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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

klagen haben. Und damit Sie, werthe Hausfrau, sich keine Sorgen meinethalb dieser Ausgabe wegen machen, so erlaub’ ich Ihnen, einen Blick in meine Casse zu thun.“

Damit öffnete er sein Portemonnaie, aus welchem der erstaunten Frau so viele Goldstücke entgegenblitzten, daß sie die Hände zusammenschlug. Schließlich erklärte der Landwehrmann, daß er ein Rittergutsbesitzer aus P. sei.

Das ist gewiß in dieser Zeit, wo der Krieg uns so viele Trauerbilder bringt, eine schöne Geschichte, aber das Schönste an ihr bleibt, daß sie wahr ist.


Ursprung des Schellacks. Wohl die Wenigsten unter dem großen Publicum, die beim Versiegeln eines Briefes eine Stange Siegellacks in den Händen halten, wissen, auf welche Weise der Grundstoff zu dieser oft in den schönsten Farben und gefälligsten Formen prangenden Stange erhalten wird. Die Wenigsten wissen, wie viele hundert Thierchen dazu beitrugen, um das Grundmaterial für eine mäßig große Siegellackstange zu liefern. Ja die Wenigsten wissen überhaupt, daß dieser Grundstoff die Arbeit eines Thierchens, eines Insects ist.

Den Grundstoff des Siegellacks bildet bekanntlich stets der Schellack, wenigstens bei den guten Sorten, welche man eben zum Versiegeln der Briefe benutzt. Dieser Schellack nun, der übrigens nicht blos zu Siegellack, sondern auch zur Politur, zu Marineleim, zu Elektrophorkuchen und zu vielem Anderen verwandt wird, ist ein vegetabilisch-animalisches Erzeugniß. Vegetabilisch-animalisch daher, weil ihn die Pflanze ohne das betreffende Thier, sowie das Thier ohne die betreffende Pflanze nicht erzeugen kann. Beide Factoren müssen nothwendig zusammenwirken. Das Thierchen, welches den einen Factor bildet, gehört zu den Schildläusen, jener berüchtigten Familie aus der Ordnung der Halbflügler, welche unsern Pflanzen, besonders den Pfirsichbäumen, Weinstöcken, Orangen, Citronen, Oleandern etc. sehr schädlich werden, aber auch, wie die zu erwähnende Schildlaus und besonders die Cochenilleschildlaus, auf welche wir in einem späteren Artikel vielleicht zurückkommen, sehr nützliche Glieder zählen.

Dieses Thierchen, welches den Schellack erzeugt, führt den zoologischen Namen Coccus lacca, Kerr, Lackschildlaus. Es ist eine Viertel- bis eine halbe Linie lang (die letztere Größe erlangen nur die Weibchen), oval, von rother Färbung, auf dem gewölbten Rücken mit einer Leiste versehen. Die Fühlhörner sind von halber Körperlänge und hinten am Körperende hat das Thierchen zwei divergirende Schwanzborsten. Die Männchen haben glashelle Flügel. Das Vaterland dieses Insects ist Ostindien, vorzüglich das Gangesgebiet, wo es von den Bewohnern gepflegt wird.

Die Pflanzen, auf welchen die Thierchen ihren Aufenthalt haben, sind vorzüglich der Mehlbaum und mehrere Feigenarten. Sie suchen die jungen Triebe auf und setzen sich an ihren Spitzen, das Holz mit ihrem Rüssel anbohrend, in ungeheurer Menge an, so daß die äußersten Zweige dieser Bäume das Aussehen erhalten, als ob sie von einem rothen Ueberzug bedeckt wären. Haben sie sich einmal angebohrt, so wechseln sie ihren Ort nicht, sondern bleiben unbeweglich an den Baumwunden haften, wie der seßhafteste Schmarotzer.

In Folge des Anbohrens der Rinde quillt aus dem Holze der Saft heraus, von welchem das Insect sich nährt und welcher um die Insecten einen Rand bildet, der von Zeit zu Zeit durch Anhäufung des Saftes immer höher wird und zuletzt das ganze Insect umgiebt, so daß es encystirt erscheint und ein lebloses Oval darstellt. Wenn diese Periode eingetreten ist, d. h. wenn das Insect von einer Zelle umschlossen ist, hört die Absorption der Säfte auf. Die äußere Hülle der Cyste erhärtet und die verwundeten Pflanzentriebe verdorren.

