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Gestalt ist etwas über Mittelgröße und fängt an sich der Corpulenz zu nähern. Wie richtig Deák von seinen Landsleuten erkannt und gewürdigt wird, zeigte sich unwiderleglich, als bei einem Gastgebote einer der Koryphäen des Tages sich, das Glas in der Hand, erhob und, im Begriffe einen der von den Ungarn so sehr geliebten, endlosen Toaste auszubringen, mit den Worten anhob: „Ich bringe dies Glas auf die Gesundheit und das lange glückliche Leben des ehrenhaftesten, gerechtesten, weisesten unter den Magyaren, des Mannes, auf den das ganze Land voll Liebe, Vertrauen und Hoffnung emporblickt“ –, „Genug, genug! Wir wissen wer gemeint ist! Das kann nur Deák sein!“ ward er einstimmig unterbrochen, und „Eljen Deák Ferencz!“ brauste es einem Orcane gleich durch den Saal, daß die Fenster zitterten.

Daß ein solcher Mann nicht unbeobachtet durch das Leben schreitet, ist begreiflich; allein jedes gekrönte Haupt könnte sich höchlich befriedigt fühlen mit den ehrerbietigen und doch gar herzlichen Huldigungen, welche der bescheidene Mann des Volkes in so reichlichem Maße erhält. Zeigt er sich auf einem öffentlichen Spaziergange, so macht sein Erscheinen Epoche. Die vornehmsten Damen verlassen ihre Kutschen, eilen auf ihn zu und fühlen sich beglückt und in ihren eigenen Augen erhoben, dem „Deák bácsi“ die Hand drücken zu können. An dem Tage, als er seine berühmte Adreßrede hielt und Nachmittags im Stadtwäldchen, Pests reizendstem Spaziergange, erschien, verbreitete sich die Kunde von seiner Anwesenheit mit Blitzesschnelle unter den Lustwandelnden. Frauen und Mädchen der höchsten Aristokratie umringten ihn, alle wollten ihm die Hand schütteln, alle dankten dem verehrten Manne, viele vergossen Thränen der Rührung; und als der anspruchlose Patriot einen schlichten Omnibus bestieg, um nach Hause zu fahren, füllte sich derselbe im Nu mit den vornehmsten Damen, welche sich zu der Ehre drängten, in Gesellschaft des Gefeierten zur Stadt zurückzufahren. Eine noblere Fracht hat wohl selten ein Omnibus gehabt! Deák lebt und wird noch lange nach seinem Tode leben im Munde des Volkes; denn, wie um König Matthias und Kaiser Joseph den Zweiten, hat sich auch um ihn ein eigener Anekdotenkreis gebildet.

Er aber bleibt sich gleich! Einfach, ein zweiter Cincinnatus, lebt er auf seinem Gütchen im Zalaer Comitate, dem einzigen, welches er sich vorbehielt, als er seine übrigen Güter an seinen Bruder abtrat, der ihm dafür eine Leibrente zahlt. Sobald das Vaterland seiner bedarf, verläßt er seine geliebte ländliche Einsamkeit und eilt nach Pest, wo er in einem der ersten Hotels seine bleibende Wohnung hat, die dem Andrang der Besuchenden, der Rath- und Hülfesuchenden häufig zu klein wird. Er hört Jeden freundlich an, geht voll herzlicher Theilnahme in die Angelegenheit jedes Einzelnen ein, hat Rath, Trost und thätige Hülfe für Jeden, denn sein Wohlthätigkeitstrieb ist so stark, daß er durch denselben manchesmal über die vernünftig gesetzte Grenze gerissen, ja, bis zur Erschöpfung seiner nicht allzubedeutenden Mittel bewogen wird. In solchen ihn jedesmal lebhaft betrübenden Fällen, wo seine eigenen Kräfte zur Hebung einer großen Noth nicht ausreichen, nimmt er anstandslos seine Zuflucht zu den Börsen seiner bemittelten Freunde. So z. B. verdanken ihm die Kinder des vor einigen Jahren arm verstorbenen Dichters Vörösmarty, Sängers des in Ungarn allbekannten und allbeliebten „Szozat“, deren Vormundschaft er willig übernahm, ein Vermögen von über 100,000 Gulden, welches er durch Subscription für sie zusammenbrachte. In eigenthümlicher Weise aber ist er erfinderisch, Hülfsquellen für wohlthätige Zwecke zu eröffnen. Da mit seinen Bildnissen und Photographien ein begreiflicher Cultus getrieben wird, indem Jeder das Portrait des allgemein verehrten Mannes besitzen will und es auch thatsächlich in der ärmsten Hütte, wie im fürstlichen Palaste zu finden ist, so ist Deák den Bitten und Zumuthungen der Photographen und bildenden Künstler in oft belästigender Weise ausgesetzt. Doch giebt er sich willig zu allen diesen zahllosen Abconterfeiungen her unter der Bedingung, daß gewisse Procente des dadurch erzielten Reinertrages dem Blinden- und dem Waiseninstitute zufallen, worüber die Pester Stadtbehörde die Controle hat. Durch diese Verfügung sind den genannten beiden Wohlthätigkeitsanstalten bereits sehr erhebliche Summen zugegangen.

