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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

Trautenau haben, wie mir der Rittmeister W… von der Dragonern eben mitgetheilt hat, an dem Kampfe Theil genommen. Denken’s an mich, Herr Camerad, binnen einer Viertelstunde ist Alles aus und zu …“

„Was sind das für Leute, welche dort von der Stadt aus durch das Korn die Höhe hinanschleichen?“ war ihm der Major Heide in’s Wort gefallen.

„Wo denn? I seh’ halt nix.“

„Dort! Sehen der Herr Camerad nicht die schwarzen Käppis über den Halmen emporragen?“

„Bei Gott, Heide, Du hast Recht!“ stimmte auch der Hauptmann E… seinem Freunde bei; „die Leute verfahren zu vorsichtig, als daß sie von den Unsern sein könnten.“

„Na, wenn sie Käppis tragen, so müssen sie doch zu uns gehören. Und ich sehe halt noch immer nichts,“ verharrte der Major T… bei seinem Zweifel.

„Es sind preußische Jäger,“ verfolgte der Major Heide seine Beobachtung, „das grüne Collet des Mannes, der sich dort halb über dem Getreidesaum aufrichtet, hebt jedes Bedenken. Schnell, Herr Camerad, lassen Sie die Schützenzüge Ihres Bataillons wider die feindlichen Plänkler ausschwärmen, bevor dieselben noch die Höhe gewonnen. Lieutenant F…, sprengen Sie zu dem Feldmarschall-Lieutenant, um ihm von dem, was hier vorgeht, Mittheilung zu machen. Vorwärts zu unserm Bataillon!“

Die ausschließlich der einen Richtung zugewandte Aufmerksamkeit der vier österreichischen Officiere hatte sie eine andere, weit nähere Gefahr ganz übersehen lassen. Bereits einen Moment, bevor Major Heide seine Begleiter auf die aus der Stadt heranschleichenden Preußen aufmerksam machte, waren unter Führung eines Capitäns einige preußische Jäger auch hinter dem einzeln vor dem südlichen Ausgang von Trautenau gelegenen Gasthofsgehöft eingetroffen. Gedeckt durch die Baulichkeit desselben, sammelten sich dort immer mehr, binnen einer Minute mochte die Zahl der daselbst zusammengestoßenen Mannschaften bereits eine Compagnie betragen. Der Führer derselben hatte sich in Begleitung noch eines zweiten Officiers und dreier Oberjäger den Zaun entlang bis unmittelbar zur Landstraße vorgeschlichen und befand sich hier von der am Saum des Fichtengehölzes vereinigten Gruppe keine fünfhundert Schritt mehr entfernt. Ein ganzes preußisches Bataillon stieg jetzt, durch eine Senkung des Geländes der Beobachtung der Obenstehenden entzogen, aus dem Bette der Aupa empor und nahm im Laufschritt die Richtung nach dem einzelnen, der Capellenhöhe gegenüber gelegenen Berge. Die Preußen hatten den niedrigen Wasserstand des Flusses benutzt, um vermittels desselben den Gegner zu umgehen und ihm die unbeschützte Flanke abzugewinnen. Die zu große Zuversicht der Oesterreicher auf die Unzugänglichkeit ihrer Stellung stand im Begriff, ihnen die schlimmsten Früchte zu tragen.

„Mit dem Waldsaum dort oben befindet sich die feindliche Stellung in unsern Händen,“ äußerte der preußische Hauptmann mit einem Blick hinauf zu dem Capellenberge zu dem in seiner Begleitung befindlichen zweiten Officier. „Vorwärts denn im Laufschritt hinauf, Sie, Lieutenant Sch…, halten sich mit Ihrem Zuge links, ich werde den meinigen nach rechts ausschwärmen lassen. Gleichzeitig mit unserem Hervorbrechen mögen von Ihnen, meine Herren Oberjäger, die feindlichen Officiere dort von ihren Gäulen herabgeblitzt werden.“

Das Hervorbrechen der Preußen und die Ausführung dieses letzten Befehls trafen in der gleichen Secunde zusammen. Major T… glitt von einer Kugel durch den Kopf getroffen aus dem Sattel zur Erde, bevor seine Ungewißheit über die Feindesnähe noch gehoben worden. Eine zweite Kugel hatte den Lieutenant F… niedergestreckt. Die kriegerische Laufbahn des muthvollen jungen Mannes war beendet, noch ehe sie eigentlich begonnen hatte. Nur der Major Heide und der Hauptmann E… waren unverletzt geblieben, doch eine Secunde später bäumte des Ersteren Pferd von einer oder einigen der plötzlich gleich Hagelschlag niederprasselnden Kugeln tödtlich verwundet hoch auf und überschlug mit seinem Reiter. Nur wie durch ein Wunder war dieser noch unter dem schweren Sturz auf seine Füße gesprungen.

