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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

Reichthum der Vegetation nicht so leicht erschöpft wird; es entwickelt überdies eine bedeutende Mannigfaltigkeit in der Wahl seiner Nahrungsmittel, es frißt das Laub der Bäume mit ziemlich starken Aesten und verspeist mit gleichem Appetite Gräser, Früchte, Getreide und Wurzeln, welche letzteren es mit seinen Stoßzähnen aus der Erde bohrt, und wird daher den Pflanzungen recht oft ein lästiger und schädlicher Besucher, den die Besitzer bei seiner kolossalen Stärke sich schwerlich vom Leibe halten könnten, wäre Furchtsamkeit nicht, wie schon erwähnt, eine Eigenschaft des mächtigen Thieres. Man kann beobachten, daß eine Heerde nur mit der äußersten Behutsamkeit und Vorsicht Streifzüge unternimmt; eines der ältesten Thiere geht stets den übrigen voraus auf Recognoscirung. Erst wenn dieses sich von der vollständigsten Ruhe und Sicherheit in der zu betretenden Gegend überzeugt hat, folgt der Trupp und dann wird im Fressen, Trinken, Baden und Zerstören geleistet, was nur möglich ist.

Man lebt gewöhnlich in großem Irrthum, wenn man meint, daß wilde Elephanten nur flache und ebene Gegenden, meist in der Nähe von Flüssen, bewohnen; der Elephant ist vielmehr ein ganz gewandter Kletterer, wie man gelegentlich auch bei gezähmten beobachten kann, und geht daher auf ziemlich unwegsame Berge, welche sich selbst sieben- bis achttausend Fuß über die Meeresfläche erheben. Gegen den Einfluß der Temperatur scheint er nicht übermäßig empfindlich zu sein, was man auch bei den in Europa gehaltenen Thieren bestätigt findet, von denen vor Begründung zoologischer Gärten die meisten mit gutem Erfolge in wandernden Menagerien gezeigt wurden, die keineswegs in der Lage sind, für gleichmäßige Temperatur zu sorgen.

Daß man vom Elephanten zwei Hauptarten unterscheidet, den indischen und den afrikanischen, dürfen wir hier, wo uns der Raum sehr spärlich zugemessen ist, nur beiläufig erwähnen. Letztere kamen zur Zeit der Römer mit dem Beginne der punischen Kriege vielfach nach Europa, während man sie, jetzt hier nur selten findet, wogegen der indische keine Seltenheit ist. Man war mit der Haltung der afrikanischen auch nicht glücklich in neuester Zeit; ob größere Weichlichkeit, Zufall oder andere Umstände das baldige Ableben dieser Thiere verschuldeten, lassen wir dahingestellt. Im Aeußern unterscheidet sich der afrikanische Elephant durch kleineren Kopf, runde, gewölbte Stirn, gleich am Anfang zugespitzteren schmalen Rüssel, größere Ohren und drei Hufe an den Hinterfüßen wesentlich von dem indischen, welcher durch stärkeren Kopf, concave Stirn, vom Ansatz an bis zur Spitze sich gleichmäßig verdünnenden Rüssel und vier Hufe an den Hinterfüßen leicht zu erkennen ist. Ob und wieweit der indische Elephant vor dem afrikanischen den Vorzug im Dienste des Menschen verdient, vermögen wir nicht zu entscheiden; daß aber der afrikanische auch gezähmt und abgerichtet werden kann, dürfen wir nicht bezweifeln, wenn wir uns erinnern, daß die Karthager und Römer sich ihrer im Kriege bedienten und sie zu Kampfspielen verwendeten; indeß verstehen die Völker Afrikas in denjenigen Theilen, wo der Elephant, vom Norden dieses Welttheiles weiter in’s Innere zurückgedrängt, noch zu finden ist, sich nicht mehr auf Fang und Abrichtung dieses edlen Thieres. Es ist ihnen, wie einzelnen europäischen Jägern oder Freibeutern, nur noch ein Gegenstand der Jagd, dem man hauptsächlich seines vortrefflichen Elfenbeines wegen nachstellt.

In der Gefangenschaft werden Elephanten wenig und nur ausnahmsweise gezüchtet. Dies ist wegen des langsamen Wachsthumes des Thieres, welches erst im Alter von zwanzig bis fünfundzwanzig Jahren seine vollkommene Größe erreicht, wenig lohnend; man läßt darum lieber den Elephanten in der Wildniß aufwachsen und fängt sich den Bedarf. Es ist aber auch die Paarung in der Gefangenschaft nicht ohne bedenkliche Gefahr; das Männchen ist zur Zeit der Brunst ein wüthendes, nicht zu bändigendes Thier, und zu wiederholten Malen hat man solche zur Vermeidung schrecklichen Unheils in Europa tödten müssen. Wer Elephanten halten will, giebt darum den sanfteren Weibchen den Vorzug. Die meisten Elephanten übrigens, die in der Gefangenschaft geworfen wurden, stammen von Weibchen, die man während der Tragezeit fing. Diese jungen Elephanten sind gar drollige und liebenswürdige Geschöpfe, die, ganz wie auch andere Säugethiere, nicht mit dem Rüssel, sondern dem Maule die Muttermilch zu sich nehmen. Ueber die Höhe des Alters, welches ein Elephant erreichen kann, sind die Meinungen sehr verschieden; während Einige ihm nur eine Lebensdauer von siebenzig bis achtzig Jahren zusprechen, geben ihm Andere eine solche von ein- bis zweihundert Jahren. Die Wahrheit dürfte in der Mitte liegen, doch sind selbstverständlich Lebensweise und Behandlung von dem allergrößten Einflusse.




