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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

bis sie das Dorf eines schwarzen Häuptlings erreicht, mit dem sie ein Einverständniß anknüpfen zu können hofft. Der Neger kennt die Ueberlegenheit europäischer Waffen und versäumt die Gelegenheit nicht, mit den Sclavenjägern ein Bündniß zu schließen, das ihm die Macht verleiht, sich an einem feindlichen Nachbar zu rächen. Von ihrem Wirth geführt, marschiren sie die ganze Nacht durch und machen in der Nähe des arglosen Dorfes Halt, das dem Verderben geweiht ist. Wie die nordamerikanischen Indianer bei ihren Ueberfällen, warten die Sclavenjäger bis kurz vor Tagesanbruch. Diese Zeit, in welcher der Mensch nach überstandener Nacht sich sicher glaubt, kommt, und geräuschlos wird das Dorf umzingelt, dessen Bewohner noch schlafen. Plötzlich werden die Grashütten ringsum angezündet und in vollen Lagen schmettern die Flintenkugeln in das brennende Heu hinein. Von Entsetzen erfaßt, stürzen die Einwohner aus ihren in Flammen stehenden Hütten. Die Männer werden wie Hasen bei einem Treibjagen niedergeschossen, die Frauen und Kinder aber, die vor Schreck und Angst sinnlos geworden sind, gefangen und gebunden. Der Viehheerden bemächtigt man sich in ihren Hürden ohne Mühe und treibt sie als Siegespreis frohlockend fort. Zur Fortführung der Frauen bedient man sich des Sclavenjochs, das auf der Westküste im Gebrauch ist. Es ist eine Stange mit einer Gabel, in die der Hals der Gefangenen paßt und die man mit einem Stück Holz hinter dem Nacken schließt. Die Hände werden vor dem Leibe gefesselt und mit einem Strick an die Stange befestigt. Den Kindern legt man einen Strick um den Nacken und knüpft das andere Ende an eine Frau. So bilden alle Gefangene eine lebendige Kette und werden mit dem erbeuteten Vieh fortgetrieben.

Man ist mit dem unglücklichen Dorfe noch nicht fertig. Eine allgemeine Plünderung findet statt, der auch die Leichen nicht entgehen. Man haut ihnen die Hände ab, um sich der kupfernen oder eisernen Ringe, welche die Schwarzen an den Handgelenken tragen, leichter bemächtigen zu können. Die Schwelle jeder Hütte wird aufgewühlt, denn dies ist die Stelle, wo die Neger ihre Elephantenzähne, die ihr größter Schatz sind, zu verstecken pflegen. Von dem Getreide wird muthwillig vernichtet, was man nicht selbst braucht. Mit dieser Beute kehren die „Elfenbeinhändler“ zu ihrem schwarzen Verbündeten zurück. Sie haben seine Feinde vernichtet, das entzückt ihn; sie schenken ihm dreißig oder vierzig Stück Schlachtvieh, das macht ihn vor Freude berauscht, und ein hübsches, kleines Angebinde, ein Negermädchen von vierzehn Jahren, vollendet sein Glück.

Dies ist blos der Anfang des Geschäfts. Den Häuptling verlangt nach Vieh und der Sclavenjäger hat vielleicht zweitausend Stück gefangen. Sie sind für Elfenbein zu haben, und bald kommen Elephantenzähne zum Vorschein. Täglich wird Elfenbein in’s Lager gebracht und gegen Vieh getauscht. Ein Zahn gilt, je nach der Größe, eine oder zwei Kühe, und das Geschäft ist ein vortreffliches, da die Kühe nichts gekostet haben. Der Handel geht schwunghaft, doch sind einige kleine Gebräuche zu beobachten, gewisse Förmlichkeiten, auf die sich der Handel des weißen Nils wohl versteht. Die Sclaven und zwei Drittel des geraubten Viehs gehören dem Anführer, auf das letzte Drittel machen seine Leute Anspruch. Sind diese Thiere getheilt, so werden die Sclaven unter der Mannschaft versteigert. Jeder kauft so viele, als er braucht, und der Betrag des Kaufgeldes wird auf seinem Papierstreifen eingetragen, um ihm vom Lohn abgezogen zu werden. Um für den Fall, daß das Papier einem der europäischen Consuln in die Hände fiele, Unannehmlichkeiten zu vermeiden, wird das Geld nicht für den Kauf eines Sclaven gebucht, sondern auf fingirte Geschäfte vertheilt und eingetragen. Baker theilt eine Rechnung mit, in welcher der Kaufpreis für einen Sclaven, der tausend Piaster betrug, auf folgende Weise maskirt wurde:

Seife 50 Piaster,
Ein Tarbosch (Kappe) 100
Arak 500
Schuhe 200
Baumwollenzeug 150
  1000 Piaster.

