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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

dann dürften meine Artikel völlig ihren Zweck erreicht haben und ihre Resultate wahrlich als befriedigende erachtet werden.

Gern erkläre ich noch, daß ich den Stand der Apotheker hoch achte und für einen viel zu wichtigen halte, als daß ich zu seinen leider hier und da ohnehin schon sehr großen Bedrängnissen irgendwie beitragen möchte. Man wolle es doch ja nicht außer Augen setzen, sondern stets von vornherein beachten: daß ich nur für das Publicum und nicht etwa gegen die Apotheker zu schreiben beabsichtige. In den obigen Auseinandersetzungen glaubte ich meinen Standpunkt und meine Absichten darlegen zu müssen, damit über dieselben sowohl das Publicum, als die Apotheker völlig im Klaren seien, bevor ich in meinen „Ausplaudereien“ fortfahren kann. –

Es giebt einige menschliche Leiden, bei denen der davon Heimgesuchte noch obendrein der Schande und Verachtung seiner Mitmenschen anheimfällt. Dies sind namentlich die sogenannten Schmutzkrankheiten. In ihrer Heilung, oder richtiger den gegen sie angewandten Mitteln, liegt aber zugleich eine außerordentlich große Gefahr für die Gesundheit und wohl gar für das Leben dieser Patienten. Dies bezieht sich auf die Quecksilber-Salben und sonstigen Präparate, welche gegen die den Menschenkörper äußerlich heimsuchenden Parasiten gebraucht werden.

Das gefährlichste von diesen Mitteln ist eine Salbe, welche aus salpetersaurem Quecksilberoxyd und Fett besteht und die gegen jene scheußlichen, winzigen Milben gebraucht wird, die in die menschliche Haut sich einnisten und den verächtlichen Ausschlag Krätze hervorbringen. Leider nur zu populär ist dies Mittel, das bezeugen seine zahlreichen Namen: Citronen-, Glogauer-, harte Krätz-, Lauk’sche, Niteröl- und Scheidewasser-Salbe, Jungfernfett etc., während es bekanntlich auch noch andere Krätzsalben unter fast unzähligen weiteren Namen giebt.

Diese gelbe Quecksilbersalbe, wie sie am richtigsten genannt wird, bereitet die Pharmacie, indem sie einen Theil Quecksilber in zwei Theilen reiner Salpetersäure durch Erhitzen auflöst, mit zwölf Theilen geschmolzenem Schweinefett vermischt und in Papierkapseln ausgießt. Die Salbe bildet gelbe Tafeln. Nur zu oft bereiten sich die Landleute dies Mittel selbst, entweder aber gelingt die Zubereitung nicht, oder sie machen die Salbe zu stark und in beiden Fällen kann eine große Gefahr entstehen. Unseres Erachtens sollte selbst in den Apotheken der Verkauf dieser Quecksilbersalbe nur unter den für sehr heftig wirkende Stoffe eingeführten gesetzlichen Beschränkungen gestattet sein. Vor der Selbstbereitung der Salbe aber sollte allenthalben recht ernstlich gewarnt werden. Wohl jedem Apotheker und Arzte sind bereits hier und da durch diese Salbe vorgekommene Unglücksfälle bekannt geworden. Namentlich bei Kindern, Frauen und andern Personen mit zarter Haut können durch ihre Einwirkungen Entzündungen, große, entsetzliche Wunden, wohl gar mit brandigem, tödtlichem Ausgang, hervorgebracht werden. Die Salpetersäure, „Scheidewasser“ und auch das metallische Quecksilber sind ja bekanntlich fast überall in den Apotheken zu haben; wenn wir nun hiermit ein gesetzliches Verbot Beider auch wohl schwerlich zu provociren vermögen, so sei es doch allen Apothekern an das Herz gelegt: um der Menschlichkeit willen die Landleute, welche die gelbe Quecksilbersalbe sich selbst bereiten wollen, dringend zu warnen oder ihnen die Ingredienzien lieber gar nicht zu verkaufen! Namentlich aber seien die Gutsbesitzer und Lehrer auf dem Lande auf diesen übeln Gast in armer Hütte aufmerksam gemacht, um ihm durch Belehrung und Aufklärung möglichst entgegenzutreten und so alljährlich sich wiederholende zahlreiche Unglücksfälle abzuwenden.

