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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

von einem Henker mit gelben Handschuhen und Manschetten gehängt. Die ernsteren Leute entsagten von diesem Augenblicke an der gelben Stärke und auch bei der leichtsinnigen jungen Welt kam die Mode mit der Zeit außer Gebrauch.

Den blutigen Thurm bezeichnet sein Name als den Schauplatz der Thaten, die von allen im Tower vorgekommenen den tiefsten Eindruck auf das Volk gemacht haben. Hier soll der Herzog von Clarence in einem Faß Malvasier ertränkt und hier sollen die beiden Söhne Eduard’s des Vierten auf Richard’s des Dritten Befehl mit Kissen erstickt sein. Die Zimmer, die man als die Stätten beider Verbrechen bezeichnet, liegen nebeneinander. Das Sterbezimmer des Herzogs von Clarence ist ein dunkler Raum ohne Fenster, in dem eines der Fallgatter des Towers aufgezogen und niedergelassen wurde. Der letzte Bewohner des blutigen Thurmes war ein berühmter Politiker unserer Tage, Sir Francis Burdett. Wegen eines Preßvergehens, das er in Cobbett’s „Wochenregister“ begangen hatte, wurde er ein Bewohner des Thurmes, der den Plantagenets, Yorks, Lancasters und Tudors zur Sättigung ihrer Rache an Feinden und zur Beseitigung von Thronprätendenten gedient hatte.

Dem Publicum sind alle diese Räume nicht zugänglich. Man setzt bei ihm blos ein Interesse an der Rüstkammer und an dem Zimmer mit den Kronjuwelen voraus. Auch in diesem letztern ist übrigens ein Verbrechen begangen worden. Unter Karl dem Zweiten lebte in Irland ein Oberst Thomas Blood, der in seinen Interessen durch Maßregeln der Regierung schwer benachtheiligt worden zu sein glaubte. Aus Rache verband er sich mit andern Unzufriedenen, einen Aufstand zu erregen, das Schloß von Dublin zu erstürmen und den Herzog von Ormond, Statthalter von Irland, zu ermorden. Der Anschlag wurde zwölf Stunden vor dem Zeitpunkte, an dem die Verschworenen losbrechen wollten, entdeckt. Die meisten Theilnehmer wurden verhaftet und hingerichtet, Blood entkam nach London, wohin auch der Herzog von Ormond sich bald darauf begab. Sich an diesem Feinde zu rächen, wurde Blood’s einziger Gedanke, und es fehlte nicht viel, so hätte er seinen Zweck durch einen Anschlag von wahrhaft unerhörter Frechheit erreicht. Im Jahre 1670 kam der Prinz von Oranien, der spätere Wilhelm der Dritte, nach London und die Altstadt gab ihm zu Ehren ein Fest. Der Herzog von Ormond war unter den Gästen gewesen und hatte auf der Rückkehr am späten Abend sein Haus am Ende der St. Jamesstreet fast erreicht, als er plötzlich einen Haufen Menschen am Kutschenschlage erscheinen sah und im nächsten Augenblicke aus dem Wagen gerissen, geknebelt, gebunden und auf ein Pferd geworfen wurde. Es entstand Lärm und man setzte den Verbrechern nach, aber Blood hätte seine Rache kühlen können, da sein Feind, den einer seiner Gefährten hinter sich auf dem Pferde hatte, völlig in seiner Gewalt war, wenn er sich nicht in den Kopf gesetzt hätte, daß der Herzog von Ormond am Galgen von Tyburn sterben müsse. Dahin war er vorausgeeilt, hatte einen Nagel eingeschlagen, einen Strick daran befestigt und ritt nun zurück, um nach seinem Gefangenen zu sehen. Sein Gefährte sprengte ihm allein entgegen und mahnte ihn zur Flucht. Der Herzog hatte plötzlich einen Fuß unter einen der Steigbügel geschoben und seinen Hüter mit einem Ruck vom Pferde geworfen. Er war mitgefallen, aber während der Andere ihn wieder aufs Pferd heben wollte, hörte dieser die Hufschläge von Verfolgenden und rettete sich.

Die Aufregung über diesen Anfall mitten in London war kaum vorüber, als Blood den Plan entwarf, die Kronjuwelen zu stehlen. Ihr Hüter war ein bejahrter Mann, Talbot Edwards. Als Blood sich die Sachen zeigen ließ, war er als Pfarrer verkleidet und hatte „seine Frau“ bei sich. Der Dame wurde unwohl, und Edwards nahm sich ihrer so herzlich an, daß Blood keinen Verdacht erregte, als er ihn nach ein paar Tagen besuchte und ihm im Namen seiner dankbaren Frau, die seine Frau nicht war und sich blos unwohl gestellt hatte, für Mistreß Edwards ein Paar Handschuhe überreichte. So entspann sich eine nähere Bekanntschaft, welche für die Frau Edwards den höchsten Werth bekam, als Blood zwischen ihrer Tochter und seinem Neffen, der ein reicher Gutsbesitzer sei, eine Heirath vorschlug. Am 9. Mai 1671 wollte er den jungen Mann um sieben Uhr vorstellen und noch zwei Freunde mitbringen, welche die Kronjuwelen zu sehen wünschten und früh abreisen müßten.

