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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

Es packte mich doch ein wenig, daß ich alter Knabe trotz aller Erfahrungen, trotz aller Vorsicht, so in’s Netz einer Planmacherin gegangen war, aber ich mußte trotzdem mitlachen, wenn die junge Frau ein Mal über’s andere ausrief: „Ja, ja, ich habe Dich gefangen und Du hast’s gar nicht gemerkt!“ und sich vor Lachen ausschütten wollte. Ferner kann ich nicht leugnen, daß mir für den Frieden meiner Zukunft überaus bange wurde, als ich hörte, bis zu welchem Grade von schlauer Consequenz meine Dame es gebracht hatte. Ich muß auch gestehen, daß sie wirklich Manches durchsetzt, was besser unterbliebe, wenn man alle Gesetze der Logik und Vernunft gelten läßt. Indessen, dazu ist das schöne Geschlecht nicht von der Vorsehung bestimmt, uns Männer zu heiliger, unverrückbarer Vernunft zu erziehen, und wir können schon damit zufrieden sein, wenn sie nur insofern ihren Zweck erfüllen, daß sie unser irdisches Dasein mit einem Bischen Liebe und lustiger Tollheit schmücken. Ich bin damit sogar vollkommen zufrieden und, wenn möglich, mehr als vollkommen. Denn die Schellenkappe klingelt nicht minder schön, als das Geläute der Kuhheerde im Walde, man muß sie nur zu tragen verstehen, daß sie hübsch klingelt. Ja, ich bin zufrieden, denn was sie auch treibt, hat eine Art, daß man gern zusieht, und so lass’ ich sie gern schalten und walten, indem ich mir nur die Oberherrschaft vorbehalte, und wenn sie einmal mir etwas abgewinnt, so freue ich mich mehr über die schlaue Liebenswürdigkeit, die sie dabei aufwendet, als ich über den Mangel an Weisheit traure, zu dem sie mich bringt.

Ja, ich habe ein ungeheures Glück gehabt. Denn eine Frau, klug wie eine Schlange, sanft wie eine Taube, munter wie eine Lerche, gesund wie eine Dorfamme (das weiß ein Arzt vorzüglich zu schätzen!) und – vor allen Dingen – ohne Vater und Mutter, Vettern und Basen, und arm wie eine Kirchenmaus, das ist das Beste, was man finden kann Sie hat keine Freude, als mit mir, das Geringste, was ich ihr schenke, ist ihr ein Glück; gebe ich ihr ein neues Kleid, so freut sie sich darüber wie ein Kind, aber gewiß zieht sie das alte an, um das neue zu schonen. Verlasse ich das Haus, so nimmt sie von mir so zärtlichen Abschied, als wär’s auf Lebenszeit; kehre ich von meinen Gängen und Fahrten zurück, so empfängt mich eine warme Stube und ein warmer Mund und ich stecke in Schlafrock und Hausschuhen, ehe ich’s recht weiß, denn bequem soll ich’s haben, meint sie, nach meinen täglichen Strapazen. Eins befürchtete ich anfangs, daß nämlich ihre dichterischen Bestrebungen nicht sehr zum Heile des Hauses gereichen möchten, und ich hätte doch ihr Dichten nicht verdammen können, denn sie hat ein ganz hübsches Talent. Aber bald kamen gewisse Sorgen, und es mußte viel genäht und gestrickt werden, und statt in Versen dichtet die kleine Frau jetzt, wie es sein muß, in Werken der Wirthschaft, daß Alles schimmert und flimmert, klingt und singt. Unser Hauswesen kommt mir vor wie eine Idylle, obwohl ich kein Daphnis bin und keine Chloe Theresen gleicht.

Gern hätte ich sie hierher mitgenommen, damit sie das liebe alte Jena und Euch, alte Knaben, kennen lerne. Aber gewisse Umstände waren mir hinderlich. Als ich ihr sagte, was mich hierher führe, lachte sie gerade heraus und band mir’s auf die Seele, daß ich auch wahrhaft erzähle, wie sie mich gefangen habe. Die aber, meinte sie, die hier zusammen kämen, um ihr Wort zu lösen, das müßten wunderliche Käuze sein, sie möchte wohl hinter der Wand stehen und horchen und sich ausschütten vor Lachen.

Diese Diebin kann ich Euch nicht verschweigen und Ihr würdet ihr verzeihen, daß sie uns auslacht, wenn Ihr dabei die weißen Zähnchen und die Grübchen in ihren Wangen sähet.




Scenen und Bilder aus Feld- und Lagerleben.
1. Einberufen.


