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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

fünfzig Francs den Tag von meinem Verleger und endlich zahlte er mir diese auch nicht mehr, weil er behauptete, er mache Schaden. O die Undankbaren! Aber es giebt auch noch edle, noch dankbare Menschen! Ich kenne mehrere, die mir versprochen haben, mir nach ihrem Tode ihre Millionen zu vererben. Mögen sie noch lange leben!

Ich spreche nicht von meinen Orden, Auszeichnungen von Fürsten, die sie mir gaben, um sich zu ehren; aber ich muß Ihnen davon sprechen, daß ich außer Poet auch ein Politiker bin. Im Allgemeinen, ich war Royalist, Republikaner und Bonapartist; jede Regierungsform, die ist, ist gut – das ist mein Grundsatz, und daher hat mich auch jede Regierung, die war, mit Ehren bedacht. Der Herzog von Orleans war mein Freund, ehe er König war, und deshalb habe ich in den Julitagen von 1830 mit Büchsen und Pistolen für seinen Thron gekämpft. Aber die Könige vergessen leicht, wem sie zu Dank verpflichtet sind. Louis Philipp war nicht mehr der Herzog von Orleans und Alexander Dumas konnte sagen, ein König sei ihm Etwas schuldig. Aber es rächte sich. Als ich meinen Chor der Girondisten auf die Bühne gebracht hatte, sang ihn alle Welt; er wurde das populäre Lied von Paris – et voilà, was die Revolution des Februars gemacht hat! Louis Philipp entfloh, und ich, Schloßherr von Monte Christo, commandirte die Nationalgarde von St. Germain in großer Uniform. Ich war Republikaner, ehe die Republik kam. Man hörte auf mein Journal „Liberté“ wie auf ein Orakel; aber ich stellte das Erscheinen desselben bald ein und gründete „le Mois“, eine politische Revue, ganz allein von mir redigirt, die trotzdem kein Mensch lesen wollte. Das Volk hatte keinen rechten Sinn für eine geistvolle Politik und ich merkte es noch mehr, als ich als Candidat zur Nationalversammlung auftrat. Glauben Sie, daß sie mich gewählt haben? Weder damals, noch unter Louis Philipp. Ich constatire diese Thatsachen, weil ich stolz darauf bin; man macht keine Männer von Geist zu Abgeordneten! Und desgleichen ist es bekannt, daß die Akademie die Männer von Genie nicht auf ihre vierzig Stühle läßt; Grund genug, daß ich zu den Unsterblichen gehöre, ohne Mitglied der Akademie zu sein.

Nach ein paar Monaten der Republik fand ich denn, daß sie nicht reif sei und daß das Genie von ihr nicht hinlänglich ausgezeichnet werde. Wie ganz anders war es noch unter Louis Philipp! Als der Herzog von Montpensier sich mit der Königin von Spanien vermählte, lud man mich ein, diesen Festen in Madrid beizuwohnen. In Cadix hielt ein Staatsschiff zu meiner Disposition, und auf demselben machte ich mit einigen Freunden einen Besuch nach Afrika, sah mir Oran an, Bona, Algier, Tunis, Philippeville, machte eine Löwenjagd mit, befreite ein Dutzend Gefangene aus den Händen Abd-el-Kader’s und beschrieb und erzählte dies Alles in Pariser Feuilletons. Aber da das Königthum nicht mehr existirte, die Republik, wie ich einsah, nicht bestehen konnte, was blieb mir übrig, als Bonapartist zu werden und das Kaiserreich anzuerkennen? Doch unter allen Formen liebte ich die Freiheit und ich war daher der Erste, welcher dem großen Garibaldi seine Unterstützung zur Befreiung Italiens anbot. Das ist mein Ruhm, auf den ich stolz bin. Auch Alexander Dumas, wird die Geschichte sagen, gehörte zu denen, welche das neue Italien geschaffen haben!

Ueberraschen wird es Sie nicht, daß auch ich öfter genöthigt war, mit dem Degen in der Hand meine Gegner in Respect zu setzen. Einmal hatte ich eine Affaire mit Jules Janin, dem Dictator der Feuilletonkritik von ehemals. Ich mußte wohl mich mit ihm schlagen, ich hatte ihn gefordert. Ich proponire ihm Degen. Janin will sie nicht, sondern verlangte Pistolen. „O,“ sage ich, „Sie sind toll, lieber Herr Janin, ich schieße einen Franken aus Ihren Fingern, und Sie sind doch größer als ein Franc!“ Janin behauptet nun seinerseits, daß er mir unfehlbar mit dem Degen den Garaus machen würde und also diese Waffe nicht acceptiren könne. Um diesen Streit zu endigen, schlugen wir uns nicht und schossen wir uns nicht. Ein ander Mal spielte die Affaire mit dem Redacteur des „Figaro“; ich war beleidigt, Blut mußte fließen, die Freunde bitten mich, ihn nicht zu tödten. Ich verspreche dies und erscheine am Rendez-vous im Boulogner Gehölz. Mein Gegner ist da, man bringt Degen, wir legen uns aus. Und während ich beim ersten Gange ihm zurufe, sich zu vertheidigen und zu pariren, sticht er mich in die Schulter. Aber es war zum Glück nur unbedeutend.