Die Sclaven, welche die Mannschaft erstanden hat, werden unter dieser fortwährend umgetauscht und wieder verkauft. Wenn die Verwandten der geraubten Weiber und Kinder sie auslösen wollen, so müssen die Leute dem Anführer die gekauften Sclaven gegen Tilgung ihrer Rechnung zurückgeben[WS 1], und er handelt nun mit den Verwandten, von denen er Elephantenzähne für die Menschen fordert. Sollte eine der Sclavinnen zu fliehen versuchen, so wird sie entweder auf die brutalste Weise ausgepeitscht, oder zur Warnung für die andern gehängt oder erschossen. Vollständig wird eine solche Razzia erst dann, wenn es dem Sclavenjäger gelungen ist, mit dem Häuptling, der ihm geholfen hat, Streit anzufangen. Dann wird auch dieser Verbündete ausgeplündert und ermordet, und die Weiber und Kinder seines Dorfes wandern in die Sclaverei.

Ein „glücklicher Zug“ trägt einer Bande von einhundert und fünfzig Mann etwa zweihundert Cantaren Elfenbein ein, die in Khartum für vierzigtausend deutsche Gulden verkauft werden. Da die Mannschaft in Sclaven bezahlt wird, so kommen die Löhne nicht in Betracht und der Anführer besitzt außerdem als seinen eigenen Antheil vier- bis fünfhundert Sclaven, die im Durchschnitt jeder fünfzig bis sechszig Gulden werth sind.

Die Sclaven werden in die Schiffe gebracht und ein Theil der Mannschaft begleitet sie nach Khartum. Die übrigen schlagen in der Gegend, welche sie sich ausgewählt haben, ein Lager auf und fahren fleißig fort zu plündern, zu morden und Menschen zu rauben. Kommt ihr Herr mit den Schiffen von Khartum zurück, so erwartet er eine neue Ladung von Elfenbein und Sclaven zur Einschiffung bereit zu finden. Wegen der europäischen Consuln kann er seine geraubten Schwarzen nicht direct nach Khartum schaffen. Das erschwert ihm übrigens sein Geschäft nicht, denn an so und so vielen Punkten in der Nähe von Khartum findet er Agenten, die ihm für seine Sclaven baares Geld geben. Diese Leute sind in der Regel Araber, die ihre Menschenwaare durch das Land nach verschiedenen Punkten schaffen. Die Sclaven, die nach dem Sennaar bestimmt sind, gehen noch durch mehrere Hände, bis sie schließlich an Aegypter oder Türken gelangen. Andere fährt man zu den Häfen des rothen Meeres, namentlich nach Suakim und Massaua, von wo sie nach Persien und Arabien verkauft werden. Viele kommen nach Kairo, und in der That werden diese Unglücklichen durch den ganzen sclavenhaltenden Orient verkauft, denn der weiße Nil ist die große Vorrathskammer, aus dem der Sclavenhandel schöpft.

Der brave „Elfenbeinhändler“ kehrt nach Khartum zurück, übergiebt seinem Gläubiger so viel Elfenbein, daß seine Schuld von zehntausend Gulden getilgt ist, und ist nun ein Capitalist, der das Geschäft auf eigene Rechnung betreiben kann. In Khartum ist Jedermann, mit Ausnahme einiger weniger Europäer, zu Gunsten des Sclavenhandels. Die ägyptischen Beamten stellen sich, als wirkten sie ihm entgegen, aber jedes Haus in Khartum ist voll von Sclaven und unter jenen Beamten befinden sich nicht wenige, die einen Theil ihrer Besoldung in Sclaven empfangen, gerade so, wie die Sclavenjäger mit Menschen statt mit Geld bezahlt werden. Die ägyptischen Behörden betrachten jede Erforschung des weißen Nils durch einen Europäer als einen Einbruch in ihren Sclavenbehälter und sehen in jedem Fremden, den wissenschaftliche Zwecke nach Khartum führen, einen Spion.

Baker erhielt Beweise, daß die höchsten Regierungsbehörden nicht anders denken. Generalstatthalter des Sudans war 1862 Musa Pascha, ein Türke der rohesten Art. Baker hatte sich mit einem Firman des Vicekönigs Said versehen, der die Beamten anwies, dem Reisenden jede Unterstützung zu gewähren. Diesen Befehl seines Herrn ließ Musa Pascha nicht gelten, denn, sagte er, der Firman gilt nur für die Besitzungen des Vicekönigs und für den Nil, der Engländer will aber nicht den Nil, sondern den Weißen Fluß bereisen. Er weigerte sich, Boote zu stellen und irgend eine andere Hülfe zu leisten. Baker wendete sich nun an den englischen Consul in Alexandrien, um durch dessen Vermittelung Schiffe und eine Anzahl von Soldaten zu erhalten. Monate vergingen, ehe eine Antwort der ägyptischen Regierung eintraf, und diese späte Antwort war eine verneinende. Offenbar wünschte man auch in Kairo nicht, daß eine Expedition den weißen Nil hinaufgehe und über den dortigen Sclavenhandel der Welt Aufschluß gebe. Als Baker trotz aller dieser Hindernisse sich Fahrzeuge und Leute verschafft hatte und eben absegeln wollte, fuhr ein großes Regierungsschiff „zufällig“ mitten zwischen seine Boote hinein und zerbrach ihnen die Ruder.

Der teuflische Sclavenhandel ist mit allen seinen Schrecken so lange die Pest des oberen Nils gewesen und hat die dortigen

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verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 495. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_495.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)