Seite:Die Gartenlaube (1865) 829.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

Schnee- und Blätterdecke am Boden verborgen lagen und dem hier gern brechenden Schwarzwild erwünschte Aeßung gaben. Nun wechselte mit dem Laubholze wieder die Fichte, bis dann auch diese, durch eine ärmere Bodenclasse verdrängt, der jetzt auf meilenweiten Umfang vorherrschenden Kiefer Platz machte. Diese Gattung Nadelholz umschloß hier weite, todte Strecken ausgetrockneter Seen, an die sich außerdem eine unübersehbare Brandfläche anschloß, was der vor uns ausgebreiteten Landschaft einen überaus einsamen Charakter aufprägte. Kein erheblicher Hügel, kein Baum unterbrach die ungeheure Blöße, nur hier und da erhob sich ein dürftiger Wachholderbusch oder eine dürre Schilfkaupe über die verschneite Ebene, und nur der graublaue Streifen Hochwald, der sie umsäumte, trennte für das Auge die monotone Schneeflur vom schneebergenden Himmel. Weder ein Vogel noch ein anderes Wesen belebte die trostlos Gegend, wohl aber kreuzten viele Fährten des ersehnten Rothwildes das weite, weite Feld. Trabend durcheilten die Schecken die öde Flur, um jenseits den bergenden Wald zu erreichen, wo wir zuversichtlich Hirsche anzutreffen hofften, da gerade diese schlechtesten Kieferngegenden, die hier begannen, ihr Lieblingsaufenthalt für den Winter sind, weil hier das als Aeßung geliebte weiße Hirschmoos den dürftigen Boden in Ueberfluß bedeckte, sowie die Flechten an den kümmerlichen Föhren und unabsehbare Haidekrautstrecken ihnen sonst noch Nahrung boten. Und unsere Hoffnung sollte auch nicht zu Schanden werden, denn so wie wir uns dem vorgesetzten Ziele, dem Holzrande, näherten, machte mich der Pürschjäger auf einen tief im Stangenholze stehenden Trupp von lauter geweihten Hirschen aufmerksam. Wie pochte mir das Herz bei solchem Anblick! Näher und näher kamen wir, während der ganze Trupp, der, wie man nun schon unterscheiden konnte, aus meist starken, aber doch auch einigen schwachen Hirschen bestand, aufmerksam nach uns herüberäugte. Aber noch ehe wir den deckenden Wald erreichten und auf Schußweite hinankommen konnten, wurden die Scheuen, leicht dahintrollend, flüchtig. Rasselnd schlugen dabei ihre Geweihe gegen das Stangenholz das sie verließen, und nun ward die ganze Suite auf dem freien Plan, den sie angenommen, sichtbar. Es bot dies eine wahrhaft herrliche Erscheinung.

Der Fall des Edlen.
Nach der Natur gezeichnet von Guido Hammer.

Stolz erhobenen Hauptes trollten die prächtigen Geschöpfe eine kurze Strecke im Freien hin, dann plötzlich auf einer sanften Erhebung des Bodens Halt machend, von wo aus darauf alle mit den nach uns gewandten Köpfen herüber schauten. Scharf und dunkel zeichnete sich die ganze Colonne, zehn an der Zahl, gegen die weiße Schneefläche ab, und der Wald ihrer Geweihe überragte hoch die tiefliegende Linie des fernen Forstes und streckte sich in den westlich sich klärenden, schon abendlich gefärbten Himmel. So erwarteten sie die Annäherung des Pürschwagens bis auf ungefähr dreihundert Schritte, dann aber warf sich der Eine der Stattlichen plötzlich

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 829. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_829.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2022)