Sie wissen, um noch eins in dieser Causerie zu erwähnen, daß neben Alexander Dumas Vater noch ein Alexander Dumas Sohn excellirt. Ja, in der That, es ist mein Sohn. und da er unter allen Umständen eine Mutter gehabt hat, können Sie annehmen, daß ich verheirathet war. Ich will Ihnen erzählen, wie das kam. Der Herzog von Orleans ist daran schuld. Einmal besuchte ich seinen Ball mit der jungen Schauspielerin Ida Ferrier. Da kommt der Herzog zu mir heran, klopft mir auf die Schulter und sagt:

„Natürlich, mein lieber Dumas, haben Sie mir Ihre Frau vorzustellen?“

Was blieb mir übrig? Ich mußte wohl Fräulein Ferrier heirathen, die ganze literarische Republik von Paris war dazu eingeladen, Herr von Chateaubriand war mein Zeuge. Madame Dumas zog später nach Florenz. Mein Sohn, der Schöpfer der Camellienliteratur, hat meinen Namen und meinen Ruhm von mir; denn, wie ich in meinen Memoiren schon gesagt: „Die Menschen sind die Väter der Thatsachen und die Väter sind für ihre Kinder verantwortlich!“

Schmidt-Weißenfels.




Ein Bild aus „Deutschland im Elend“.
Von Friedrich Hofmann.

„Und hier die zwei mächtigen Eisenketten an der Mauer, was bedeuten diese?“ So fragte ein alter Genosse der Burschenschaft mich auf der Veste Coburg, wohin wir nach den Jenaischen Jubeltagen einen gemeinschaftlichen Ausflug gemacht hatten. Wir standen auf der sogenannten „hohen Bastei“, zu welcher die Terrassen zwischen der Kirche und dem neuen Wirthshaus emporführen und die mit der alten starkzerwetterten Luther-Linde geschmückt ist. Auf dieser Bastei entfaltet sich vor unsern Augen ein entzückendes Panorama über das reizende Land und seine Berg- und Wälderkränze, vom Heiligen Kreuzberg der Rhön im Westen, dem ganzen Thüringerwaldkamm im Norden bis zu seinen südöstlichen Ausläufern und bis zu den fernen Kuppen des Fichtelgebirges, den langen schönen Linien der Berge des Frankenwaldes bis zum Mainthal mit seinen klöster- und capellengeschmückten Höhen und endlich bis zu den grünen Waldhügeln des Itzgrundes zu unseren Füßen. Wen dieses Bild voll Schönheit und Anmuth der Natur, dieses Paradies von fünf Eden, wie Jean Paul die Thäler seines lieben Coburg nannte, einmal entzückt hat, den wird es um so tiefer ergreifen,

Wenn wir auf all der Lande Segen
Im Geist des Krieges Bilder legen.

Die Frage meines Burschenschaftsgenossen führte uns von selbst mitten in die entsetzlichste Zeit des dreißigjährigen Kriegs. Während einer der damaligen Belagerungen der Veste soll ein feindlicher Spion eingefangen worden sein, den man geviertheilt und so dem Feinde zur Schau an diesen Ketten über die Mauer hinausgehangen habe. So lautet die Sage; die Chronik schweigt über diesen Act barbarischer Kriegsjustiz, er verschwindet aber auch sogar in der Summe der Gräuelthaten, von denen die Geschichte jener Zeit in diesen fränkischen Landen des Hauses Sachsen zu erzählen hat.

Für die Geschichte des dreißigjährigen Kriegs liegen noch heute Massen von Material verborgen und nicht wenig davon geht unbenutzt zu Grunde. Mit Recht sagt Gustav Freytag in seinen „Bildern aus der deutschen Vergangenheit“: „Viel ist über die Verwüstungen des dreißigjährigen Kriegs geschrieben worden, aber noch fehlt die große Arbeit, welche aus allen Territorien die erhaltenen statistischen Notizen zu einem Bilde zusammenstellte. Wie ungeheuer die Arbeit sei, sie muß doch unternommen werden, denn erst aus unwiderleglichen Zahlen wird die volle Größe des Unheils verständlich werden.“ Er sagt ferner, daß die Verhältnisse namentlich von Thüringen und Franken nicht übel geeignet seien, die Vergangenheit

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