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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

Sobald die Dampfmaschine ihre Pumpe spielen läßt, tritt das Wasser durch den Windkessel in die sechstausend einhundert Ellen lange Steigeleitung, deren Röhren achtzehn Zoll Durchmesser besitzen. Die im Windkessel befindliche Luft, welche nicht entweichen kann, wird durch die Wassersäule der Steigeleitung, entsprechend der Höhe derselben, zusammengepreßt und gleicht durch ihre Elasticität die absatzweise Bewegung der Pumpenkolben aus, so daß die Strömung des Wassers durch die Röhren eine vollkommen stetige ist. Als Platz für die Hochanlage wählte man die dazu höchst zweckmäßig gelegene Höhe von Probsthaida.

Das hier angelegte Hochreservoir, welchem die Wasser der Steigeleitung zufließen, um aus ihm in die Stadt zu gelangen, ist einundsiebenzig Ellen lang auf einundfünfzig Ellen Breite; wenn es vollständig gefüllt ist, beträgt seine Wasserstandshöhe sieben Ellen und sein Inhalt zweimalhunderttausend Kubikfuß Wasser. Es bildet ein mächtiges aus Ziegeln in Cement erbautes Gewölbe, welches von allen Seiten derartig mit Erde umhäuft worden ist, daß die äußere Temperatur der Luft keinen Einfluß auf das darin befindliche Wasser auszuüben vermag.

An der nordwestlichen Ecke des Gewölbes befindet sich ein kleiner, thurmähnlicher Ausbau mit einer Oeffnung, durch welche man vermittelst einer eisernen Leiter hinab in die Tiefe gelangen kann; außerdem ist daselbst ein zwölf Zoll weites Standrohr und ein Schwimmer angebracht. Das erstere steht in Verbindung mit der Steigeleitung; wird deren Ausfluß abgeschlossen, so steigt darin das Wasser in die Höhe und bringt dann durch den entstehenden größeren Druck die Maschine zum Stillstand. Der Schwimmer hat den Zweck, die Ab- und Zunahme des Wassers zu messen. Aufgabe des Hochreservoirs ist, den von den Pumpen über Bedarf gelieferten Wasservorrath anzusammeln und für die Zeit des Mehrbedarfs aufzubewahren. Man weiß durch Erfahrung, daß die Wasserentnahme der Städte je nach den Tageszeiten eine sehr schwankende ist; während sie in den Stunden nach Mitternacht fast gänzlich aufhört, consumiren die Mittagsstunden oft das Doppelte und Dreifache des Zuflusses; hier muß also Vorsorge getroffen werden.

Eben diese großen Schwankungen im Wasserbedarf verschiedener Zeiten haben auch bedeutenden Einfluß auf die Bestimmung der Weite sowohl der Röhren, welche das Wasser aus dem Hochreservoir in die Stadt führen, als auch derjenigen der Röhren des Netzes in der letzteren selbst. Es ist einleuchtend, daß die Fähigkeit der Röhren für den größten Bedarf berechnet sein muß, wenn man nicht die geringere Weite durch größere Geschwindigkeit, dadurch aber einen Verlust an Druckhöhe herbeiführen will. Daraus geht denn hervor, daß unter Aufrechterhaltung aller hydrotechnischen Vortheile das Wasser von den Pumpen wohl durch ein achtzehn Zoll weites Rohr nach dem Hochreservoir befördert werden kann, daß jedoch zur Ableitung nach der Stadt Röhrenstränge von einem fast dreimal größeren Querschnitt erforderlich sind. Es wäre zwar weniger kostspielig gewesen, anstatt der beiden zwanzig Zoll weiten Röhren, welche das Wasser von dem Hochreservoir nach der Stadt leiten, nur Eine größere Röhre zu wählen, allein alsdann wäre die Stadt in die Gefahr gekommen, bei einem etwaigen Röhrenbruch ganz ohne Wasser zu sein.

