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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

folgende: ein angenehmes Betragen, welches so bezaubernd sein kann, daß es selbst bei körperlicher Unschönheit eine augenblickliche Zuneigung erweckt. Es hat seinen wahren Grund in der Freundlichkeit und Offenheit des Herzens und in einem wohlwollenden Gemüthe; es läßt sich dadurch zu eigen machen, daß man nicht blos sein eigenes Wohl, sondern auch das seiner Mitmenschen im Auge hat. Ein theilnehmendes Gefühl an den Freuden und Leiden Anderer (Mitgefühl, nicht Empfindelei) macht ein weibliches Wesen äußerst anmuthig und jedenfalls auch zu einer den Mann beglückenden Frau und zur guten Mutter; es kann auch als die Quelle der Wohlthätigkeit, der Gefälligkeit, Nachgiebigkeit, Höflichkeit und Gerechtigkeitsliebe angesehen werden. – Ordnungsliebe, bestehend in der Aufmerksamkeit auf die rechte Zeit und den rechten Ort, sie ist neben Reinlichkeit die erste Bedingung zu einem glücklichen häuslichen Leben. – Denken, richtiges (logisches) Denken, also Verstand, der leider den allermeisten Frauen (in Folge ihrer falschen Erziehung) fehlt, verschönert auch das häßlichste Gesicht und könnte die Frauen zu Engeln machen, weil sie dann das, was um sie herum vorgeht, ordentlich begreifen und beurtheilen könnten und nicht mit ihrem ganz verkehrten Glauben, Meinen und Gefühlen sich und Andern das Leben verhunzen würden.

Die Schönen, wenn sie auch nicht gerade schön sind, ziehen unsere Blicke zunächst auf ihre Statur. Ein schöner Wuchs läßt selbst ein unschönes Gesicht übersehen und verleiht dem durch Kleidung nicht verunstalteten weiblichen Körper, wenn sich dieser in seiner Haltung frei und ungenirt zeigt und seine Bewegungen mit Geschmeidigkeit und Anmuth ausführt, einen unbeschreiblichen Reiz. Schön ist nun aber der Wuchs nur dann, wenn er echt weiblich ist und die richtige weibliche Fülle besitzt. Es zeichnet sich nämlich der weibliche Körper an seiner Oberfläche vor dem männlichen durch weniger scharfe, mehr gerundete, von wellenförmigen Linien begrenzte Umrisse aus, und dies kommt daher, weil beim Weibe weit mehr Fett unter der Haut und zwischen den Muskeln lagert, während beim Manne die hervortretenden kräftigeren Muskeln, Sehnen und Knochenvorsprünge die Contouren schärfer und eckiger erscheinen lassen. Sodann charakterisirt sich der weibliche Habitus aber auch noch durch das breitere Becken mit volleren, runderen Hüften, den schmäleren, kürzeren und engeren Brustkasten und den kleinern Kopf. Der Unterkörper ist stets länger, als der Oberkörper; der Hals länger, runder und dünner, auch weniger von Kopf und Brust abgesetzt; die Schultern sind schmäler und mehr abfallend herabgesenkt; das Schulterblatt ist kleiner und weniger vorspringend; die Arme sind kürzer und runder, die Beine neigen, des breiteren Beckens wegen, mit den Knieen gegeneinander (weshalb das schnelle Laufen unschön aussieht), und die Füße sind kleiner, schmäler und fleischiger.

Magerkeit mit Verlust der Rundung der Formen schadet ebenso wie jedes Uebermaß an Beleibtheit der weiblichen Schönheit. Am häßlichsten sind aber die Wespentaillen unserer modernen Schönen anzusehen, die dadurch zu sanduhrähnlichen Figuren werden. Keins der herrlichsten Muster weiblicher Schönheit, die vom Alterthume auf uns gekommen sind, zeigt nur eine leise Annäherung an eine solche durch festes Einschnüren erzwungene Taille. Und welchen großen Nachtheil bringt nicht das Festschnüren, durch Beengung der Brust- und Bauchhöhle, der Gesundheit; es wird dadurch vorzugsweise der Athmungsproceß, der Blutlauf, die Verdauung und die Blutreinigung in der Leber gestört. – Bei unschöner Fettleibigkeit (s. Gartenl. 1866 Nr. 10), welche auf dem Gesichte die interessanten zarten, feinen Linien verwischt, die graziöse Taille zerstört, den Gang plump und die Bewegungen träge macht, ist zunächst der Genuß solcher Nahrungsmittel sehr zu beschränken, die Fett ansetzen, also nicht blos der Genuß von Fetten aller Art (Fleischfett, Butter, Oele), sondern auch von Mehlspeisen, Zucker und starken spirituösen Getränken. Sodann muß aber auch das überflüssige Fett aus dem Körper weggeschafft werden, und dies ist durch ausgiebige Körperbewegungen und Leibesübungen. besonders im Freien, kräftiges Athmen, reichliches Wassertrinken, Vermeiden zu langen Schlafes und überhaupt großer Ruhe zu ermöglichen. – Neben großer Magerkeit, die in der Regel auch scharfe Gesichtszüge, eckige Formen und Bewegungen, sowie bisweilen einen unangenehme leidenschaftliche Lebhaftigkeit mit sich führt, kann keine Schönheit bestehen. Auch die tadelloseste Körperhaltung und die geschmackvollste Toilette sind nicht im Stande, den Mangel an Körperfülle zu ersetzen. Gegen Magerkeit, die natürlich nicht von einem abzehrenden Leiden herrühren darf, ist gerade das zu thun, was die Fettleibigen unterlassen müssen. Sonach wäre Mageren fette, mehlige und zuckerreiche Nahrung, wenig körperliche Anstrengung, überhaupt große Ruhe (auch geistige und gemüthliche) und viel Schlaf zu empfehlen.

