll. Ich habe wohl gehört, daß Correspondenten Lagerscenen

Am Morgen nach dem Bivouac bei Sichrow.

in heiterem Gewande zu Markte gebracht haben – denn gelesen habe ich es nicht, weil eine Zeitung gar selten in meinen Bereich gekommen ist, – diese müssen aber eine Phantasie besitzen, von der sich behaupten läßt: „Es ragt das Riesenmaß der Leiber weit über Menschliches hinaus.“ Ja, in Sachsen kam es wohl noch vor, daß die Mannschaften, wie Macbeth’s Hexen, um den Kessel herumtanzten, in dem die braven Zittauer ihnen im Schweiße ihres Angesichts ein kräftiges Mahl bereiteten, doch in Böhmen, da fiel der Vorhang über diesen Theil der Bühne und ein anderer wurde sichtbar, auf dem verlassene Städte und Dörfer, Hunger und Tod als Hintergrund und Agirende erschienen. Da liegt hart an dem fruchtbaren, von betriebsamen Deutschen in gartenartiger Cultur erhaltenen Sachsen ein böhmisches Städtchen Krottau. In Zittau lief Alles auf die Straßen, nicht vor dummer Furcht zitternd, sondern begierig, die preußischen Truppen und Waffen kennen zu lernen. Der bewunderte den strammen Tactschritt der Bataillone, Jener äußerte unverhohlen seinen Respect vor den Lanzen der schwerberittenen Ulanen, wieder ein Anderer entwickelte seine Kenntniß der neuen gezogenen Vierpfünder vor seinen Landsleuten. Freilich war’s der Feind, welcher kam, aber ein civilisirter, der sich mit Essen, Trinken und Wohnen begnügt, nicht einer, der Kinder zum Gabelfrühstück spießt.

„Kaum aber waren wir in dem Defilé, durch welches die Straße nach Böhmen führt, so zeigte sich rings eisige Oede. Die schwarz-gelben Zollhäuser waren verlassen und leer von Allem, was nicht niet- und nagelfest war, die Felder weit und breit einsam, wie der Urwald, als hätte sie nie eines Menschen Hand bestellt, die Eisenbahn und die Telegraphenleitung zerstört, und – als wir endlich Krottau erreichten, zeigten sich nur verschlossene Thore, zugemachte Fensterläden und verrammelte Ladenthüren. Im Freien wollte man doch auf den grundlosen Straßen nicht campiren, es blieb also nichts übrig, als die Verschlüsse zu öffnen, was nicht in der schonendsten Weise geschah. Die Pferde wohnten parterre, die Reiter im ersten Stock, so daß die ohnehin nicht sehr saubere Stadt ein würdiges Pendant zu den schmutzigsten polnischen Nestern bildete. Selbst die Herren Officiere von der Garde in Berlin, die sonst auf dem Corso in der Hofjäger-Allee oder in der Thiergartenstraße mit blitzenden Stulpstiefeln und silbernen Radsporen einhergaloppiren, wateten hier durch den tiefen Koth der Gasse zum – Marketender, der mit schmierigen Fingern elenden Schnaps, Korn geschimpft, für theures Geld in die elegante Feldflasche füllte. Die Rasenplätze vor Schloß Grafenstein, dem Hauptquartier des Prinzen Friedrich Karl, schmückten die Eingeweide von einigen

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verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 541. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_541.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)