Die Weite der in der Stadt selbst gelegten Röhren beruht, wie schon erwähnt, gleichfalls auf der Voraussetzung, bei der stärksten Wasserentnahme werde die Durchflußgeschwindigkeit nicht so groß werden, um die erforderliche Druckhöhe zur Versorgung der Häuser-Etagen darunter leiden zu lassen. Hierbei hat man sich zu erinnern, daß durch die Geschwindigkeit, mit welcher das Wasser in den Röhren fließt, ein Theil seines Drucks und sonach auch seiner Steighöhe verloren geht. Dieser Verlust nimmt mit der Geschwindigkeit progressiv zu, oder beträgt der Druckhöhenverlust einen Fuß auf den Fuß Geschwindigkeit, so steigt er auf vier bei zwei, auf sechszehn bei vier und so fort. Daraus geht die Bedingung hervor, daß die Röhrenweite der durch das Reservoir gegebenen Druckhöhe bei stärkster Wasserentnahme auch zur Versorgung der höchsten Häuser entspreche. Es gelten die nämlichen Gesetze auch für die Leiteröhren in den Häusern selbst; denn sobald an einer derartigen Röhre durch vermehrte Ausflüsse die Geschwindigkeit über das gebräuchliche Maß gesteigert würde, so müßten die höheren Stockwerke in dem Wasserzufluß beeinträchtigt werden. Dies ist auch der Grund dafür gewesen, daß die Weiten der Röhren und Hähne einer genauen gesetzlichen Bestimmung unterworfen sind, indem nur durch eine solche eine völlig gleichmäßige Vertheilung des Wassers über die ganze Stadt erzielt werden kann. Zugleich erreicht man dadurch, daß selbst in den höchsten Etagen der Häuser ein Quantum von zwei gewöhnlichen Wasserkannen voll oder ein Kubikfuß Wasser in einer und dreiviertel Minute oder achtzig Secunden jederzeit abgezapft werden kann. Zur Nutzbarmachung der Wasserleitung für den öffentlichen Dienst sind in den Straßen der Stadt vierhundert und zwanzig sogenannte Wasserposten angebracht worden. Man versteht darunter drei Zoll weite, von dem Röhrennetz abgezweigte eiserne Röhren, welche unter eisernen Deckeln einmünden, die mit dem Straßenpflaster in gleicher Höhe liegen. Die Enden dieser Röhren sind mit Gewinden zum Anschrauben von Schläuchen versehen, vermittelst deren in der kürzesten Zeit ein mächtiger Wasserstrahl nach jeder beliebigen Richtung hingeleitet werden kann. Welche großen Vortheile, welche ungewöhnliche Sicherheit und Beruhigung für die Bürger aus einer derartigen Anordnung hervorgehen, braucht nur angedeutet zu werden.

Sämmtliche zur Leipziger Wasserleitung verwendeten eisernen Röhren sind nur mit Blei gedichtet. Ihre Gesammtlänge beträgt 121,612 Ellen oder neun und ein Drittel deutsche Meilen! Das Wasser, welches sie zu fassen vermögen, berechnet sich auf 114,000 Kubikfuß. Für die Hausleitungen sind Röhren von einem Zoll lichter Weite aus reinem Blei gewählt worden, nicht aus verzinntem, da sich bei sorgfältig damit angestellten Versuchen ergeben hat, daß sich an mangelhaften Stellen der Verzinnung schon nach fünfviertel Jahren starke Ansätze von Bleisalzen gebildet hatten, während Röhren aus reinem Blei keine Spur von Zersetzung zeigten. Um aber auch bei den letzteren die Auflösung von selbst ganz geringen Mengen Blei zur Unmöglichkeit zu machen, werden dieselben vor ihrer Verwendung mit einem gänzlich schützenden Ueberzuge von unauflösbarem Schwefelblei versehen.

Das durch die Steigeleitung in das Hochreservoir gebrachte Wasser steht in keiner Verbindung mehr mit den Maschinen und kann als für sich bestehende Quelle gelten, welche durch natürlichen Druck die zur Versorgung der Stadt nothwendige Bewegung hervorbringt. Es ist vorgesehen, daß bei etwa später eintretendem größerem Wasserbedarf unmittelbar hinter dem Hochreservoir Filter angebracht werden können, in die sich das Wasser der Steigeleitung zunächst ergießt, um dann geläutert in jenes zu treten.

Die Herstellung der Leipziger Wasserleitung hat etwa zwei Jahre in Anspruch genommen. Getreu nach den Stipulationen des Contractes haben die Unternehmer dieselbe zum festgesetzten Zeitpunkt dem Rathe der Stadt überliefert. Am 15. December 1865 wurde zum ersten Male das gesammte städtische Röhrennetz mit Wasser versorgt und eine amtliche Probe der Leistungen der neuen Wasserkunst an verschiedenen Punkten vorgenommen. Dieselbe entsprach vollständig den gestellten Forderungen und jubelnd sah die Menge theilnehmender Zuschauer einen Strahl von fünfviertel Zoll Stärke bis zur Dachhöhe der höchsten Gebäude und von Zollstärke noch darüber hinaus sich erheben. Die Unternehmer haben die Aufgabe glänzend gelöst, ein musterhaftes Werk herzustellen!

Zur Vervollständigung fügen wir hier ein Verzeichniß der Kosten verschiedener Wasserwerke des In- und Auslandes bei, sowie den Betrag derselben auf den Kopf der Einwohnerzahl.

Stadt Einwohner Kostenbetrag
Marseille 280,000 ca. 170/0 Mill. Thlr., pro Kopf ca. 60 Thlr. Sgr.
Glasgow 420,000 100/0 23 24
Madrid 370,000 81/2 23
London 2,800,000 471/2 17
New-York 850,000 140/0 16 21
Paris 2,000,000 290/0 14 15
Wien 700,000 91/2 13 12
Dijon 26,000 0,333,000 13
Altona 46,000 0,543,000 12
Besançon 35,000 0,426,000 12
Dresden 135,000 11/2 Mill. 11
Zittau 14,000 0,150,000 10 15
Brüssel 250,000 31/2 Mill. 10
Liverpool 500,000 50/0 10
Magdeburg 60,000 0,500,000 09
Leipzig 85,400 0,750,000 09
Bordeaux 132,000 1,120,000 09
Hamburg 220,000 20/0 Mill. 09
Lyon 320,000 20/0 06 08
Amsterdam 280,000 1,650,000 06
Berlin 540,000 3,184,000 05 28
Glauchau 20,000 0,100,000 05
Plauen 20,000 0,085,000 04 09

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