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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

Entzückungen eines nächtlichen Spaziergangs hin, daraus wird nichts!“

„Daraus wird nichts?“ sagte der junge Mann fast erschrocken, „Sie werden mir doch nicht verwehren, Sie zu Ihrem Schutze heimzubegleiten?“

„Ich verwehre es Ihnen!“

„Aber weshalb … das ist ja unbegreiflich, ich darf Sie doch nicht allein heimgehen lassen …“

„Habe ich Ihnen nicht gesagt, daß mein Mädchen bei mir ist?“

„Aber, Antonie, weshalb mir das Glück rauben wollen?“

„Weshalb?“ versetzte sie lächelnd. „Ist mein Wille nicht genug? Ich will es nicht!“

„Ihr Wille ist mir genug, ich entsage, Antonie,“ sagte der Rittmeister mit einer Stimme, deren trauriger, entsagungsvoller Ton ein Kieselherz erweicht hätte.

Antonie lachte.

„Aber Sie leiden furchtbar unter meinen Launen, nicht wahr, Herr von Fauriel?“ sagte sie.

Der junge Mann nickte, schwermüthig zu Boden sehend.

„Ja sehen Sie,“ fuhr sie fort, „eine Schauspielerin muß ihre Launen haben dürfen … wehe dem, der sich in ihren Netzen fangen läßt! Weshalb waren Sie so thöricht, sich darin fangen zu lassen?“

Sie sah ihn mit einem unendlich schelmischen und spöttischen Blicke an.

„Ach ja,“ antwortete er mit einem tiefen Seufzer und einen tragischen Ton annehmend, „das muß freilich wahr sein, es ist nicht das erste Mal, daß ich es mir heute sagen lassen muß. Sie sagen es jetzt und Er sagte es vorhin … Die beiden Menschen, die mir am höchsten stehen in der Welt, sagen es, es muß also wohl wahr sein!“

„Er?“ fiel Antonie ernsteren Tones ein, „wer ist der Er, der es wagt, Sie zu beklagen, weil Sie an den Triumphwagen einer Kokette gespannt seien?“

„Wer?“ antwortete der Rittmeister seufzend, „wer kann es anders sein als mein erlauchter Gebieter, der Graf?“

„Der Graf … und der hat eine so schlechte Meinung von mir … was muß ich hören … sagen Sie mir Alles … Alles!“

„Ach, es war nicht recht, daß ich davon begann!“

„Zuerst, wie kamen Sie und Er dazu, von mir zu sprechen?“ „Antonie,“ antwortete der junge Mann zärtlich ihre Hand erfassend, „ich will Ihnen Alles gestehen … zürnen Sie mir nicht … wollen Sie es mir versprechen?“

„Versprechen? Ich will nichts versprechen, aber Sie sollen mir Alles gestehen, auf der Stelle, hören Sie?“

„Nun ja, nun ja. Ich sprach den Grafen heute, um ihn um die Erlaubniß zu bitten, um Ihre Hand zu werben.“

„Verwegener! Das wagten Sie?“ antwortete sie betroffen, aber, wie es schien, mehr erregt als erzürnt durch diese Mittheilung. „Und was antwortete der Graf?“

„Der Graf antwortete: ‚Nein!‘ Sein Bescheid lautete scharf und bestimmt. ‚Ich kann nicht dulden, daß die Officiere in meinem Elite-Corps solche Verbindungen eingehen,‘ sagte er. ‚Eine Dame, die sich‘ … aber ich kränke Sie, Antonie … es ist genug, um Ihnen zu erklären, weshalb ich sehr ernst gestimmt, sehr traurig und doch sehr entschlossen bin.“

„Es ist nicht genug … ich will Alles wissen und Sie haben mir versprochen, Alles zu sagen. Mir liegt in diesem Augenblicke weit mehr daran, zu erfahren, was der Graf gesagt, als wozu Sie entschlossen sind, Baron Fauriel!“

„Wie heftig Sie sind! Der Graf sagte: ‚Eine Dame, die allein in einem Badeort auftaucht, ohne daß man weiß, von wannen sie kommt, die einen unbekannten Namen angiebt, die sich eine Schauspielerin nennt und von der man nicht einmal weiß, ob sie es wirklich ist, eine solche Dame ist keine passende Partie für den Rittmeister Baron Fauriel. Sie werden niemals meine Einwilligung zu einer Ehe mit einer Schauspielerin erhalten, lassen Sie sich das vergehen!‘“

Antonie hatte sich während dieser Worte zornig auf die Lippen gebissen.

