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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

Fabrikation ganz und gar abhing, stand aber längst nicht mehr auf seiner früheren Höhe. Die kunstsinnigen, brauchbaren Erzeugnisse waren verschwunden und hatten Waaren Platz gemacht, deren Ruhm nur darin bestand, beispiellos billig zu sein. Das Bestreben, ohne Rücksicht auf Brauchbarkeit und Güte nur wohlfeil zu fabriciren, war zum Erbübel geworden, das vom Ahnen auf kommende Generationen in üppiger Weise fortwucherte. Die edlere Bedeutung der Bezeichnung „Nürnberger Gut“ war in die stehende und höhnende verwandelt: „Nürnberger Waare“, ja es war dahin gekommen, daß man in der ganzen Geschäftswelt annahm, in Nürnberg könne gar nichts Gutes gearbeitet werden.

Unter solchen Verhältnissen verkümmerte natürlich auch die Bleistiftfabrikation. Es geschah nicht selten, daß Fabrikate in die Welt hinausgeschickt wurden, welche das äußere Ansehen von Bleistiften hatten, indem das Holz an den beiden Endflächen mit Graphit getupft war, gleich als befände sich eine Bleieinlage darinnen, während man doch blos ein unbrauchbares Stück Holz vor sich hatte. Solche Pioniere, von der Nürnberger Fabrikation in das Ausland hinausgeschickt, mußten freilich deren gänzlichen Verfall herbeiführen, denn es ist schwer, das einmal verscherzte Vertrauen und die einmal verlorene Achtung wieder zu gewinnen.

Die Graphit-Mühlen in der Faber’schen Bleistift-Fabrik.


So tief war die Nürnberger Industrie herabgesunken, als vor noch nicht dreißig Jahren der gegenwärtige Besitzer des oben erwähnten Etablissements, Johann Lothar Faber, geb. am 12. Juni 1817, ein Mann von vorzüglicher Bildung und rastloser Thätigkeit, als Mensch gleich ausgezeichnet wie als Geschäftsmann, die väterliche Fabrik zu Stein übernahm und aus ihr bald ein Etablissement schuf, welches nicht nur als die bedeutendste Bleistiftmanufactur dasteht, die überhaupt existirt, sondern dessen Fabrikat auch allgemein als das vorzüglichste anerkannt ist und in die ganze civilisirte Welt geht.

Als neunzehnjähriger Jüngling war er zu seiner ferneren kaufmännischen Ausbildung nach Paris gegangen. Hier, wo sich im größeren Gesichtskreise sein industrieller Blick weitete und allerhand Projecte reiften, durch die er das väterliche Geschäft umgestalten und heben wollte, traf ihn nach einem dreijährigen Aufenthalte mitten in seinen Plänen und Ideen plötzlich und unerwartet die Nachricht von dem Tode seines Vaters. Rasch unternahm er noch eine vorher schon zur Bereicherung seiner Kenntnisse und Erfahrungen projectirte Reise nach London und kehrte im August 1839 in die Heimath zurück. Nun galt es, alle über das Wesen der Industrie gewonnenen Ideen zu verwerthen und zu verwirklichen.

Der Zustand der väterlichen Fabrik war ein höchst unbefriedigender; sie beschäftigte kaum noch einige zwanzig Arbeiter und ihr jährlicher Umsatz betrug etwa zwölftausend Gulden. Sollte für die Fabrik jene glänzende Zukunft, wie Faber sie in Paris im Geiste sich ausgemalt hatte, wirklich eintreten, so galt es einen Kampf – und der war nicht leicht – mit den alten, verkehrten Grundsätzen zu bestehen, mit dem schleppenden Gang der früheren Zeit zu brechen und nach dem Verfall der Nürnberger Industrie, die sich vom Weltmarkte zurückgedrängt sah, den Grundstein einer neuen zu legen, die allein im Stande wäre, Nürnberg seinen alten Ruhm wieder zu erobern.

Bis jetzt waren die Bleistifte nur in verhältnißmäßig wenigen und billigen Sorten fabricirt worden. Faber sah sich alsbald veranlaßt, auch feinere Sorten mit entsprechenden Preisen einzuführen. Allein wie erging es ihm! Als er sein neues verbessertes Fabrikat den Nürnberger und Fürther Kaufleuten das Groß (zwölf Dutzend) zu fünf Gulden anbot, fanden sie diesen Preis zu theuer und einer derselben richtete sogar die Frage an ihn: „Ob er wohl Silber in die Bleistifte hineinmache, da die theuersten Bleistifte in Nürnberg nicht mehr als drei Gulden kosteten?“ Heute verkauft Faber seine feinsten und besten Bleistifte zu sechszehn, ja selbst bis zu fünfundzwanzig Gulden, und dieser Preis stuft sich ab bis zu dem billigsten, welcher zweiundvierzig Kreuzer für das Groß beträgt, so

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verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 749. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_749.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)