Daß Verkrümmungen der Wirbelsäule der Schönheit des Wuchses jedenfalls, nur nach dem Grade der Verkrümmung mehr oder weniger, Eintrag thun, versteht sich wohl von selbst, und da diese Mißgestaltungen nicht zu curiren, sondern höchstens nur in ihrer Verschlimmerung aufzuhalten sind, so muß man, wie früher (Gartenl. 1866 Nr. 14) gezeigt wurde, ihrer Entstehung so zeitig als möglich vorbeugen. Zartgebaute, bleichsüchtige Jungfrauen sind sehr zum Schiefwerden geneigt und müssen sich deshalb nach jeder Ermüdung (besonders der Rückenmuskeln durch längeres Geradesitzen) gerade ausgestreckt einige Stunden lang auf eine feste Matratze oder einen auf dem Boden ausgebreiteten Teppich legen. Ebenso müssen sie auch beim Schlafen ausgestreckt auf dem Rücken, nicht etwa auf einer Seite und zusammengekrümmt, liegen. Fest angelegte steife Schnürbrüste und drückende Bänder (besonders an den Unterkleidern) sind ihnen äußerst schädlich.

Die Haltung, der Gang und die Bewegungen eines schöngewachsenen Weibes können nur dann anmuthig und graziös sein, wenn ihr Körper frei und nicht genirt von beengenden Kleidungsstücken ist und wenn ihr nicht, etwa der Eitelkeits- und Hochmuthsteufel im Nacken sitzt. Widerwärtig und lächerlich ist’s anzusehen, wenn so ein in einen Kleidersarg eingepreßtes und pfauenartig herausgeputztes, reiches oder sich schön und vornehm dünkendes Dämchen, welches der Welt noch nichts genützt hat und auch niemals etwas nützen wird, steif (als hätte sie ein Lineal verschluckt) oder sich gravitätisch drehend und mit einer Miene um die hochgetragene Nase einherstolzirt, die immer sagen will: „Hier stinkt’s.“ – Als die vorzüglichsten, auf die Haltung verbessernd einwirkenden Leibesübungen sind anzuführen: Tanzen, Schlittschuhlaufen und Ballspiele. Turnen ist Jungfrauen weit weniger dienlich, als Schulmädchen. Freilich muß stets bei Körperbewegungen alles Ungraziöse einer unerbittlichen Kritik von Seiten der Lehrer, Eltern oder Freundinnen unterliegen; besonders sind Ausartungen in der Lebhaftigkeit der Bewegungen als unschön zu rügen. Bei sitzender Lebensweise müssen täglich mehrere Stunden zu körperlicher Bewegung und gleichzeitiger Erheiterung des Gemüths bestimmt werden. Nur darf die Bewegung nie bis zur heftigen Erhitzung und Uebermüdung fortgesetzt werden; auch ist dabei eine schnelle Abkühlung der schwitzenden Haut (besonders durch Zugluft) ängstlich zu vermeiden.

Die Kleidung (s. Gartenl. 1855 Nr. 16) kann ebenso die Schönheit des Weibes erhöhen, wie schädigen. Ein Haupterforderniß dabei ist: eine harmonische Zusammenstellung der einzelnen Kleidungsstücke, ebenso in Farbe, wie in Stoff, Muster und Schnitt. Eine auffallende, allzu bunte, schimmernde und excentrische Toilette kann niemals schön und elegant sein; jede Uebertreibung darin ist unschön. – Auch muß die Kleidung nothwendigerweise der Individualität der Person angepaßt werden, um kleidsam zu sein, und deshalb mögen sich bei der Wahl ihrer Kleidung besonders Putznärrinnen von Solchen rathen lassen, die ästhetisch gebildeten Geschmack haben. Es darf ferner ein wirklich eleganter Anzug niemals unbequem und beengend, aber ebensowenig auch allzu weit und schlotternd aussehen, er muß passend, jedoch nicht knapp sein und stets die Idee des Wohlbehagens beurkunden. Wenn ausgeschnittene Kleider um die Achseln herum sehr eng sind, so übt dies auf die Form, Haltung und Bewegung des Oberkörpers und der Arme einen ganz entsetzlich häßlichen Einfluß aus. Einfachheit, selbst bei den prachtvollsten Stoffen, ist das erste Erforderniß einer dem Auge wohlgefälligen eleganten Kleidung. Nicht der Glanz, nicht die Verzierungen dürfen bei einem wahrhaft eleganten Anzuge die Oberhand erhalten, sondern stets der Anzug selbst; alles Uebrige muß denselben heben, nie aber überladen und gleichsam erdrücken. Den unangenehmsten Eindruck macht ein sonst in Stoff und Form elegantes Kleidungsstück, wenn es verschmutzt und abgetragen ist. – Die Schönheit junger Mädchen wird durch einen einfachen, reinlichen und netten Anzug weit mehr gehoben, als durch Schmuck, der überhaupt von ihnen fern bleiben muß. Der schönste Schmuck junger Mädchen sind Blumen; wenn Frauen Schmucksachen tragen (natürlich niemals unechte), so dürfen

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verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 266. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_266.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)