Ja, „Az ország nagyja!“ so grüßte ihn im vorigen Jahre der Kaiser bei einer zufälligen Begegnung im Stadtwäldchen – „der Große des Landes (Ungarn)“, und gewiß ziemt dies Prädicat dem Manne, dessen Treue, Redlichkeit, unerschütterliche, aber gleichwohl weise Vaterlandsliebe nicht, wie die Mächtigen der Erde pflegen, mit Gold, Rang und Würden belohnt werden kann. Die Bürgerkrone allein wäre die passende Zier für diese greise Stirn!




Das große neue Wasserwerk für London. Kein Land der Welt kann sich so großartiger und nützlicher Unternehmungen rühmen, wie England. Während bei uns noch so viele Geld- und Geisteskräfte durch politische Unruhen und Conflicte verbraucht werden, richtet England seine reichen Capitalien und Geisteskräfte ungehindert und frei auf Vervollkommnung socialer und gesundheitlicher, der Verkehrs- und Handelsverhältnisse. So liegt jetzt einer der großartigsten Pläne zur Versorgung Londons mit gutem und reinem Wasser vor. Es gilt nichts Geringeres, als einen Aquäduct von mehr als einhundert und siebenzig Meilen Länge, der sich von den Hügeln von Wales, Plinlimmon und Cader Idris bis vor London erstrecken soll. Jene Hügel liefern das Wasser zum Severn und zwei kleineren Flüssen, die für London in Anspruch genommen werden sollen. Die Terrainverhältnisse und das Wasser selbst sind ungemein günstig; letzteres ist als Gebirgswasser ungemein weich und rein und fließt in solcher Fülle, daß London täglich mit zweihundert Millionen Gallonen versorgt werden kann. Da die Hügel mit diesen Flüssen vierhundert und fünfzig Fuß über dem Hochwasser der Themse liegen, geben sie Gelegenheit, das Wasser in natürlichem Gefälle heranzuleiten. Es soll zunächst durch zwei Aquäducte je zwanzig Meilen lang in zwei Reservoirs geleitet werden; diese sollen dann vermittels zusammenlaufender Aquäducte vor acht Städten vorbei im Nordwesten Londons große Dienst-Reservoirs füllen. Von diesen aus werden zehn Meilen lange Röhren in die schon liegenden Röhren der jetzigen Wasser-Compagnien führen, von wo aus dann alle Theile Londons durch natürlichen Hochdruck ohne Pumpwerke mit dem besseren und gesünderen Wasser versorgt werden sollen. Die Kosten des ganzen Werkes sind auf siebenzig Millionen Thaler veranschlagt worden, für die Ausführung glaubt man sieben Jahre zu brauchen. Die Kosten erscheinen groß und werden wahrscheinlich noch überschritten werden; aber wenn der Nutzen an Gesundheit und sonstige Vortheile berechnet werden, wie man das nur in England versteht, wird auch dieses große Capital sich reichlich verzinsen.

So hat man bereits berechnet, daß dies neue Wasser wegen seiner Weichheit eine jährliche Ersparniß von mindestens zwei und einer halben Million Thaler verursachen werde und zwar hauptsächlich allein an Seife. Dies erklärt sich durch die von Rawlinson ermittelte Thatsache, die er selbst im Wesentlichen so mittheilt: „Wasser bis zu sechs Grad Härte ist weiches Wasser, darüber hinaus hartes Wasser. Die Härte fängt mit einem Gran doppelkohlensaurem oder Schwefelkalk in jeder Gallone Wasser an. Jeder Grad der Härte zerstört fünf Loth Seife in je hundert Gallonen Wasser, das zum Waschen gebraucht wird. Weiches Wasser ist daher ökonomisch werthvoller als hartes, und zwar in dem Verhältniß von zehn Loth Seife für je hundert Gallonen Wasser und für jeden Grad der Härte; d. h. also im Allgemeinen, je mehr Kalktheile das Wasser enthält, desto mehr Seife ist nöthig, um diese zu binden und zu fällen. Erst wenn die Seife dies gethan hat, übt sie ihre reinigende Kraft auf die Wäsche aus. Außerdem ist weiches Wasser aber auch viel gesünder, abgesehen davon, daß das Gebirgswasser, welches London versorgen soll, weit reiner ist, als alle Quellen, aus denen London bis jetzt getränkt wird. Endlich ist es bekannt, daß weiches Wasser nicht nur beim Waschen, sondern auch beim Kochen, namentlich bei der Zubereitung von Thee und Kaffee und von Hülsenfrüchten, sowie ganz besonders bei Verwandelung in Dampf große Ersparnisse verursacht.