Zur bestimmten Stunde war die Gesellschaft da, außer Blood noch drei Männer, jeder mit einem Dolch und einem Paar Pistolen unter dem Rock. Seine Frau habe noch eine Abhaltung, sagte Blood, inzwischen könne man ja die Schatzkammer besuchen. Blood und zwei seiner Mitschuldigen traten in das Zimmer, der vierte blieb als Wache draußen. Plötzlich wurde Edwards ein Mantel über den Kopf geworfen und ein Knebel in seinen Mund gesteckt. Einer der Diebe nahm die Krone, ein zweiter den Reichsapfel zu sich, der dritte suchte das Scepter in der Mitte zu durchfeilen, damit es sich verstecken lasse. Zum Glück kam ein neuer Besuch und verscheuchte die Verbrecher. „Es war eine verunglückte, aber eine große That, es galt ja einer Krone!“ rief Blood, als er festgenommen wurde. Der König wohnte seinem Verhör bei und dies rettete ihn. Er gestand, daß er Karl dem Zweiten einmal aufgelauert habe, aber die Ehrfurcht vor der Majestät habe ihn überwältigt, und auch seine Freunde, die er zu Hunderten zähle, seien von ihm stets abgehalten worden, die Hand gegen die geheiligte Person des Monarchen zu erheben. Ob sie seinen Tod nicht würden rächen wollen, könne er freilich nicht wissen. Halb durch jene Schmeichelei gewonnen, halb durch diese Drohung eingeschüchtert, begnadigte der König Blood nicht blos, sondern wies ihm auch ein Jahrgeld von fünfhundert Pfund an.

Gegen eine Wiederholung solcher Versuche sind die Kronjuwelen jetzt geschützt. Der Beschauer verliert durch die getroffenen Maßregeln nichts; auf einer Drehscheibe liegend, bewegen sich die Kleinodien langsam an seinem Auge vorüber. Was man sieht, stammt aus verschiedenen Zeiten, doch ist das Werthvollste nicht älter als Karl der Zweite. Das Neueste ist die Krone der Königin Victoria, eine Kappe von purpurrothem Sammt, von silbernen Reifen eingeschlossen und über und über mit Diamanten besäet. Sie wiegt nicht zwei Pfund, ist aber 112,000 Pfund Sterling werth und bildet einen ebenso schlagenden Gegensatz zu den alten schweren Kronen des Mittelalters, wie der heutige freundliche, von einem Garten umgebene Tower zu der finsteren Zwingburg der Tudors.




Der Tabak ein Schädiger des Rückenmarks.

Die vielen Freunde, welche sich der Tabak in kurzer Zeit erworben hat, haben es denn endlich dahin gebracht, daß man von diesem Kraute nur noch Gutes denkt und seine schlechten Eigenschaften fast ganz der Vergessenheit übergeben hat. Und doch sind diese letzteren, wenigstens bei manchen Tabakssorten, so schlimme und heimtückisch wirkende, daß man als Menschenfreund zum Tabaksfeinde werden muß. Sehen wir vorläufig von den Sünden des Tabaks gegen den Verdauungs- und Athmungsapparat, die auch keine geringen sind, ganz ab und zeigen wir, wie er das Rückenmark schädigt.

Die Tabakpflanze (Nicotiana Tabacum) wurde im Jahre 1496 von einem spanischen Missionär, Romano Pane, welchen Columbus auf seiner zweiten Reise nach Amerika dort zurückließ, auf St. Domingo auf folgende Weise entdeckt. Die Eingeborenen hielten zu Ehren des Gottes Kiwasa eine große Feierlichkeit, bei welcher ein Priester durch die Einathmung des Rauches von Tabakblättern in einen Zustand von Exaltation versetzt wurde und weissagte. Der in der Nähe befindliche Missionär roch das eigenthümliche Aroma des brennenden Krautes und verschaffte sich Kenntniß von der Pflanze. Später wurde eine geringe Quantität des Tabaksamens an Kaiser Karl den Fünften gesendet; allein wegen ungenügender Kenntniß der Behandlungsweise der Pflanze gedieh dieselbe in Europa nicht. Erst als man im Jahre 1618 die Insel Cuba zum Pflanzorte des geheimnißvollen Krautes ausersah, da gedieh dasselbe in ausgezeichneter Weise. Jedoch war auch schon früher der Tabak als Rauchartikel allgemein verbreitet. Im Jahre 1559 brachte Hernandez de Toledo den Tabak in der Verarbeitung als Schnupfmittel nach Spanien und Portugal, und aus letzterem Lande schickte (etwa 1559-60) Jean Nicot, französischer Gesandter in Lissabon, eine Probe des gepulverten Tabaks als Mttel gegen Migräne an die Königin Katharina von Medicis und deren Sohn Franz den Zweiten. Mit der Rückkehr des Francis Drake aus

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