„Der Wehrmann ersten Aufgebots, Peter Schmitz, wird hiermit in seine Heimath beurlaubt und hat sich so einzurichten, daß er am Montag den 14. Mai Morgens zehn Uhr unfehlbar auf dem Exercirplatze in Düsseldorf eintrifft, widrigenfalls“ etc.

„Himmel …!“ rief der Materialwaaren-Handlungsgehülfe, während er die Einberufungs-Ordre, die der wohlbeleibte Polizeisergeant ihm überreicht hatte, mit einer Gebehrde des Unmuths auf den Ladentisch warf. „Seit fünf Jahren habe ich den Kuhfuß nicht mehr getragen und nun in dem Augenblick, in welchem ich im Begriff stehe, ein eigenes Geschäft zu gründen und die Braut heimzuführen –“

„Still gestanden! Nicht raisonnirt!“ gebot der Hausknecht, der in diesem Augenblick in den Laden trat. „Glauben Sie vielleicht, Sie seien der Einzige, für welchen der Generalmarsch geschlagen wird?“

Ein Lächeln bittern Hohns glitt über das blasse Antlitz des hageren Jünglings, durch dessen Rechnung Gott Mars so grausam einen Strich gezogen hatte. „Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen,“ erwiderte er, „der Spott ist billig.“

„Erlauben Sie, ich werde Sie am 14. Mai begleiten und getreu bei Ihnen ausharren, bis wir mitsammen heimkehren dürfen,“ fiel der Hausknecht ihm in’s Wort, während er ihm einen Zettel überreichte.

Peter Schmitz blickte erstaunt auf. „Der Landwehr-Unterofficier Jakob Schulz wird hiermit – – – ah, Sie sind Unterofficier? Das hatte ich noch nicht gewußt.“

„Na, Sie werden es nun nicht mehr bezweifeln können! Das Blatt hat sich gewendet, heute können Sie mir noch befehlen, am Montag dagegen werde ich Ihnen zeigen, wo Barthel den Most holt!“ setzte er gutmüthig lächelnd hinzu.

Peter Schmitz, ließ wehmüthig das blonde Haupt sinken, er legte die Feder, die er hinter den Ohren trug, hin, band die Ladenschürze ab und ging in’s Comptoir, um seinem Principal das Schicksal, welches ihn betroffen hatte, mitzutheilen.

„Das ist fatal, sagte der Materialwaarenhändler, als er einen Blick auf die Einberufungsordre seines Gehülfen geworfen hatte. „Ich wollte Ihnen die interimistische Führung meines Geschäftes übertragen, denn, wie Sie sehen, bin ich ebenfalls einberufen.“

Er schob bei diesen Worten einen Schein, der vor ihm lag, seinem überraschten Gehülfen hin.

„Sie sind wenigstens Gefreiter, während ich Gemeiner bin,“ fuhr er fort, „also erhalten Sie pro Tag einen Silbergroschen Zulage und der Wachtdienst ist für Sie nicht so unangenehm, wie für mich.“

„Und der Hausknecht Unterofficier!“ seufzte Schmitz.

Der Materialwaarenhändler zuckte die Achseln. „Daran ist nun einmal nichts zu ändern,“ sagte er ruhig, „indeß glaube ich kaum, daß man Sie bei der Fahne behalten wird; Sie sehen ja aus, als ob Sie schon Ihr Testament gemacht hätten. Lassen Sie sich untersuchen; ich bin überzeugt, man wird Sie wieder entlassen.“

Das war ein schwacher Hoffnungsschimmer, der plötzlich in die dunkle Nacht fiel. Peter Schmitz übertrug die Sorge für den Detailverkauf dem Hausknecht, über den er heute noch gebieten konnte, und eilte zu seiner Braut, um sie zu trösten und bei ihr Trost zu holen. Da wurde gar mancher Plan entworfen, aber unter all’ diesen Plänen befand sich nicht einer, der ausgeführt werden konnte.

„Ich werde Dich begleiten und selbst mit dem Major sprechen,“ seufzte Marie.

„Wozu könnte das nützen?“ erwiderte Peter. „Ich habe keine Gründe zur Reclamation.“

„Deine angegriffene Gesundheit …“

„Es ist Sache der Aerzte, darüber zu entscheiden.“

„So werde ich mit dem Arzt reden.“

„Er würde Dir die Thür zeigen.“

„Aber was soll ich denn thun?“

„Nichts; was die Schickung bringt, ertrage“

„Auch wenn die Oesterreicher Dich erschießen?“

„Nicht jede Kugel trifft.“

„Ich wollte ruhig sein und geduldig mich in Alles fügen, wenn ich nur wüßte, daß Du mit heiler Haut zurückkehrtest,“ sagte die Braut. „Laß Dich im ersten Treffen gefangen nehmen –“

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verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 406. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_406.jpg&oldid=- (Version vom 8.10.2021)