„Zurück, E…!“ rief der tapfere Mann seinem allein noch berittenen Gefährten zu. „T… ist todt; ich werde an seiner Statt hier den Befehl übernehmen, übernimm Du die Führung meines Bataillons. Fort, fort!“

„Auf sie mit dem Bajonnet!“ An der Spitze der nächsten von der Capellenhöhe herbeigeeilten Mannschaften versuchte er durch einen Bajonnetsturm die bereits hinter den vordersten Bäumen eingenisteten preußischen Jäger wieder in das freie Feld zurückzuwerfen. Von dem furchtbaren preußischen Schnellfeuer empfangen, flüchtete der noch aufrecht verbliebene kleine Rest der Seinen die Anhöhe hinauf. Ein zweiter Versuch, mit einer von der Capelle herzugeeilten Compagnie dem Gegner den gewonnenen Boden wieder zu entreißen, trug keine bessere Frucht. Der Sturmlauf stockte schon nach den ersten Schritten, Mann an Mann brach unter den sicheren, auf kaum fünfzig Schritt Entfernung abgegebenen Schüssen zusammen. Nur das Leben des Majors erschien wie gefeit; die Zielscheibe so vieler Büchsen, war er doch bisher noch völlig unverletzt geblieben.

„So recht, meine Herren Jäger,“ vernahm man aus der jenseitigen Feuerlinie die Stimme des preußischen Führers, „ruhig gezielt und scharf geschossen. Gebt’s ihnen! Doch nun vorwärts, hinauf zu der Capelle. Die feindliche Stellung muß von uns genommen werden. Ausgeschwärmt! Feuer, Feuer!“ Ein ganzes österreichisches Bataillon war der einen preußischen Compagnie entgegengetreten. Der österreichische Major schien sich, die Feuerlinie der Seinen auf- und abfliegend, zu verdoppeln. Dem preußischen Führer war bei dem vorigen Vordringen die rechte Hand zerschmettert worden; er warf den Degen in die Linke. „Festgestanden!“ übertönte sein Zuruf das Knattern des Gewehrfeuers und den plötzlich über die ganze Ausdehnung des Höhenzuges losgebrochenen Donner des Geschützes. „Die preußischen Grünen werden sich von diesen Oesterreichern doch nicht werfen lassen wollen!“

„Hurrah, Hurrah!“ Ein preußisches Bataillon stürmte von dem Gasthofsgehöft die Anhöhe hinan. Die Oesterreicher, von einem furchtbaren Feuer überschüttet, wichen ruckweise immer weiter zurück. „Hurrah, Hurrah!“ jubelte es jetzt auch von dem der Capellenhöhe gegenübergelegenen Bergrücken. Der Gipfel der ersteren war erklommen, über die ganze Ausdehnung des von der Capelle anhebenden Höhenzuges knatterte das Gewehrfeuer, bereits hatten die auf den freien Bergkuppen weiter abwärts aufgefahrenen österreichischen Batterien, um nur von den plötzlich vor ihnen wie aus der Erde auftauchenden Preußen nicht genommen zu werden, ihre bisherige Stellung aufgeben müssen.

„Steht! Haltet aus!“ Von dem Major Heide war auf der Plattform um die Capelle ein letztes Häuflein der Seinen zusammengerafft worden. „Hoch der Kaiser!“

„Hoch der Kaiser!“ Neue österreichische Massen hatten auf dem jenseitigen Abhang des Berges die Capelle erstiegen. Von dem unerwarteten Andrang sahen sich die Preußen bis beinahe wieder zu dem Saume des Fichtengehölzes zurückgeworfen, doch auch ihnen kam Unterstützung. Hin und wieder, jetzt im scharfen Feuergefecht, jetzt im Zusammentreffen mit blanker Waffe, wogte das Gewühl. Plötzlich schmetterte mit hohlem Sausen von links her eine Granate durch die Wipfel der Bäume und Schlag um Schlag sendete das Geschütz seine eisernen Boten herüber. Die Preußen hatten auf der einzelnen Höhe gegenüber dem Capellenberge eine Batterie aufgefahren, und von deren Feuer in die Flanke gefaßt, konnten die Oesterreicher auf dem ersteren nicht länger halten. Mit einem letzten Sturm ward preußischerseits die Höhe erstiegen und der Feind von derselben herabgeworfen. –

Der Kampfeslärm war seit lange verhallt, die Schlacht in die Ferne gezogen. Nur das Stöhnen der Verwundeten und das Röcheln der Sterbenden unterbrachen das unheimliche Schweigen, das sich über die Capellenhöhe gelagert hatte. Zu vielen Hunderten, wo nicht Tausenden, lagen die Todten und Wunden im Gehölz und auf der Plattform vor dem kleinen Gotteshause ausgestreckt. Selbst in diesem aber hatte der Tod seine grause Ernte gehalten. Die Thür sperrte weit aus ihren Angeln; zwanzig Leichen deckten den Boden, hundert Kugelspuren zeigten sich über die Wände zerstreut. Sogar die Orgel und der Hochaltar mit dem heiligen Tabernakel waren von den Wirkungen des furchtbaren Kampfes und der allgemeinen Verwüstung nicht verschont geblieben.

„Hier gleich links von der Capelle muß es sein, wo unser Hauptmann gefallen ist,“ äußerte eine Stimme. Drei preußische Jäger waren, mühsam den Berg emporklimmend, aus dem dichten Unterholz auf die freie Plattform vor dem kleinen Gotteshause hinausgetreten.

(Schluß auf Seite 494.)
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