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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

wir im Winter 1845 in Pesth am Ufer der Donau auf und ab wandelten, eine Menge ungarischer Flüche und Schimpfworte zu lehren, um mir zu zeigen, wie reich die ungarische Sprache an solchen Ausdrücken ist. Ich sagte jetzt der Dame auf Ungarisch, daß ich entzückt sei, in ihr eine Ungarin zu begrüßen, und erhielt eine nur halbverständliche Antwort. Ich redete weiter, schimpfte und fluchte endlich nach Herzenslust und als ich bemerkte, daß die gute Frau nicht im Geringsten erzürnt darüber wurde, wußte ich, daß dieselbe keineswegs eine Ungarin sei, auch keine von dem aus Indien stammenden, umherwandernden Geschlecht der Zigeuner. Ich sprach hierauf Französisch und sie besaß Gewandtheit des Geistes genug, nur zu sagen: „Ich habe Ihre Rede verstanden, Herr, allein ich habe gelobt, nicht eher mit Ausländern Ungarisch zu sprechen, bis Ungarn Alles das haben wird, was ihm der Kaiser versprochen hat.“

„Da werden Sie es sobald nicht sprechen, Madame.“

Sie zuckte die Achseln und machte eine zornige Gebehrde, sehr gut für eine Komödiantin. Ich ließ mir hierauf die Karte legen, und hörte ihr ruhig zu. Sie sagte mir Einiges aus meiner Vergangenheit, was zufällig richtig war, dennoch fällt es mir nicht ein, deshalb zu glauben, daß das zur Wahrheit werden wird, was sie über meine Zukunft sagte. Da ich an das Zöfchen schon Geld gewandt hatte, wollte ich nicht noch viel ausgeben, ich hatte zufällig ein kleines goldenes Fünffrankenstück in meiner Tasche, und das legte ich der Dame hin, welche nur „Gold oder Nichts“ nahm. Indeß machte sie gute Miene zum bösen Spiel und sagte lächelnd:

Merci, Monsieur, eigentlich bin ich Ihnen Dank schuldig, wieder einmal Ungarisch sprechen gehört zu haben, hier hört man es fast nie.“

Als ich durch das Vorgemach kam, saßen drei junge verschleierte Damen da und zwei Herren. Eines der Frauenzimmer war bleich, hager, dürftig gekleidet, hatte vielleicht einige Tage knapp gespeist, um die Prophetin bezahlen zu können.

Als ich Abends, d. h. um sechs Uhr im Hotel de Calais dinirte, traf ich einen jungen Pianisten aus Schweden. Er erzählte mir, daß er, um sich Ruf zu machen, gern Abends in den Salons spielen wolle, um zehn bis zwanzig Francs. Eine musikalische Autorität, welche ebenfalls da speiste, erzählte mir, der junge Mann sei ein vortrefflicher Pianist, aber um einige Stunden vorzügliche Tondichtungen gut vortragen zu hören, gäbe Niemand zehn Francs, wenn der Pianist nicht schon großen Ruf habe; wollte ein Dichter, und sei er der größte, sein Werk vorlesen, wer würde Eintrittsgeld bezahlen? Und wie viel große Talente, ja mitunter wohl gar ein Genie, muß hier im Dachstübchen bei dürftiger Kost sitzen, der Director irgend eines Theaters, welcher ein neues, geniales theatralisches Werk dringend nothwendig braucht, läßt das Genie doch im Vorzimmer stehen, oder empfängt es mit unhöflichen Abweisungen, ohne sein Werk nur anzusehen, dagegen „macht“, wie das Zöfchen der Kartenlegerin sich ausdrückte, diese Frau täglich zwanzig bis dreißig Francs, weil sie auf die Dummheit und Leichtgläubigkeit des Publicums speculirt. Und uns Deutsche nennen die Franzosen eine Nation von leichtgläubigen Träumern! In Paris nähren sich an zweihundert Personen vom Prophezeien! Wo ist nun der Verstand, der klare, gesunde? Wohnt er am Ufer des Elbstroms, der Donau, des Rheins oder an dem Strande der Seine?

Nächstens machen wir wieder eine Wanderung durch Paris, liebenswürdige Leser dieser Blätter, wenn es Ihnen gefällt, mich zu begleiten.




Lügen im Handel und Wandel. Wenn ich in Deutschland in einen Laden gehe und irgend einen Gegenstand kaufen will, so kann ich mich auch fest darauf verlassen, daß ich nichts finde, was – entweder der aufgedruckten Etikette, dem Stempel oder der Versicherung des Verkäufers nach – in Deutschland selber fabricirt ist. Merkwürdiger Weise kommt Alles von London oder Paris, und darnach sollte es fast scheinen, als ob in Deutschland gar keine oder nur eine ganz untergeordnete Industrie bestände, so daß die Leute wirklich genöthigt wären, ihren Bedarf von auswärts zu beziehen.