Eine vergessene Freundin Schiller’s.


Es sind jetzt gerade hundert Jahre her, als im Kinderzimmer des gelehrten Paul Baumer, Doctors und Professors der Arzneikunde und Weltweisheit zu Erfurt, ein Kreis von kleinen Mädchen sich um eine etwa zwölfjährige Gespielin drängte und mit Staunen und Bangen zusah, wie diese Gespielin einen Finger ihrer linken Hand über ein brennendes Licht hielt, bis derselbe tief in’s Fleisch angebrannt war. „Da seht Ihr nun, was man aushalten kann, wenn man will! Und was dem Papa sein Römer Mucius gethan hat, das kann ich auch,“ so sprach jetzt das angestaunte Kind und steckte den verbrannten Finger in den Mund. Die Zuschauenden fingen nun auf einmal an zu schreien, liefen heulend davon, verklatschten dann die soeben Angestaunte bei der strengen Mutter und – das heroische Töchterlein bekam die Ruthe. Als das Mädchen wieder vor den Gespielinnen erschien, gingen dieselben erst scheu an ihm vorbei und mochten es wohl für eine kleine Hexe halten. Bald aber sollten sie den Beweis haben, daß das sonderbare Wesen mit all seiner Kühnheit und Willensstärke doch auch nur ein armes, gebrechliches Menschenkind sei.

In einem alten Klostergange forderten sie die junge Heldin auf, von einer hohen Galerie herabzuspringen; das Kind sprang und wurde mit zerbrochenem Beinchen und zerspaltenem Köpfchen für todt nach Hause getragen. Indessen genas das Kind, doch von der Stunde seiner Genesung an hat es nie mehr derartige Dinge getrieben, war es still für sich, studirte viel und schrieb heimlich, was es Niemandem zeigte. Der Vater wollte, das merkwürdig befähigte Kind solle Medicin studiren, doch brachte ihn dessen oft bedenklich wieder aufbrechende Kopfwunde davon ab. Diese Wunde hat das Kind bis zum Tode behalten und durch sein ganzes Leben hin zogen sich jene Kinderscenen, nur in ganz anderer Art.

Kurze Zeit nach jener Mucius-That en miniature erblindete des Kindes strenge Mutter (eine geborene von Tenzel) plötzlich und vollständig; ein Jahr darauf starb der Vater, und kaum vierzehn Jahre alt, wurde unsere kleine Heldin, Sophie Baumer, die Frau des Dr. med. Albrecht. Dieser hatte als Student im Hause ihres Vaters gelebt und das seltsame Mädchen schon von dessen Kindheit an geliebt. Als eine poetische und künstlerische Natur, mit psychologischem Blick begabt, hatte er das Besondere in dem Kinde erkannt, es zu entwickeln und fortzubilden versucht und auf diese Weise auch des Mädchens Herz schon früh gewonnen. Albrecht’s Vater war Rector des Gymnasiums zu Frankfurt; Goethe schildert ihn in „Wahrheit und Dichtung“ als „eine der originellsten Figuren von der Welt“. In seiner damals sehr bedeutenden Stellung hatte Rector Albrecht vielfache und weite Verbindungen, und dadurch bekam sein Sohn im Jahre 1776 eine Stelle als Leibarzt bei dem Grafen von Manteuffel in Reval.

Bisher hatte Albrecht bei seiner jungen Frau in Erfurt gelebt, weil dieselbe die blinde Mutter nicht gern verlassen wollte. Sie hatten zusammen gedichtet, und Albrecht hatte sich schon an ein Trauerspiel gemacht: „Der unnatürliche Vater“ (später erschienen von ihm Romane, Familiengeschichten, Briefe und dramatische Werke); indessen fehlte es ihm doch an festem Heerd und Brod, Albrecht mußte jene Stelle in Reval annehmen, und Sophie begleitete ihn. In esthländischen Blättern erschienen ihre Poesien zuerst öffentlich und nahmen von da aus ihren Weg nach Deutschland. Auf vier großen Reisen zu Meer und Land, durch ganz Rußland hin, war sie die muthige und ausdauernde Gefährtin ihres Mannes, der seinen Herrn begleiten mußte; sie gebar ihm unterwegs einen Knaben und ein Mädchen. Endlich zogen Sehnsucht

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verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 23. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_023.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)