Der Schöpfer dieses großen Planes, London mit Wasser zu versorgen, heißt J. F. Bateman, welcher schon Glasgow durch ein großartiges Bauwerk mit reinem und gutem Wasser versorgt hat.

Da man in London vor den größten Kosten und Hindernissen nicht zurückschreckt, wenn es öffentliches Wohl und das große Gut der Gesundheit gilt, läßt sich erwarten, daß es auch mit frischer Kraft und seinem bekannten Unternehmungsgeiste an Ausführung dieses Rieseswerkes gehen werde. Die großen Städte Deutschlands, welche zum Theil an viel schlechterem Wasser und geradezu vergifteten Brunnen leiden, können sich leider nicht einmal kleiner Unternehmungen gegen dieses zunehmende Uebel rühmen, so daß noch mancher sogenannte Labetrunk Tod und Verderben mit sich bringen wird.




Das plötzliche Erscheinen eines neuen Sternes. Das höchste Interesse unter den Astronomen erregt gegenwärtig ein Naturphänomen, dessen Seltenheit so groß ist, daß man das Auftreten desselben bisher nur nach Jahrhunderten zählen konnte. Am vergangenen 12. Mai sahen John Birmingham und Baxendell in England und fast gleichzeitig der französische Ingenieur Courbebaille in Rochefort im Sternbilde der nördlichen Krone einen Stern an einer Stelle, wo man bisher mit freiem Auge einen solchen nicht gesehen hatte. Die Helligkeit dieses Sternes war so groß, daß derselbe dem hellsten Sterne (Gemma) in dem genannten Sternbilde fast gleich kam. Allein diese Helligkeit des neuen Sternes nahm bereits in den darauf folgenden Tagen sehr schnell ab, so daß derselbe gegenwärtig schon wieder für das unbewaffnete Auge verschwunden ist. Eine Vergleichung des Ortes, welchen dieser merkwürdige Stern am Himmel einnimmt, mit dem großen, unter Professor Argelander’s Leitung zu Bonn angefertigten Sternenverzeichniß zeigt, daß sich bereits früher an jener Stelle ein ganz schwacher, nur mit sehr großen Fernröhren wahrnehmbarer Stern befunden hat, so daß also der besagte Stern streng genommen nicht zu den neu erschienenen, sondern nur zu den sogenannten veränderlichen Sternen zu rechnen ist, welche nicht zu allen Zeiten dieselbe Lichtmenge aussenden. Das Interesse an dieser seltenen Naturerscheinung wird aber gerade in gegenwärtiger Zeit ein ganz besonderes, wo man sich durch die sogenannte Spectral-Analyse im Besitze der Mittel befindet, lediglich aus der genauen Untersuchung des Lichtes der Himmelskörper Aufschluß über ihre Natur und physische Beschaffenheit zu erlangen. Auch über den gegenwärtig so plötzlich aufgeflammten Stern liegen bereits derartige Beobachtungen vor, aus denen hervorgeht, daß ein Theil seines Lichtes, wie bei unserer Sonne, von einem glühend flüssigen Kern, ein anderer Theil aber von einer glühenden Gasmasse ausgesandt wird, deren Temperatur beträchtlich höher sein muß, als die des glühenden Kernes. Gerade dieser Umstand ist es, welcher das Licht jenes neuen Sternes von dem Lichte unserer Sonne und dem aller übrigen bis jetzt spectralanalytisch untersuchten Fixsterne unterscheidet. Wir verdanken diese Beobachtungen, wie bereits so viele andere auf diesem Gebiete, den beiden englischen Naturforschern Huggins und Miller.

Berücksichtigt man nun, daß die Fixsterne selbstleuchtende Weltkörper sind, welche sowohl ihrer physicalischen, wie auch ihrer chemischen Beschaffenheit nach mit unserer Sonne im Wesentlichen übereinstimmen, so deutet das plötzliche Auflodern eines neuen Sternes auf eins der gewaltigsten und großartigsten Phänomene, welche überhaupt im Bereiche des für uns sichtbaren Universums vor sich gehen können. Wir müssen nach den angeführten Ergebnissen der Spectralanalyse annehmen, daß durch irgend welche Ursache auf einem bisher wenig oder gar nicht leuchtenden Himmelskörper plötzlich eine ungeheure Wärmeentwickelung stattfindet, die nothwendig auch mit einer gewaltigen Lichtentwickelung verbunden sein muß. Wir haben es demgemäß hier im eigentlichsten Sinne des Wortes mit einem Weltenbrande zu thun, und wenn je unsere Sonne durch einen ähnlichen Proceß plötzlich mehr als das Hundertfache ihrer gegenwärtigen Licht- und Wärmemenge auch nur auf die kurze Dauer weniger Tage aussenden würde, so wäre eine vollständige Vernichtung des gesammten organischen Lebens auf der Oberfläche unserer Erde die nothwendige Folge.





Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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