„Vortrefflich,“ sagte sie jetzt bitter auflachend. „Die Welt verehrt diesen Grafen Wilhelm zu Schaumburg als einen der genialsten und größten Männer seiner Zeit. Und dieser gepriesene Geist liegt so angebunden in den Fesseln des Vorurtheils, so schwergekettet unter dem Joch philisterhafter Engherzigkeit, daß auch er glaubt, ein Mädchen, welches sich von einem mächtigen Gefühle für das Ideale hinreißen läßt und die Bühne betritt, um dort für die Darstellung und Verkündigung erhabener und schöner Gefühle zu leben, welches den Muth hat, der inneren Stimme zu gehorchen, die es auf den dornenvollen Pfad, der Kunst führt … ein solches Mädchen sei ein verlorenes Geschöpf, und seine Kriegsknechte, seine Rittmeister entehrten sich …“

„Halten Sie ein, Antonie,“ unterbrach Fauriel sie hier, „ich theile ja völlig Ihre Entrüstung, und wenn der Graf bei seiner Ansicht bleibt … und das wird er, fürcht’ ich … werde ich sofort meinen Abschied verlangen.“

„Ihren Abschied verlangen? Armer Schäfer Sie! Was wollen Sie beginnen? Haben Sie mir nicht gesagt, daß Sie ein armer Glücksritter sind, ohne andere Habe als Ihren Degen?“

„In der That, das bin ich … aus dem Blut hugenottischer Flüchtlinge, vom Grafen durch die Aufnahme in sein berühmtes Muster-Corps hoch geehrt und …“

„Und ihm für immer zu Dankbarkeit verpflichtet; denn ich weiß, wie er Sie schätzt und bevorzugt …“

„Alles das ist wahr und dennoch werde ich, sobald ich noch einmal mit dem Grafen gesprochen und ihn bei seinem Nein beharrend gefunden, mein Entlassungsgesuch einreichen. Ich werde anderswo Dienste suchen.“

„Wollten Sie in der That so viel für mich opfern?“ fragte sie ihn ernst und groß ansehend.

„Das und noch mehr … mein Leben gäbe ich für Sie dahin, Antonie. Das hat in mir fest gestanden, dies Gefühl ist in mir unwandelbar dasselbe geblieben, seit ich Sie vor vier Wochen drüben im Badeort sah und es mir gelang, mich Ihnen zu nähern. Aber freilich, ich muß, bevor ich jenes Opfer bringe, Ihres Herzens sicher sein und daß ich das sein kann, hat leider, leider nicht so unwandelbar in mir festgestanden, ich habe oft schwere Stunden seitdem verlebt, wo …“

„Wo meine Launen Sie verzweifeln machten, wo Sie mich eine Kokette nannten, ist’s nicht so, Baron?“

Er nickte traurig mit dem Kopfe, dann aber sagte er:

„Nein, nein, nicht ganz so schlimm! Aber nun, Antonie, nun ist die Stunde gekommen,“ fuhr er, ihre Hand ergreifend und mit seinem treuherzigsten Blicke sie ansehend, fort, „die Stunde, wo Sie mir’s sagen müssen, ob Ihr Herz …“

„Ach,“ fiel sie mit einer gewissen Härte ein, „Sie wählen nicht den rechten Augenblick, mein Herz erweichen zu wollen … mein Herz fühlt nur beleidigten Stolz, Zorn und Rachsucht!“

Dabei entzog sie ihm ihre Hand.

„Wie furchtbar grausam Sie sind, Antonie!“ sagte der Rittmeister mit flehendem Ton. „Sie wissen, weshalb ich Sie drängen muß, ich habe Ihnen den Schritt genannt, den ich thun will …“

„Den Schritt eines unbesonnenen Kindes! Sie sollen ihn nicht thun. Ich verbiete es Ihnen!“

„Wenn ich nun aber will?“

„Wohl denn, dann breche ich Ihren Willen, indem ich Ihnen zuflüstere,“ fügte sie sich zu ihm hinüberneigend und plötzlich ihrer stark und voll tönenden Stimme einen wahren Sirenenklang schmelzender Weiche gebend, „indem ich Ihnen zuflüstere, daß es dessen nicht bedarf, daß ich mit dem Grafen reden und ihm eine andere Ansicht beibringen werde …“

„O, glauben Sie nicht, daß Sie das können … Sie kennen ihn nicht!“

„Ich kann’s, ich verspreche es Ihnen … wenige Stunden Geduld und Graf Wilhelm wird nichts mehr einwenden gegen die Verbindung seines geliebten Rittmeisters Baron Fauriel von Saint Roche mit der armen Antonie Sponheim. Es wird sich dann nur fragen, ob sie nichts mehr einzuwenden hat – nur das noch!“

Der Rittmeister sah sie eine Weile mit ernstem, forschendem Blicke an.

„Sie antworten nicht, was denken Sie?“ fragte sie.

„Ich denke, daß Sie aufrichtiger gegen mich sein sollten!“

„Bin ich das nicht?“

„Nein! Ich weiß längst, daß Sie nicht das sind, wofür Sie sich geben. Sie sind keine arme Antonie Sponheim, wenigstens keine Schauspielerin!“

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