Auch die graue Quecksilbersalbe, welche aus nur mechanisch mit Fett zerriebenem, metallischem Quecksilber besteht, ist als Volksheilmittel gefährlich. In ihrer kräftigsten Zusammensetzung ist sie für die ärztliche Praxis sehr heilkräftig. Sie ist dann aber, als Unguetum Hydrargyri cinereum, bestehend aus sechs Theilen gereinigtem Quecksilber, vier Theilen Talg und acht Theilen Schweinefett, von so energischer Wirkung, daß sie ohne ärztliche Verordnung nicht verabreicht werden darf. Bedeutend verdünnt, d. h. mit alten und schlechten Fetten vermischt, ist sie die Läusesalbe des Handverkaufs in den Apotheken. Ihre Popularität als solche ist eine ungeheuere, wofür uns wieder ihre Namen zeugen: graue, Grind-, Kuckuks-, Material-, Mercurial-, Papageien-, zugerichtete Quecksilber-, Räuber-, Reiter- und Soldatensalbe, Annepotanne, blauer Umwand, Klokkenkling etc. In manchen Apotheken werden zu ihrer Bereitung noch verschiedene andere Stoffe, grüne Seife, mancherlei vegetabilische Pulver etc. gebraucht; auch wird sie ganz ohne Quecksilber (als Unguentium Pediculorum), blos aus Fett mit scharfen, den Parasiten schädlichen Pflanzenstoffen hergestellt. Wenn aber in einigen Apotheken, seiner Gefährlichkeit und des etwaigen Mißbrauchs wegen, das Quecksilber ganz fortgelassen, das bloße Fett mit Graphit graugefärbt und dann als Quecksilber- oder Läusesalbe verkauft wird, so ist die menschenfreundliche Absicht wohl anzuerkennen, allein dies „Geschäft“ doch keineswegs zu billigen, denn die armen, unwissenden Landleute erhalten wiederum für ihr sauer erworbenes Geld etwas durchaus Werthloses. Als vorzüglichstes Mittel gegen alle Parasiten, zu deren Bekriegung, respective Heilung der durch sie verursachten Hautausschläge man die vorstehenden beiden Quecksilbersalben gebraucht, hat sich, nebenbei bemerkt, neuerdings das Petroleum, als Einreibung an und für sich oder mit Fett zur Salbe bereitet, gezeigt, und dabei ist die Verwendung desselben zugleich durchaus gefahrlos.

Ebenfalls gegen die Krätze, doch auch zu anderen Zwecken wird auch die weiße Quecksilbersalbe häufig gebraucht und unter den Namen: Gliedergrind-, Handteller-, weiße Krätz-, weiße Nies-, Officier-, weiße Präcipitat-, weiße Principal- und weiße Schebsalbe, Champon, zugerichtetes Kupfer und weißer Scholajak gekauft. Da das in ihr enthaltene Quecksilberchloramid ein äußerst gefährlicher Stoff ist, so sollte sie im Handverkauf eigentlich ebenfalls gar nicht verabreicht werden.

Ungleich weniger bedenklich ist die rothe Quecksilbersalbe, welche bei vielen Wunden, sowie als Augensalbe für ein treffliches Haus- und Volksheilmittel gehalten werden kann. Auch gegen jene Parasiten wird sie hin und wieder gebraucht. Ihr gegenüber ist zu bemerken, daß man sie nur unter einem Namen kaufen wolle und nicht unter den folgenden, etwa mehrmals als verschiedene Mittel: rother Augenbalsam, St. Yve’s Augenbalsam, rothe Augensalbe, rothe Kopf-, rothe Präcipitat-, Principal-, Potes-Salbe und „Frevelthat“.

Andere Quecksilbersalben kommen als Volksheilmittel nicht in Betracht. Dagegen sei es uns vergönnt, jetzt das metallische Quecksilber selbst als solches zu beleuchten. Mit wahrhaft unbegreiflichem Leichtsinn gestattet die polizeiliche Gesetzgebung, die sonst doch so gern bevormundet, allenthalben den Verkauf von metallischem Quecksilber und die Landleute kaufen dasselbe, wie man sich leicht überzeugen kann, überall sehr fleißig aus den Apotheken, wo es in Federposen, mit Baumwachs verschlossen, verabfolgt wird. Außer den in der gelben Quecksilbersalbe, sowie in der Läusesalbe, sofern die Leute auch die letztere sich selbst zu bereiten verstehen, verborgenen, wahrlich nicht zu übersehenden Gefahren, liegt auch eine solche bereits von vornherein in der Handhabung des metallischen Quecksilbers. Wir führen das Folgende aus Dr. Hager’s Commentar zur preußischen Pharmacopöe hier an: „Das Quecksilber bildet einen farblosen Dampf und verdunstet schon bei gewöhnlicher Temperatur, wovon man sich überzeugen kann, wenn man eine Goldmünze über Quecksilber, welches sich in einer Flasche befindet, aufhängt. Das Gold überzieht sich nach einiger Zeit mit einer weißen Quecksilberhaut. Es erfordert beim Abwägen alle Vorsicht, weil es eine leichtbewegliche und zugleich schwere Flüssigkeit ist. Ueberhaupt sollte man mit Quecksilber nicht im Dispensirlocal oder gar in einem Wohnzimmer arbeiten. Das Metall, welches auf die Erde verschüttet wird, ist verloren und läßt sich nicht wieder aufsammeln, kann aber durch seine Verdunstung sehr nachtheilig auf die Gesundheit einwirken. Fühl- und sichtbare Zeichen dieser Einwirkung sind bleiches, kachektisches Aussehen, Schwindel, Eingenommenheit des Kopfes, Mattigkeit, Appetitlosigkeit, Entzündung und Anschwellung der Drüsen, Speichelfluß, Zittern der Glieder, Engbrüstigkeit, Lähmung, Schlagfluß. Die Einwirkung ist langsam schleichend. Beim unvorsichtigen innerlichen und selbst äußerlichen Gebrauch des Quecksilbers und seiner Präparate (selbstverständlich auch der Salben) tritt später oder früher Mercurialvergiftung ein, von welcher der Speichelfluß nur ein Theilsymptom ist.“ Bedenken wir nun aber, daß beim Zubereiten der Quecksilbersalben, für die Menschen oder das Vieh, in großen Massen, so manche Federpose voll zur Erde fällt und daß die kleinsten Kinder der Landleute dann die ganzen Tage auf dem Boden umherkriechen und den unheilvollen Dunst einathmen, wie wünschenswerth muß uns dann eine entschiedene Verbannung

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