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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

voll seltenen Wohllauts und bei tiefer Empfindung mit einem sarkastischen Zuge, der im besten Sinne an Heine gemahnt. Hinter Hopfen kommt Köppel, ein Landsmann und begabter Schüler von Hertz, neben diesem Victor Scheffel, der Schöpfer des „Ekkehard“ und des „Trompeters von Seckingen“, und an dessen Seite Carl Heigel, der die Tragödie „Marfa“ geschrieben, seither aber unter die Modejournale gegangen und Mitredacteur des – Bazar geworden ist. Der Officier mit dem Glase in der Hand ist Heinrich Reder, der Dichter von reizenden Liedern, deren die „Fliegenden Blätter“ eine Auswahl brachten, und Verfasser des trefflichen Reisehandbuchs „der Baierwald“. Hinter Lingg werden noch ein paar Köpfe sichtbar; der Reisende und Alterthumsforscher Julius Braun und der Gerichts-Rath A. Mai, ein höchst bedeutender Dramatiker, Verfasser von „Cinqmars“, „Zenobia“, der aber die tragische Muse über den Schwurgerichts-Acten etwas zu negligiren scheint.

Zwischen Große und den Ellbogen Geibel’s wird das ernste Antlitz des bekannten Aesthetikers und Romanschriftstellers Adolph Zeising („Hausse und Baisse“, „Joppe und Crinoline“, „Gunst und Kunst“) sichtbar; der scharfgeschnittene Kopf über ihm gehört Felix Dahn, Professor der Rechte und Dichter und in beiden Hinsichten durch sein Geschichtswerk „die Könige der Germanen“ und durch Dichtungen wie „Harold und Theana“ wohl bewährt. Auf seine Schulter stützt sich Leuthold, der Schweizer, der mit Geibel „fünf Bücher französischer Lyrik“ herausgegeben und sich als Meister in der Kunst des Uebersetzens, richtiger des Nachdichtens erprobt hat. Die Gruppe rechts besteht aus den musikalischen Mitgliedern der Gesellschaft, dem trefflichen Componisten Robert von Hornstein; Nohl, dem Biographen von Mozart und Beethoven; dem Musikkritiker Grandauer mit Oscar Horn, einem hoffnungsvollen Dichtertalente. Das sind die Krokodile so ziemlich alle; mit Ausnahme einiger, die jetzt anderwärts hausen, wie der Kunsthistoriker Lützow u. a.

Man sieht, es ist eine ansehnliche Zahl, die sich zusammengeschaart hat, und man kann in allen Ehren von einer Münchner Dichter-Schule sprechen und behaupten, daß sie, wie einst der Göttinger Hainbund, die schlesische oder schwäbische Dichtergruppe, eine bestimmte Stellung in der Literaturgeschichte einnehmen werde. Fragt man nach deren gemeinsamem Kennzeichen, so ist ein solches unschwer zu finden und giebt sich Jedem kund, der das vor ein paar Jahren erschienene „Münchner Dichterbuch“ aufmerksam durchblättert. In der Stoffwahl ist es ein idealer Aufschwung aus der unruhigen Bewegung der Zeit und des Lebens, der alles Stürmende und Drängende wie etwas Unlauteres von sich abhält; in der Form ist es das Streben nach durchaus gleichgehämmerter Glätte, Correctheit und Anmuth; im Ganzen eine aristokratisirende oder akademische Richtung, die in der Classicität wurzelnd zu ihr wieder zurückstrebt. Bei der größten Zahl der Mitglieder wird diese Charakteristik auf’s Haar zutreffen. Ist es Seligen vergönnt, die Werke ihres Lebens aus der Vogelperspective des Jenseits zu überschauen, so wird König Maximilian befriedigt hernieder lächeln. Wird auch nach seinem raschen und verfrühten Heimgang sein Gebäude mit mancher andern seiner Schöpfungen achtlos dem Verfalle überlassen und durch eine ebenso entschiedene musikalische Richtung verdrängt, so ist doch das Geleistete ein schönes Monument für ihn; ein schöneres lebt ihm im Herzen Aller, die sich zum „heiligen Teich“ bekennen.

Niemand ahnt, was die Zukunft bringt; Eines aber ist gewiß: was nach dem Unvergänglichen ringt und es dadurch in sich aufnimmt, das bleibt!




Wie die Natur Wunden heilt, die der Mensch schlug.


Im Kriege bestreben sich die Krieger einander entweder in der Nähe oder aus der Ferne todt zu machen; das Erstere bringen sie durch die sogenannten Nahwaffen (wie durch Hieb-, Stich- und Stoßwaffen), das Letztere durch Feuerwaffen fertig, welche letzteren entweder gleich eine größere Anzahl von Menschen wegräumen (wie das grobe oder schwere Geschütz) oder blos Einzelne unschädlich machen (wie das kleine Gewehr, die Handfeuerwaffen). Wer also von den Kriegern nicht sofort auf diese oder jene Weise um’s Leben kommt, sondern nur verwundet wird, kann eine Schuß-, Hieb- oder Stichwunde davontragen, abgesehen davon, daß er noch aus verschiedene Weise gequetscht, geschlagen, gestoßen, geschleift, überfahren, zertreten, gezerrt, verbrannt und überhaupt verstümmelt werden kann.

