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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

Wenn man dabei aber bedenkt, daß dies entsetzliche Unrecht fast ausschließlich nur den ärmsten und leidenden, also bedauernswerthesten Theil der Menschheit trifft, dann wird man hoffentlich unser Beginnen, dem mittelalterlichen Zopfthum der privilegirten Apothekerei einen Fetzen nach dem andern kaltblütig herabzureißen, nicht mit ungünstigen Augen ansehen. Möchten wir auch nur entfernt ähnliche Erfolge erreichen, wie Dr. Bock auf dem verwandten Gebiete sie so reich gewonnen hat, welche unermeßliche Fülle des Segens könnte ihnen dann folgen!

Carl Ruß.




Deutschlands große Werkstätten.
Nr. 2. Die Faber’sche Bleistiftfabrik in Stein.

Eine Stunde von der altberühmten Handelsstadt Nürnberg entfernt liegt an der Rednitz das freundliche und schmucke Dorf Stein. An beiden Seiten des Flüßchens erheben sich weitläufige Gebäude mit hellen Fensterreihen, dampfenden Schloten,

Die Faber’sche Bleistiftfabrik in Stein bei Nürnberg.

weiten Arbeitsräumen. Wir haben ein ausgedehntes Fabriketablissement vor uns. Inmitten zweier großer Parks mit geschmackvollen Anlagen, Gewächshäusern und Wintergarten, einem herrlichen See, prächtigen Baumgruppen zeigen sich zwei elegante Wohnhäuser, von denen namentlich das eine durch die Höhe seiner Lage und die Eigenthümlichkeit seiner Bauart sich auszeichnet, ein wirklich fürstlicher Wohnsitz. Ueberall begegnen dem Auge Wohlstand, Behaglichkeit und ein geschäftiges Treiben.

Auf dieses Dorf Stein weisen die ersten Spuren deutscher Bleistift-Fabrikation hin; schon im Jahre 1726 erwähnen die dortigen Kirchenbücher bei Gelegenheit der Verehelichungen der „Bleistiftmacher“. Ebendaselbst kommen später „Bleiweißschneider“ und „Bleiweißschneiderinnen“ vor. Hier siedelte sich auch vor nunmehr fast hundert Jahren Caspar Faber an und begann das Jahr darauf ebenfalls die Fabrikation von Bleistiften. Ein schlichter, einfacher Mann, hatte er mit dem Drucke der äußeren Verhältnisse zu kämpfen; sein ganzer Besitz bestand damals in einem kleinen an der Rednitz gelegenen Hause, das von einem Gärtchen umgeben war. Ein noch in der Familie aufbewahrtes gerichtliches Inventar vom Jahre 1786 führt den kleinen Besitzstand der Familie getreulich auf und schließt mit einem Baarvermögen von „neunundfünfzig Gulden“.

Der Umfang seines Geschäfts war ein gar bescheidener, der Absatz der gewonnenen Produkte sehr gering und nur local, da der kaufmännische Geist und Betrieb ihm nicht fördernd zur Seite standen. Nach Nürnberg und Fürth wurden die während der Woche gefertigten Bleistifte an jedem Sonnabend in einem Korbe getragen, doch dient der Umstand, daß sie gut bezahlt wurden, zum Beweis für ihre schon damals anerkannte Güte. Das Verhältniß zwischen dem Producenten und dem consumirenden Publicum war zu jener Zeit wenig geregelt; denn um die Fabrikanten in völliger Abhängigkeit zu erhalten, gestatteten ihnen die Kaufleute nicht, ihre besseren Producte mit ihren Namen zu zeichnen, sondern schrieben ihnen fremde Namen und nichtssagende Zeichen, wie Harfe, Sternchen und dergleichen, vor.

Der Handel Nürnbergs, von dem, wie gesagt, die Bleistift-Fabrikation

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verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 748. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_748.jpg&oldid=- (Version vom 28.11.2022)