Es sind aber lauter Lügen, mit denen alberne Käufer geblendet werden sollen, weil sie nun einmal in echt deutscher Gemüthlichkeit nichts für gut und brauchbar halten, wenn es nicht wirklich importirt ist, oder wenigstens so heißt. Oft steckt allerdings nur hinter der Fälschung fremder Stempel und Adressen der gemeinste Betrug und Pfälzer Cigarren tragen nicht frecher eine Havanna-Etikette an der Stirn und lassen sich in Schilfblatt einrollen oder an der Spitze mit Goldschaum umkleben, wie Magdeburger Rothwein den damit Betrogenen unter dem Namen von Medoc und St. Julien vergiftet.

Weit in den meisten Fällen sind aber unsere deutschen Waaren gut und tüchtig und können sich getrost jedem ausländischen Fabrikat an die Seite stellen, ja übertreffen es nicht selten an sorgfältiger Arbeit und Güte des Materials: so die Solinger Stahl-, die Offenbacher Lederwaaren und unzählige andere. Und weshalb da die falschen Etiketten? Wir fabriciren in Deutschland so gute Seifen und Parfümerien, wie nur je ein Pariser Fabrikant geliefert hat, so feine Hüte, so treffliche Waffen, so gute Tuche und tausend andere Dinge, weshalb da so oft der falsche ausländische Name darauf, nur um der Unwissenheit einzelner Käufer zu schmeicheln? Viele sagen wohl: „Ja, der und der Gegenstand hat einmal einen Ruf unter der und der Firma, und wenn wir den Stempel nicht darauf drücken, setzen wir nichts davon ab.“

Wodurch hat er aber diesen Ruf bekommen? Wodurch ist er so allgemein bekannt geworden? Dadurch, daß der französische oder englische Fabrikant auf jedes seiner Fabrikate nicht allein den eigenen Stempel setzen, nein, sogar in Deutschland Massen von guten Waaren mit demselben anfertigen ließ und seinen eigenen Namen dadurch an alle Handelsplätze, in alle Welttheile trug. So gehen Revolver und andere Waffen mit englischem Stempel von Mehlis nach London und werden dort als englisches Fabrikat theuer bezahlt. So ging ein Auftrag der argentinischen Regierung für eine in Solingen gefertigte und mit englischem Stempel versehene Klinge nach England. So werden deutsche Nähnadeln unter englischer Etikette nach Frankreich und Amerika geschickt und Niemand verlangt nachher dort nach deutschen Nähnadeln, weil die englischen so gut befunden wurden. Die deutschen Fabrikate können mit allen ausländischen concurriren, aber sie werden und müssen diesen so lange nachgesetzt werden, bis deutsche Fabrikanten nicht selber so weit zur Vernunft kommen, auch ihre eigene Firma zu verbreiten, ja, jeden Auftrag zurückweisen, der sie dazu nöthigen soll, auf ihre Kosten den Ruf einer fremden Fabrik zu gründen.

Die Amerikaner verstehen gewiß, wie kaum eine andere Nation, ihr eigenes Interesse, aber keinem von ihnen würde es einfallen eine fremde Firma zu benutzen, und das wahrlich nicht aus Gewissenhaftigkeit. Nein, weil jeder weiß, daß er sich selber Schaden damit thut, denn je bekannter der Name eines guten Fabrikanten wird, auf desto größeren Absatz darf er mit Sicherheit rechnen. Wie aber kann er bekannt werden, wenn er sich immer hinter Anderen versteckt? Aber es ist nicht allein der materielle Schaden, den sich der Deutsche dadurch im Ausland und daheim zufügt; es ist auch der moralische Nachtheil, den es ihm in seinem eigenen Kreise bringt.

Ich spreche hier nicht von den gemeinen Fälschern wirklich guter ausländischer Fabrikate; das sind Diebe und Betrüger wie andere auch, nur daß ihnen die Gerichte nicht so leicht beikommen können; ich spreche hier vorzugsweise von denen, die nur, um ihrem sonst wirklich guten Erzeugniß in den Augen des Käufers – vielleicht auch in ihren eigenen – einen höheren Werth zu verleihen, falsche Etiketten und Stempel gebrauchen. Sie bedenken dabei nicht, daß sie sich vor ihren eigenen Leuten und Arbeitern, denen das doch kein Geheimniß bleiben kann, verächtlich machen, ja sie sanctioniren den Betrug in Kreisen, von denen sie selber Ehrlichkeit und Wahrheit verlangen, und das geht auf den Einzeln-Verkäufer über. Der Commis wie der Lehrling, der recht gut die Quelle kennt, aus welcher das falsch etikettirte Stück stammt, muß wegen jedes einzelnen, wegen des Verkaufs eines Artikels, an dem vielleicht wenige Groschen verdient werden, lügen, und zwar lügen vor dem ganzen Personal, und da ist es nicht zu verwundern, daß eben dieses Lügen und Hintergehen dann weiter reißt.

