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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

Locomotive sind. Zugleich aber bewegen sie auch zwei Paar Räder, die unter der Maschine angebracht sind, und welche ihrerseits die Mittelschiene packen.

Ueberall, wo die Bahn eine Erhebung von über 1:25 hat, wird diese Mittelschiene angebracht, und, je steiler die Straße, desto härter wird die Reibung, welche sich bis zu einem Gewicht von zwölf Tonnen, drei Tonnen auf jedes Rad, steigern laßt. So kann man jede Höhe überwinden und die steilsten Partien der Straße aufsteigen. Damit ist aber noch keineswegs die Frage gelöst, wie man den oft sehr schroffen Biegungen des Wegs mit einem Zug folgen kann, ohne aus den Schienen zu gerathen. Auch hier hilft, die Mittelschiene. Unter jedem Wagen sind ebenfalls horizontale Räder angebracht, welche aber nicht dazu bestimmt sind, wie die Räder unter der Maschine, die Reibung zu erhöhen, sondern nur zur Sicherung dienen. Eine Entgleisung wird dadurch sehr erschwert, weil der ganze Zug durch die erhöhte dritte Schiene wie von einer Mauer festgehalten wird.

Dieselben Mittel, welche zum Aussteigen dienen, ermöglichen auch das Herabsteigen des Zugs, der ohne diese Vorsichtsmaßregeln mit rasender Schnelligkeit dahin fahren und Alles mit sich fort in die Tiefe reißen würde. Vor Allem wird die Kraft des Dampfes freigelassen; dann stemmen sich die horizontalen Räder mit aller Kraft gegen die Mittelschiene und bieten der dahin rollenden Last einen tüchtigen Widerstand; die Schaffner hindern jede Bewegung der senkrechten Räder durch Hemmschuhe von Eisen und Holz, und für den besonderen Fall feuchten Wetters, welches die Schienen glatt machen würde, ist an der Maschine noch ein besonderer Sandbehälter angebracht, aus welchem man auf die Räder und die Mittelschiene Sand streuen und dadurch die Reibung verstärken kann.

Dank dieser mannigfaltigen Mittel steigt der Zug nicht nur die Höhen ohne Gefahr hinan und hinab, man kann auch den Lauf desselben in jedem Augenblick einhalten.

Eine für die Fell’sche Eisenbahn sehr wichtige Frage ist es, ob der Winter nicht den ganzen Betrieb hemmen wird.

An den oben erwähnten Sturmtagen gewiß, wo eben alle Verbindung aufhört, aber auch nur an diesen wenigen Tagen. Der Schnee wird kein Hinderniß bieten, da man den gemachten Erfahrungen nach die Bahn ohne allzugroße Schwierigkeit freihalten kann und für den Postverkehr bisher schon freigehalten hat. Zum besseren Schutz der Straße will man noch einen Theil derselben überdachen, und zwar werden die Schutzdächer je nach der Beschaffenheit des Platzes und der dort fallenden Schneemassen verschieden sein. Ungefähr fünf Kilometer des Weges haben genügenden Schutz unter einfachem Holzdach, sieben Kilometer werden mit Holz und Eisen gedeckt, während drei Kilometer lang, da wo leicht Lawinen fallen und die Schneemassen vom Sturmwind aufgehäuft werden, der ganze Weg in solidem Steinbau überwölbt wird.

Eine Schneeschaufel, welche vorn an der Locomotive befestigt wird, erhält ebenfalls eine besondere Form. Es ist ein eiserner Triangel, dessen Seiten spiralförmig gewunden sind und an die Archimedische Schraube erinnern. So wird der Schnee nicht einfach weggeschleudert, sondern er wird sicherer und weiter weggeschoben und so gelegt, daß er eine Art sanften Abhangs bildet.

Der ganze Bau soll womöglich schon in diesem Jahr vollendet werden. Die Unternehmer denken dann zunächst täglich drei Zuge in jeder Richtung gehen zu lassen, um etwa 130 Personen und 80–90 Tonnen Güter zu befördern. Jeder Zug wird außer der Maschine nur zwei bis drei bequeme Wagen haben. Die Kosten, welche auf acht Millionen Franken veranschlagt sind, hofft die Gesellschaft nicht nur ersetzt zu sehen, sie zählt auch darauf, trotz der kurzen Dauer ihrer Concession, bedeutenden Gewinn zu machen.

Der Handel, der bisher über Marseille seinen Zug nach Italien und dem Orient nahm, wird zum Theil den Weg über die Alpen kürzer finden. Man wird künftig achtunddreißig Stunden sparen, wenn man auf der Reise von Paris nach Alexandria über den Mont-Cenis statt über Marseille fährt. Denn nach Vollendung der Eisenbahn über den Berg wird man die Strecke St. Michel-Susa in vier und einer halben Stunden zurücklegen.

