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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

Soldaten, die ohne Waffen und Tornister, selbst ohne Mantel und Käppi zum Abmarsch bereit standen, noch einmal die Hände. Endlich erhob der Schultheiß seine Stimme: „Nein, ihr guten Leute, ihr sollt nicht mit dem Stocke in der Hand nach Gotha gehen.“ Und zu den Nachbarn gewendet: „Wer will anspannen und freiwillig die Hannoveraner fahren?“ Und alle Bauern, die über Wagen und Pferde zu gebieten hatten, eilten spornstreichs nach Hause und bald darauf fuhren die Hannoveraner auf mehr als vierzig Wagen wie im Triumphe der Eisenbahn zu.

Als die ersten hannoverschen Husaren nach der siegreichen Schlacht bei Langensalza, mit Staub und Blut bedeckt, in ein benachbartes Dorf sprengten, rief einer derselben den entsetzten Ortsbewohnern, die erschrocken aus einander stoben, mit bewegter Stimme zu: „Bleibt doch, ihr lieben Leute! Wir haben heute eine traurige Pflicht erfüllt. Nehmt es uns nicht übel, wenn wir eure Felder zerstampft, eure Söhne getödtet oder verstümmelt haben. Wir thaten es mit schweren Herzen und rühmen uns des Sieges nicht, denn es war Bruderblut, das hüben und drüben floß. Möge es büßen, wer dieses Blutbad angerichtet hat!“[1]




Unter dem Johanniterkreuze.


Das internationale Lazareth in der Leipziger Turnhalle.
Nach der Natur aufgenommen

Wenn wir durch die Straßen Leipzigs in den letzten Tagen viele hochaufgethürmte Wagenladungen von frischen hölzernen Bettstellen zu den hiesigen Lazarethen fahren sahen, so faßte bei dem Anblick uns ein grauenvolles Mitleid: „von wie viel und welchen Schmerzen werden diese einfachen Lager nun Zeugen sein!“ Aber wie entsetzlich wahr dieses Mitleid auch voraus gefühlt haben möge, – selbst auf diesem Marterholze ist der wunde Mann noch glücklich Dem gegenüber, was er überstanden hat.

„Aus der Hölle durch das Fegefeuer in den Himmel – das ist der Weg des Verwundeten vom Schlachtfeld bis in’s Lazareth.“

In diesem Ausspruch treffen die Erzählungen aller Verwundeten zusammen, mit denen ich in den Leipziger Lazarethen zu sprechen Gelegenheit hatte. Eine heißere oder gelindere Hölle, ein schwereres oder leichteres Fegefeuer allein unterscheiden sie, im Preisen ihres Himmels sind sie einstimmig. – Die Bedeutung dieser drei Stationen aller Verwundeten ist eine selbstverständliche: die erste begreift die fürchterliche Zeit vom Augenblick der Verwundung bis zum ersten Verband, die zweite den Transport bis zum Lazareth, und hier schon zeigt sich ein Grad des Glücks beim Uebergang vom Leiterwagen in den Eisenbahnwaggon; die dritte ist das Lazareth und noch über ihm steht die Aufnahme in eine bürgerliche Familie.

Von ihrer Höllenzeit sprechen Alle, ohne Ausnahme, noch heute mit tiefer Erregung und, wenn auch noch so verständig, doch nicht ohne Klage über den großen Mangel an willigen und hülfsbereiten Händen in den schlimmsten Augenblicken, denn selbst wen die eigenen Schmerzen nicht marterten, der litt an seiner gräßlichen Umgebung. Ein preußischer Verwundeter erzählte mir:

  1. Der Verfasser dieser Skizze beabsichtigt eine ausführliche Darstellung der Schlacht bei Langensalza demnächst zu veröffentlichen, welche unter dem Titel: „Die Hannoveraner in Thüringen und die Schlacht bei Langensalza“ bei J. W. Klinghammer in Langensalza erscheinen wird.
    D. Red.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 460. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_460.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)