Besonders im sogenannten Kleinhandel hat es denn auch leider in Deutschland schon fast überhand genommen, und man bekommt bei zahllosen Materialisten z. B. fast keine Waare mehr, die möglicher Weise gefälscht werden kann und nicht gefälscht ist. Die jungen Leute sollen dabei ehrlich sein und ihren Principal um keinen Pfennig betrügen, aber täglich und stündlich im Interesse desselben und unter seinen Augen die Käufer hintergehen. Dadurch verlieren sie aber nicht allein die Achtung vor ihrem Lehrherrn – das wäre das Wenigste, denn er hat sie nicht verdient – nein, sie werden auch leider in nur zu vielen Fällen selber demoralisirt. Gründen sie einmal ihr eigenes Geschäft, so setzen sie das früher Gelernte auch auf eigene Hand fort und haben sich für die Entschuldigung solchen Betrugs schon ein eigenes Wort erfunden: „kleine Vortheile“.

Wir ändern freilich die Welt nicht, und solche eingefressene Schäden sind schwer zu beseitigen; aber es ist doch vielleicht nicht ganz zwecklos, allen denen, welche im Großen oder Kleinen betrügen, einen Spiegel vorzuhalten. Vielleicht schämen sie sich dann doch vor ihren eigenen Leuten, wenn auch nicht vor sich selber, und unterlassen es entweder, oder vergiften wenigstens nicht das Herz ihrer Lehrlinge durch ihr schlechtes Beispiel.

Friedr. Gerstäcker.




Die Köstritzer Heil- und Badeanstalt, welche im Elsterthale, in der Nähe einer Soolquelle, an der Zeitz-Gera-Eisenbahn, ganz reizend auf einer Anhöhe zwischen Wald, Park, berühmten Blumen- (besonders Rosen- und Georginen-) Gärten und Wiesen ihre Lage hat, soll sich, nach meinem Wunsche, dadurch vor andern Bädern auszeichnen, daß sie nicht ein bestimmtes Heilmittel gegen bestimmte Leiden, sondern alle diejenigen äußeren und inneren, vorzugsweise diätetischen Heilhülfsmittel (besonders auch warme Sandbäder, nervenberuhigende Ruhe in Hängematten und schmackhafte nahrhafte Kost) darbietet, welche zur naturgemäßen Heilung oder Besserung der verschiedenartigsten Krankheiten erforderlich sind.

Dies meine Antwort auf die vielen Anfragen nach diesem, von mir empfohlenen Badeorte.

Bock.




Nachdruck. Der Buchhändler Friedrich Gerhard in New-York giebt seit dem Ersten dieses Monats in halbmonatlichen Heften heraus: „J. D. H. Temme’s Erzählungen, Novellen und Criminalgeschichten“. Ich erkläre, daß diese Sammlung ein frecher Nachdruck ist; ich habe mit dem Manne niemals in irgend einer Verbindung gestanden. Alle ehrliebenden Journale Deutschlands bitte ich um Verbreitung dieser Erklärung, damit sie auch den Deutschen in Amerika bekannt werde.

Zürich, am 25. April 1866.

Dr. J. D. H. Temme.




Kleiner Briefkasten.

K. B–e in W–n. Wir wissen recht wohl, daß Nassau schon am 1. September 1814 eine landständische Verfassung erhielt. Da aber erst nach dem Aussterben der Linie Nassau-Usingen (im J. 1816) von einem nunmehr unter dem Hause Nassau-Weilburg vereinigten eigentlichen Herzogthum Nassau die Rede sein kann und diesem 1817 von Herzog Wilhelm eine ganz neue Verfassung ertheilt wurde, so muß nach wie vor die Verfassung Sachsen-Weimars als die erste in Deutschland gelten.

J. S. in B. Eine „Geschichte der Strickkunst“ gehört doch mehr in den „Bazar“ oder die „Modenwelt“ oder ähnliche hauptsächlich vom weiblichen Geschlechte gelesene Blätter. Nach der Gartenlaube greifen zu viele Hände, denen das edle Stricken zeitlebens eine wohl hochgehaltene und bewunderte, doch unbegriffene Kunst bleibt.

A. Br. in H. Selbstverständlich, bedarf es gar keiner Erinnerung. Sollte es zum Kriege kommen, so werden Sie sich überzeugen, daß die Gartenlaube bereits umfassende Veranstaltungen getroffen hat, durch Text und Illustration den Lauf der Ereignisse zu begleiten.



Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 320. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_320.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)