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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

thun hat. Es ist das Marmorbild König Wilhelm’s des Dritten, unter dessen Regierung die Bank in’s Leben trat, und schirmend breitet der König noch jetzt seine vom Alter etwas verwitterte Hand über die Halle aus. Das unmittelbar darunter befindliche Bureau ist der Sitz zweier Herren, die bestellt sind, über das geschäftliche Treiben der Zahlhalle eine allgemeine Aufsicht zu führen. Aufsicht dieser Art ist, wie keiner Erklärung bedarf, unerläßlich, und ein solches Aufsichtsbureau, bestehend aus einem Ober- und Untersuperintendenten, fehlt in keinem der vielen Geschäftssäle der Bank. Die beiden kleinen Vorrichtungen in der Mitte des Saales, mit dem Aufsichtsbureau in einer Linie, sind wärmeausstrahlende, dampfverzehrende Oefen. Der Weg zwischen ihnen führt durch die dem Eingang gerade gegenüberliegende Thür in die weiter im Innern befindlichen Räumlichkeiten der Bank und theilt die Zahlhalle in zwei genau geschiedene Departements ab. Rechts, zu beiden Seiten des Aufsichtsbureaus, ist man mit dem Sortiren, Wägen und Auszahlen aller Arten von Silbermünzen beschäftigt; links befinden sich die Bureaus zum Wechseln und Auszahlen der Banknoten.

Wir wollen uns nun nach dieser allgemeinen Umschau zunächst an den Ofen zur Rechten stellen und die Operationen der Silberseite genauer betrachten. Auch hier ist die so wichtige Theilung der Arbeit bis in’s Einzelnste durchgeführt. An dem Ladentisch zur Linken des Aufsichtsbureaus zählt, sichtet und wägt man die Silbermünzen, an dem zur Rechten wechselt man sie gegen Gold aus. Von diesem letzteren Geschäft genügt es, zu sagen, daß die Auszahlung, der Größe des Geschäfts entsprechend, nicht durch das langsame Hinzählen der Münzen, sondern durch die Ueberlieferung von Säcken und Säckchen stattfindet, deren Inhalt vorher berechnet ist und die, je nach Bedürfniß, in kleineren und größeren Münzen fünfundzwanzig, fünfzig, hundert, fünfhundert Pfund Sterling Werth enthalten. Interessanter sind die Operationen zur Linken des Aufsichtsbureaus. Säcke und Säckchen aller Arten von Silbermünzen werden hierher geschafft, sowie sie aus dem Banking Department einlaufen, und es ist die Aufgabe der Commis, sie zu sichten, zu zählen, zu wägen und die verschiedenen Münzarten den Säcken und Säckchen einzuverleiben, welche an dem gegenüberliegenden Bureau ausgezahlt werden. Die ganze Oberfläche des langen Tisches glänzt und klirrt daher ohne Unterlaß von Silber. Zu der Sichtung der Münzarten bedient man sich einer sehr ingeniös eingerichteten Siebemaschine, dergleichen ich in keiner andern englischen Bank gesehen habe. Sie besteht aus drei übereinander geordneten Eisenplatten, deren oberste mit einer Menge Löcher durchbohrt ist, welche groß genug sind, um Zweischillingsstücke durchfallen zu lassen; die zweite enthält kleinere Löcher zum Durchfallen von Schillingen, die dritte endlich noch kleinere zum Durchfallen von Sechs-, Vier- und Dreipencestücken. Oben auf diese Maschine nun schüttet der zum Sieben angestellte Commis einen Sack voll Silber, mit Münzen aller Art. Er ergreift dann die Maschine und schüttelt sie hin und her, und durch die Bewegung des Schüttelns fällt jede Münzart an die ihr bestimmte Stelle: die Sechs-, Vier- und Dreipencestücke auf den Tisch, die Schillinge auf die unterste, die Zweischillingsstücke auf die mittlere Platte, während die größeren Münzen (ganze und halbe Kronen) ihren Platz auf der obersten Platte behaupten. Mittels des Ausziehens jeder einzelnen Platte ist es dann leicht, die verschiedenen Münzarten zu ordnen, und in kurzer Zeit wird auf diese Weise die Sichtung großer Haufen bunt vermischter Münzen vollendet. Andere Commis haben das Geschäft, die so gesichteten Münzen zu zählen, die abgenützten auszusondern und die Gesammtsumme in größere und kleinere Säcke zu vertheilen. Auch diese Arbeit wird ausnehmend erleichtert durch eine einfache Methode: die des Wägens.

Bis zum Jahre 1832 wurden alle in Münzen gezahlten Summen einzeln auf die Zahltische der Bank hingezählt. Man fand jedoch, daß sämmtliche Commis auf diese Weise bei dem größten Fleiße innerhalb der sechs Arbeitsstunden von zehn bis vier nicht mehr als fünfzigtausend Pfund Sterling täglich auszuzahlen vermochten, und kam daher, um das Geschäft zu beschleunigen, auf den Gedanken, die zu zahlenden Summen einfach durch ihr Gewicht zu bestimmen. Man bedient sich zu diesem Zwecke auf dem Zahltisch befestigter kleinerer und größerer Wagen, legt in die eine Wagschale Gewichte, welche genau dem Metallgewicht einer bestimmten Geldsumme entsprechen, schüttet oder schaufelt in die andere eine entsprechende Anzahl von Geldstücken und zahlt dann den Gesammtbetrag, indem man ihn mit kupfernen Schaufeln aus der Wagschale entweder auf den Tisch, oder in Säckchen und Sacte hinschüttet. Statt fünfzigtausend Pfund kann man so an einem Tage auf’s Bequemste fünfmalhunderttausend Pfund auszahlen, und diese Methode ist seitdem in sämmtlichen englischen Bauten adoptirt worden.