Es ist begreiflich, daß man in den Alpenländern dem endlichen Erfolg der Fell’schen Eisenbahn mit größter Spannung entgegensieht. Von ihrem Gelingen hängt nicht blos der Aufschwung der nächstgelegenen Provinzen ab, es handelt sich viel mehr noch darum, zu wissen, ob man das System der Riesentunnels verlassen kann. In diesem Fall wird es nur wenige Jahre dauern, und alle wichtigen Alpenpässe werden ihre Eisenbahn haben. Dann werden in Wahrheit die Gebirge besiegt sein, wie die weitesten Meere es schon so lange sind.[1]

F. L–n.




Ein Besuch im Salzburger Mozarteum.
Reiseerinnerung.


Müde und hungrig kamen wir spät Abends in Salzburg an. Noë’s Buch der baierischen Seen hatte uns sorgsam durch’s Gebirg geleitet, und jeder Schritt, den wir vorwärts gethan, uns in dem angenehmen Gefühl bestärkt, wir seien mit einem solchen Führer auf’s Beste berathen. An seiner Hand hatten wir während einer fünftägigen Wanderung ohne Zagen den zitternden Steg der Schwarzberg-, Seisenberg- und Wimbach-Klamm betreten, auf seine Empfehlung hin im Hirschbichl ein treffliches Mittagsmahl eingenommen, gewürzt durch die muntere Unterhaltung einer Gesellschaft, die sich hier aus vier deutscher Herren Ländern zusammengefunden, wir hatten uns auf den tiefgrünen Wellen des Königssees gewiegt, den hohen Göhl im letzten Sonnenstrahl purpurn erglühen sehen, und jetzt, am Ziele unserer Wanderung in Salzburg, machte unser getreuer Noë plötzlich ein unliebsames Punctum und empfahl sich uns auf Wiedersehen.

Als vollkommener Neuling im Gebirg hatte ich der erhebendsten Eindrücke genug empfangen, um Jahre lang von der Erinnerung zehren zu können, und dennoch traten diese Bilder jetzt zurück vor dem Gedanken, daß ich morgen im Begriff war eine Stätte zu besuchen, die mir ebenso theuer, wenn nicht noch theurer war, als irgend einer der Gedenktempel des deutschen Genius. Einem begeisterten Verehrer der Mozart’schen Muse, wie ich war, mußte es als eine Gewissenspflicht erscheinen, jene Stätte zu besuchen, wo die Reliquien des alten Meisters uns von dem Mozart predigen, der ja auch als Mensch vermöge seines kindlich liebenswürdigen Charakters an dem Herzen des deutschen Volkes ruht.

Zum bessern Verständniß will ich zuvor noch kurz darzulegen versuchen, was man unter Mozarteum versteht. In Salzburg besteht unter dem Protectorate des Erzbischofs ein Dom-Musik-Verein und das Mozarteum. Nach dem Paragraph zwei der Statuten bezweckt ersterer die Emporbringung der Musik in allen ihren Zweigen, insbesondere aber der Kirchenmusik; letzteres ist eine Musikanstalt zur würdigen Erhaltung des Andenkens Mozart’s in seiner Vaterstadt, das heißt eine Anstalt, an welcher Unterricht im Gesange, auf Instrumenten, im Generalbaß etc. ertheilt wird. Zur Charakterisirung der Organisation des Vereins sei noch angeführt, daß zuerst der Erzbischof Protector ist; tritt er aus, so hat binnen Jahresfrist der Verein aufzuhören. Der Repräsentanten-Körper besteht aus sieben permanenten hochwürdigen Herren, wozu der Erzbischof nach eigenem Ermessen noch Andere ernennen kann, im Uebrigen hat der Verein noch acht Mitglieder als Repräsentanten zu erwählen. (Ehemals ließ ein Salzburger Erzbischof den Mozart mit einem Fußtritt zur Thüre hinauswerfen, jetzt protegirt ein Salzburger Erzbischof Mozart’s Andenken; tempora mutantur!) Dem Mozarteum ist auch die Sorge für das Archiv übertragen, zu welchem namentlich eine Sammlung von Originalgemälden aus der Mozart’schen Familie, sowie einiger Instrumente und einer ziemlichen Zahl von Manuscripten Mozart’s gehört. Trotz der hochwürdigsten Protection war es, wie wir später erfuhren, nur mit Mühe gelungen, in ganz Salzburg ein Zimmer zu erhalten, wo diese Sammlung, wenn auch nicht passend, so doch sicher untergebracht werden konnte. Dieses Zimmer zu besuchen war nun unser Streben.

Bei den guten Salzburgern war es freilich schwer zu erfragen, wo das Mozarteum zu finden sei. Im Höllbräu, wo ich Quartier genommen, wußte man gar nichts davon, und weitere Nachfragen hatten nur

  1. Nach englischen Illustrationen haben verschiedene deutsche illustrirte Blätter Abbildungen der Mont-Cenisbahn gebracht, die als reine Phantasiestücke zu bezeichnen sind.
    D. R.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 270. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_270.jpg&oldid=- (Version vom 23.4.2020)