Die Hiebwunden, welche gewöhnlich nur bei Cavalerieattaquen oder bei Verfolgung der Infanterie durch die feindliche Cavalerie geschlagen werden, kommen im Kriege am wenigsten vor und sind auch am ungefährlichsten, so daß der einzelne Mann eine ziemliche Anzahl davon, zumal am Köpfe und Gesicht, ertragen kann. In der Schlacht von Balaklava erhielt z. B. ein Soldat sechsunddreißig Hieb- und Stichwunden und ein Officier bekam neben einer Schußwunde durch das Bein noch siebenzehn Hieb- und Stichwunden; aber Beide genasen. Ist der Arzt zur Hand und kann die Hiebwundflächen bald vereinigen (zusammennähen), dann heilen diese Wunden in wenigen Tagen. Solche Wunden sind an den gleichmäßig scharfen Rändern und den glatten Durchschnittsflächen mit unveränderten Geweben kenntlich; sie klaffen mehr oder weniger und können auch penetrirende (in eine der drei großen Körperhöhlen eindringende) sein. Bei der schnellen Heilung (per primam intentionem) der Schnitt- und Hiebwunden gehen Veränderungen an den Wundflächen vor, wodurch letztere gewissermaßen aufgelöst werden und in eins verschmelzen, wie etwa zwei Enden Siegellack durch Erwärmung flüssig gemacht und dann zusammengefügt werden.

Die Stichwunden sehen sehr oft nicht so gefährlich aus, wie sie sind, denn sie stellen meist nur kleine, unregelmäßige Wundöffnungen in der gesunden Haut dar, in deren Tiefe aber oft schwer oder gar nicht zu ergründende lebensgefährliche Zerstörungen edler Organe verborgen sind und sich tödtliche Blutungen entwickeln. Oberflächliche Stichwunden heilen meist schnell, zumal wenn sie mit scharfen Instrumenten gemacht wurden.

Schußwunden, die sind es, an welchen die meisten Verwundeten zu Grunde gehen und zwar in den neueren Kriegen in weit größerer Menge, als früher. Die Verbesserung und Vervollkommnung der Schußwaffen hat nämlich die Zerstörungsfähigkeit derselben bedeutend gesteigert und dadurch den Krieg für die Menschenleben immer verderblicher und vernichtender gemacht. Die neueren Schußwaffen „halten besser Stich und haben eine rasantere Ebene, als die alten“, sagt der Techniker; sie wirken mit größerer Gewalt und Schnelligkeit auf weitere Entfernung, treffen sicherer und manche können, indem sie weit schneller (und zwar von hinten) geladen werden, auch in sehr kurzer Zeit weit mehr Geschosse ausschicken, als die von vorn zu ladenden, abgesehen davon, daß sie auch leichter und handlicher geworden sind. Die hauptsächlichste Verbesserung der Schußwaffen besteht nun aber darin, daß nicht mehr aus einem glatten Rohre Kugeln abgeschossen werden, sondern daß aus gezogenem Laufe cylindro-konische Geschosse (fälschlich Spitzkugeln genannt) ausgetrieben werden. Das Spitzgeschoß (aus einem Cylinder, dem ein Konus aufgesetzt ist) drängt nämlich mit seiner Spitze die Luft leichter auseinander und erfährt also einen viel kleineren Luftwiderstand, als ein gleichgroßes Kugelgeschoß. In Folge der Züge an der innern Rohrwand (deren Windung oder Drehung man Drall nennt) wird nun aber dem Geschosse auch noch eine um die Achse des Rohres stattfindende Drehung aufgezwungen und durch diese Rotation des Spitzgeschosses um seine Längenachse erhält dasselbe eine mehr bohrende und damit eine mehr stetige Bewegung, wobei dasselbe nicht viel von seiner Anfangsgeschwindigkeit einbüßt, also mit einer größeren Endgeschwindigkeit am Ziele anlangen, die Flugbahn mit größerer Geschwindigkeit zurücklegen kann. Wenn daher eine Kugel und ein Spitzgeschoß von gleichem Gewicht und unter sonst gleichen Verhältnissen aus einem gezogenen Rohre abgeschossen werden, so wird das Spitzgeschoß deshalb viel verderblicher wirken und größeren Schaden anrichten, als das erstere, weil es eine stetigere Bahn, also eine größere Trefffähigkeit, eine größere Percussionskraft (somit mehr Fähigkeit zu verwunden) und eine größere Flugbahn hat, wozu auch noch kommt, daß das Spitzgeschoß, obschon von gleichem Durchmesser, wie die Kugel, ein größeres Gewicht als diese haben kann und dadurch die aufgezählten Vorzüge noch vergrößert werden. – Das Zündnadelgewehr (eine Erfindung des Herrn v. Dreyse in Sömmerda), welches von hinten geladen wird und aus einem gezogenen

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verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 534. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_534.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)