Noch eine andere charakteristische Vorkehrung muß erwähnt werden: das Herbeischaffen der Geldsäcke aus der Schatzkammer in die Zahlhalle. Es geschieht dieselbe mittels der kleinen, auf der Illustration angegebenen, neben den Oefen stehenden Wagen. Besonders dazu angestellte Diener besorgen das Herfahren der kostbaren Last, die außerdem von einem Commis escortirt und innerhalb der Bureaus aufgeschlossen und ausgepackt wird. Die mit dem Diener redende schwarzgekleidete Dame ist die sogenannte „Dame in Schwarz,“ eine halbmythische Figur, welche auf den besondern Wunsch der Zahlhallen-Commis von dem Zeichner in das Bild aufgenommen wurde. Der Bruder dieser „schwarzen Dame“ war, so heißt es, während der ersten Decennien unseres Jahrhunderts in der Bank angestellt und wurde wegen Wechselfälschung nach dem damals noch gültigen drakonischen Criminalgesetz zum Tode am Galgen verurtheilt. Er hatte obendrein das Geld seiner Schwester entwendet, und die Arme verlor in Folge dieses doppelten Unglücks ihren Verstand. Täglich erschien sie seitdem in Trauerkleidung in der Bank, um ihren verlorenen Bruder und ihr verlorenes Geld zu suchen. Viele Jahre vergingen, eine neue Generation von Commis wuchs heran, aber noch immer durchwandelte die schwarze Dame melancholisch die Säle und Corridore der Bank von England. Sie war schon den Achtzigen nahe, als man eines Tages ihre wohlbekannte Gestalt vermißte. Sie war gestorben. Doch durch ihre seltsame Beharrlichkeit hat sie sich eine Tradition geschaffen, welche sie überlebt hat, und so lange die Bank von England dauert, wird man sich von der „Dame in Schwarz“ erzählen.

Wenden wir uns nun nach dem gegenüberliegenden Departement der Zahlhalle, wo es sich nicht um das Sichten, Wechseln und Auszahlen von Silber, sondern von Banknoten und Gold handelt. Dies Departement ist in drei Zweige abgetheilt: einen, wo Gold gegen Noten, einen anderen, wo Noten gegen Gold, und einen dritten, wo Noten gegen Noten eingewechselt werden. Den beiden letzten Acten hat jedoch ein anderer vorherzugehen: das Aufschreiben des Namens und der Adresse des Notenbesitzers auf die zum Wechseln bestimmte Note. Zwei mit Tinte, Feder und Löschpapier versehene Schreibpulte sind zu diesem Zwecke an den Außenwänden des Silber- und des Noten- und Golddepartements angebracht. Ist jene Vorbedingung erfüllt, so gelangt die Note in die Hände eines Commis, der ihre Echtheit zu prüfen hat und an dessen Pult eine Tafel mit den Nummern der verloren gegangenen oder gestohlenen Noten aufgehängt ist. Erst nachdem die dargereichte Note für echt befunden und mit keiner in der Tafel bemerkten Note identificirt ist, findet der Austausch statt. Der Geldwerth der Noten, welche auf diesem Wege täglich in die Bank zurückgelangen, ist erstaunlich groß. Man schätzt ihn auf nahezu zwei Millionen Pfund. Dabei geht aber das Geschäft der Zahlhalle so ebenmäßig und still vor sich, als ob es sich um die einfachste Sache in der Welt handelte, als ob die ausgetauschten Summen etwas ganz Gewöhnliches und Alltägliches wären. Uebrigens erleichtern auch hier, wie in dem Silberdepartement, Goldwagen, Goldsäckchen und Säcke den Gang des Geschäfts.

Diese Schilderung der Zahlhalle mag als Muster für Einrichtung und Geschäftsgang der andern Localitäten der Bank von England dienen. Es sei nur noch bemerkt, daß das Wägen des in die Bank fließenden gemünzten Goldes in einem besonderen Bureau, dem Gold weighing Office geschieht, wo auch die für fehlerhaft befundenen Stücke der Circulation entzogen werden. Die in die Bank zurückgekehrten Noten werden in einem speciellen Bureau untersucht, registrirt, durchgestrichen und dann, um für alle erdenklichen Nachfragen zur Hand zu sein, in der Bankbibliothek zehn Jahre lang aufbewahrt. Es heißt, daß sie gegenwärtig fünfzehn- bis sechszehntausend Kasten füllen und einen Geldwerth von achtzig bis neunzig Millionen Pfund repräsentiren. Nach Ablauf jener zehn Jahre werden sie verbrannt. Um nun aber auch einen Begriff von der mercantilischen Bedeutung der Bank und der Höhe ihrer geschäftlichen Thätigkeit zu geben – so weit dies durch riesige Ziffern möglich wird, die man in der

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verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 248. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_248.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)