Das Innere der Cyste oder Zelle hingegen bleibt eine Zeit lang feucht, indem dieselbe mit einer schönen rothen Flüssigkeit angefüllt ist, in welcher Flüssigkeit sich zwanzig bis dreißig ovale Eier dieser Schildlaus befinden, die von dem todten Leib der Mutter bedeckt sind. Die Mutter stirbt nämlich alsbald nach dem Ablegen der Eier, wie dies überhaupt unter den Insecten meist der Fall ist. Sobald die Jungen aus den Eiern gekrochen sind, bohren sie sich durch den Körper der Mutter hindurch und gelangen so aus der Zelle. Sie begeben sich nun gesellschaftlich auf einen saftigen Schößling der Pflanze und treiben ihr Wesen, wie vorhin beschrieben.

Diese das weibliche Insect umgebenden Zellen mit ihrem rothen Inhalte, der aus dem Harze der Pflanze und den wachsartigen Absonderungen des Thierchens besteht, bilden einen wichtigen Handelsartikel, der uns zwei nützliche Stoffe liefert: die Lackfarben und den Schellack. Durch Auskochen und Behandeln mit verschiedenen chemischen Reagentien wird den von der ersten Generation des Insects im Februar und der zweiten Generation im August eingesammelten Harzzellen dieser Thierchen zunächst der Farbstoff entzogen und sodann das zum größten Theil entfärbte Harz, welches den Schellack bildet, in Tafeln oder Blättchen ausgegossen. Um ein Pfund Schellack zu erhalten, sind oft fünf- bis sechstausend Thierchen erforderlich. Eduard Aßmuß.     

Ein Besuch bei Alfred Tennyson. Auf meiner Heimkehr nach dem lieben Deutschland nach einem mehrjährigen Aufenthalt in Amerika verweilte ich auch längere Zeit in England, wo es mich trieb, den englischen Lieblingsdichter der Gegenwart, ihren poeta laureatus, Alfred Tennyson, in seinem eigenen home, dem reizend gelegenen „Farringford House“ auf der Insel Wight aufzusuchen, da ich so glücklich war, einige Empfehlungsbriefe an ihn zu besitzen. Sein Haus ist so recht das Ideal einer Dichterheimath, zugleich geräumig, malerisch, elegant und dennoch anspruchslos. Die breite Front ist ganz mit Epheu bezogen, während sich rechts eine schöne, mit Geißblatt umrankte Veranda hinzieht, zu der links ein Treibhaus mit ausgewählten exotischen Pflanzen das Pendant bildet. Als ich auf das liebliche Haus zuschritt, freute ich mich über die wohlgepflegten breiten Pfade, die von uralten Eichen zu beiden Seiten völlig überdacht waren, da dieselben oben ihre Zweige und Wipfel wie zu einer schützenden Laube verbunden hatten. Von dieser kühlen, schattigen Allee aus blickt man auf große, saftiggrüne Rasenplätze mit reizenden Blumen- und Strauchpartien und jenseits derselben sind wieder herrliche Baumgänge, wo ich mir den Dichter auf- und abwandelnd vorstellte, wenn er die lieblichen Phantasiegebilde ersinnt, welche später die Welt entzücken.

Jetzt begegnete mir ein Diener, welcher mich in ein Cabinet führte, wo er mich bat, zu warten, bis er seinem Herrn meinen Besuch gemeldet haben würde. Hier wurde mir das Warten leicht, denn ich befand mich in einem sehr interessanten kleinen Naturaliencabinet, das mir förmlich ein Inhaltsverzeichniß der Lieblingspassionen Tennyson’s zu sein schien; da war eine größtentheils von ihm selbst zusammengetragene Sammlung von Mineralien und Versteinerungen, merkwürdigen Crustaceen, Muscheln und Krystallen, Alles sorgfältig geordnet und classificirt. Wenige Minuten später wurde ich in ein äußerst gemüthliches Zimmer geführt, wo ich von Tennyson’s Gattin und seiner unverheiratheten Schwester freundlich bewillkommnet ward. Die Damen zeigten mir einige auserlesene Photographie-Albums, in denen die Nachbildungen der berühmtesten Meisterwerke der Malerei und Baukunst enthalten waren; dann trat Tennyson selbst ein. Wie soll ich sein Aeußeres beschreiben? Er ist wohl beinahe fünf und einen halben Fuß groß, erscheint jedoch viel kleiner, da er ziemlich gebeugt geht; sein Alter beträgt höchstens fünfzig Jahre, allein eben die gebückte Haltung und die Brille läßt ihn älter erscheinen: dazu ist er so merkwürdig altmodisch gekleidet, daß er mehr einem alten Gemälde als einem Zeitgenossen aus dem nennzehnten Jahrhunderte gleicht.

