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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

des schmucken, jugendlichen Waldfreiherrn, und leise klingend schlagen die kosenden Ringe an Binsen und Geröhricht an, wie gegen das unterwaschene Wurzelnetz des Uferrandes. Das vorsichtige Altthier aber prüft von hier aus, durch das Auffliegen eines Entenpaares rege gemacht, mit hocherhobenem Kopfe aufmerksam den Wind, ehe es sich mit dem inzwischen sorglos in das Weite äugenden Kälbchen dem Genusse des Aeßens hingiebt. Hierbei wirft aber dann und wann die besorgliche Mutter immer wieder einmal den Kopf in die Höhe, von Neuem zu erspähen,

Hochwild am Wasser.
Nach der Natur gezeichnet von Guido Hammer.

ob Alles geheuer, während der kecke Spießer weit hinein bis an den Hals, in die kühlende Fluth gezogen, sich so vor den lästigen Mückenschwärmen zu schützen.

Das strahlende Gold der nun bereits geschiedenen Sonne hat sich in sanftglühende Purpurpracht verwandelt, während Wald und See schon milde Dämmerung umfängt. Mit unhörbarem Fluge überschwebt jetzt die raubgierige Eule das reglose Wasser, die im Zickzack darüber hinflatternden harmlosen Fledermäuse zu erbeuten. Mit dem Kommen der ersten Gestirne am Firmament aber, die nun den geflügelten Nachtboten folgen, erhebt sich vom jenseitigen Gestade der leise Abendwind und trägt, dabei die stille Wasserfläche mit Tausenden von Wellchen kräuselnd, noch manche Stimme von allerhand Wassergeflügel herüber, während aus dem Riedgrase des diesseitigen Ufers ein traumgescheuchter Kiebitz mit ängstlichem Ruf noch einmal seinen gewählten Stand verläßt und auffliegend dem nahen Bruch zueilt, dort eine andere Ruhestätte zu finden.

Immer nächtiger wird nun das Blau des Himmels, ein ganzes Heer goldiger Sternlein flimmert bereits daran und ihre getreuen Abbilder tanzen glitzernd im Wellenspiel des Sees. Dann aber legt sich plötzlich der eben noch Kühlung fächelnde Wind, das Flüstern, Schwirren und Klingen im Geröhricht verhallt in ersterbenden Tönen und endlich liegt düsterglänzend das schweigsame Wasser wieder vollkommen geglättet vor uns. Kein Luftzug, kein Plätschern, noch Baumesrauschen dringt mehr an das lauschende Ohr, nur die unermüdlichen Chöre der Grashüpfer und Frösche durchfluthen die nächtliche Stille mit ihrem monotonen Concert, das in seiner Einförmigkeit gleichsam das Schlummerlied für die schlafengehende Natur zu sein scheint. Ruhig durchstreift indessen im Schutze tiefsten Friedens und erquickt durch nächtliche Kühlung das edle Wild die thaufrischen Wiesen, bis der anbrechende, Alles wieder erweckende Morgen es die bergenden Dickungen aufsuchen läßt, dort still und in Ruhe bis zum wiederkehrenden Abend zu verweilen.



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verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 325. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_325.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)