Sein Rock mit der kurzen Taille und den langen Schößen glich etwa den Röcken, in denen wir Schiller abgebildet sehen; er schloß eng an und bestand aus einem graumelirten Stoff, ebenso die Weste und die Beinkleider; unter den breiten Hemdkragen war eine schwarze Cravatte lose geschlungen, deren Enden vorn herabhingen. Aber dies Alles vergißt man bei dem Anblick seines Gesichtes, der mächtigen, gedankenschweren, breiten, hohen Stirn, dem langen, seidenweichen, schwarzen oder vielmehr stark mit Grau gemischten Haar, das bis auf die Schultern fällt, und vor Allem den dunkelgrauen, sanften Augen. Sein Mund lächelt fast immer, allein die Augen sind wie abwesend und scheinen in entfernten Regionen umherzuirren, wenn er spricht; dieser eigenthümliche Blick läßt sich gar nicht beschreiben, man muß ihn selbst beobachten. Seine Stimme ist voll und klangreich, aber er wählt seine Worte bedächtig, und ich möchte deshalb fast glauben, daß er ebenso langsam und bedächtig arbeitet, jeden Satz nochmals abwägt und daran herumfeilt, bevor er ihn niederschreibt.

Unser Gespräch drehte sich um die Schönheiten der Insel Wight, um England und meinen Aufenthalt daselbst, dann kamen wir auf Deutschland zu sprechen und ich war erfreut, Tennyson so bewandert in unserer Literatur zu finden und ihn so eingenommen dafür zu sehen. Er wurde ordentlich lebhaft, als er von Schiller’s dramatischen Werken sprach, unter denen er Don Carlos den Vorzug zu geben schien. Zuletzt wandte sich unser Gespräch auf Amerika und mein dortiges Leben, und ich fragte ihn, ob er nicht einmal dorthin reisen werde, wo ihn viele tausend Bewunderer seiner Werke freudig willkommen heißen würden. Er unterbrach mich jedoch mit einem entschiedenen:

„Nein, das werd’ ich nie!“

„Aber warum nicht?“

„Ach, die Amerikaner sind mir zu gewaltthätig, ich liebe sie nicht, ich denke noch mit Grauen an den langen, langen Bruderkrieg.“

„Aber jetzt herrscht ja Friede und die Sclaverei ist zu Ende –“

„Mag sein,“ fiel er schnell ein, „aber die amerikanische Presse ist entschieden brutal und unvernünftig!“

Ich suchte ihn zwar von der Einseitigkeit dieser Ansicht zu überzeugen, fand es aber doch für besser, auf ein anderes Gesprächsthema überzugehen, und so verrauschten mir die Augenblicke mit Windesflügeln in der Unterhaltung mit dieser reinen, klaren Seele. Ich verließ Farringford House mit den freundlichsten Erinnerungen und reich beschenkt mit Bildern, Blumen und Autographen.



Für die Verwundeten und Hinterlassenen der Gefallenen gingen wieder ein:

Carl Rdl. 3 Thlr. – Frau Born 2 Thlr. – Ein nicht gefeiertes Fest 2 Thlr. – F. Stolle 4 Thlr. – Gretchen 2 Thlr. – F. W. Vollberth 4 Thlr., wovon 2 Thlr. für die Verwundeten, 2 Thlr. für die Hinterlassenen. – E. S. in Leipzig 2 Thlr. – Herm. Engler 10 Thlr. – H u. C. 50 Thlr. – Molly 2 Thlr. – Fr. Hüttner 5 Thlr. – Aus den Resten einer Sammlung für die Verwundeten und Kriegsbeschädigten in Schleswig-Holstein 500 Thlr. – Prof. Bock 22 Thlr. Ertrag eines noch ungedruckten Artikels für die Gartenlaube. – E. Keßler 1 Thlr. – X. A. W. Ald. 10 Thlr.

Gesammtbetrag der ersten beiden Quittungen 1228 Thlr. Auf besondern Wunsch nehmen wir auch Charpie-Einsendungen an. D. Red.     


Ein Bitten um möglichst rasche und ergiebige Fortsetzung der Gabensammlungen für unsere Verwundeten wie für die Familien der Verstümmelten und die Hinterbliebenen der Gefallenen ist in Deutschland wohl nirgends mehr nöthig. Jetzt gilt es, die kürzesten Wege anzuzeigen, auf welchen in möglichster Eile möglichst Großes geleistet werden kann, und hier habt Ihr an’s Werk zu gehen, Ihr Gesellschaften und Vereine aller Art! Veranstaltet Sammlungen von Haus zu Haus, leert Eure eigenen Cassen, laßt selbst die Kindersparbüchsen in den Schulen eröffnen und betretet und verlaßt keinen Vergnügungsplatz, ohne eine Gabe in die öffentlichen Sammelbüchsen zu legen, die überall jetzt angebracht sein müssen. Nach ihren Opfern wird heute die Ehre der Nation gemessen!


Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 464. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_464.jpg&oldid=- (Version vom 19.8.2022)