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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

Auctionen? Nur herumreisende Yankees, denn kein anständiger Südländer würde sich zu dem schmutzigen Geschäft eines Sclavenhändlers hergegeben haben; nur diese Menschenclasse, die der freie Norden und dort hauptsächlich der kleine Complex der eigentlichen Yankeestaaten, Massachusets, Connecticut und Vermont liefert. Die aber machten sich kein Gewissen daraus, Familien zu trennen und das Weib von dem Gatten, Kinder aus dem Arme der Eltern zu reißen. Es war einmal ihr Geschäft, für das ja auch sogar mancher deutsche Gelehrte seine Lanze einlegte und, wenn auch unbewußt, seine Rechtmäßigkeit vertheidigte.

Das ist das Furchtbare im Leben des Negersclaven, daß er nie und zu keiner Stunde seiner eigenen Familie sicher ist, daß er, wenn er sein Kind auf den Arm nimmt und es herzt und küßt, nicht weiß, ob nicht schon morgen ein frecher, tabakkauender Weißer, von den Gesetzen beschützt, den Arm danach ausstreckt und er es nie, nie wiedersieht. Fragt die Aermsten unserer Armen, fragt die unglücklichen Erzgebirger, die sich in ungünstigen Jahren von faulen Kartoffeln nähren und nicht einmal genug von der Nahrung haben, ob sie mit ihm tauschen möchten!

Aber sonst geht es den Negern gut.

Es ist gerade so, als ob ich von einem Menschen sage: „Er hat freilich die Schwindsucht – aber sonst geht es ihm gut.“

Ein glücklicher Leichtsinn half dem Volk übrigens das oft Unerträglichste wirklich zu ertragen. Ja, man hörte wohl dann und wann einmal von dem Selbstmord einer Mutter, der man ihr Kind geraubt und die sich in den Strom gestürzt; auch hat dann und wann ein junger Bursch aus thörichter Eifersucht einen Aufseher erschlagen und ist natürlich deshalb gehangen worden. Aber war das nicht Wahnsinn, mußte er denn nicht wissen, daß die Sklavinnen alle Eigenthum ihres Herrn sind, und keines der Mädchen dem Aufseher oder nigger-driver eine kleine Gefälligkeit weigern konnte, wenn sie nicht die Hölle auf Erden haben wollte.

Wie vergnügt die jungen Leute trotzdem zur Arbeit gingen! Es lag ihnen einmal im Blut, und wenn man sie so zusammen schwatzen und lachen hörte, hätte man kaum glauben können, daß eine einzige Sorge ihr Leben trübe.

Der Neger hat ungemein viel Sinn für das Komische und Niemand in der Welt kann herzlicher und lauter lachen, als ein Neger, Ihr Jaw! Jaw! Jaw! hört man oft unglaubliche Strecken weit, und sie biegen sich dabei zurück und zeigen ein paar Reihen von Zähne, die an blendender Weiße Nichts zu wünschen übrig lassen. Musik und Tanz lieben sie ebenfalls leidenschaftlich und das einfachste Instrument genügt, um eine ganze Plantage auf die Füße zu bringen. Oft und oft habe ich die Arbeiter bewundert, die an der Levée von New-Orleans die schweren Baumwollenballen und Zucker-„hogsheads“ an Bord der Schiffe wälzen. Besonders das letztere Geschäft treiben sie systematisch. Es giebt nämlich kaum eine schwerere Arbeit, als solch ein großes Zuckerfaß zu rollen, denn es ist nie vollständig gefüllt. Der schwere Zucker fällt dadurch fortwährend nach unten, so daß stets das ganze Gewicht gehoben werden muß. Je schwerer die Arbeit aber, desto lauter und lustiger geht es dabei zu, und man soll nur einmal die acht Mann, die gewöhnlich zu einem großen Faß gebraucht werden, sehen, wie sie dabei hüpfen und springen und im Tact ein munteres Lied singen. Wie am Bord der Schiffe bei schweren Arbeiten, macht auch hier einer den Vorsänger, der irgend eines ihrer oft schwermüthigen, oft ausgelassenen Negerlieder singt, in das dann, beim Ende eines jeden Verses, der Chor in lauter jubelnder Lust einfällt. Aber noch nicht genug, der Vorsänger ist auch zugleich Vortänzer, und während er jetzt mit triefender Stirn gegen die ungefüge Last anarbeitet, springt er plötzlich zurück, tanzt, während er die zwei letzten Strophen seines Verses singt, um die Arbeitenden und das Faß her, und wirft dann mit dem Refrain seine Schulter wieder gegen das riesige Hogshead.

So finden wir sie in den Sclavenstaaten, während sie in der Freiheit ganz andere, viel gesetztere Menschen werden und ihrer Arbeit mit großem Eifer, aber weit ruhiger obliegen, den fröhlichen leichtherzigen Sinn aber auch da nicht verleugnen.

In den nördlichen Staaten der Union leben Tausende und Tausende von freien „Farbigen“, wie sie sich dort selber bezeichnen, denn sie setzen eine Ehre darein, nicht etwa Schwarze oder gar Neger und noch schlimmer Nigger genannt zu werden, da das Wort Nigger eins ihrer eigenen und ärgsten Schimpfworte ist. Sie belegen ihre Race auch deshalb nur mit dem Namen coloured people oder farbiges Volk, und der Unterschied zwischen ihnen und den Weißen wird mit a white lady und a coloured lady oder a white gentleman und a coloured gentleman ausgedrückt.

Nun fand man sie allerdings in vielen Gewerken vertreten; sehr selten wird man aber einen der Race als Schneider, Drechsler, Blechschmied, Uhrmacher etc. antreffen, selbst Kaufleute und Händler wurden sie nur in Ausnahmsfällen. Dagegen monopolisirten sie schon früher in allen nordischen Städten Amerikas sowohl, wie selbst im Süden die sogenannten barbershops oder Barbierläden, in denen auch stets zugleich frisirt wird. Sämmtliche Köche und Kellner in den großen Hotels, Oystershops und anderen Anstalten sind ebenfalls „coloured men“ und keine Musikbande besteht fast von den Canadischen Seen nieder bis zum Cap Horn an der Südspitze des Festlandes, wo nicht ein Neger oder Mulatte die große Trommel schlüge oder Cymbeln und Triangel bearbeitete.

Auch an Bord von Schiffen sind sie meist Köche und Stewards, seltener Matrosen, nie aber konnten sie als Steuermann fahren und können es wahrscheinlich noch nicht, denn kein weißer amerikanischer Matrose würde sich von ihnen etwas befehlen lassen.

Merkwürdig ist überhaupt die grenzenlose Verachtung, mit welcher die farbigen Leute, selbst in ihren lichtesten Abkömmlingen, von den weißen Nordamerikanern behandelt wurden, ehe ihre Emancipation erklärt war. Sie hatten im Theater ihre bestimmten Plätze, auf der Eisenbahn ihre besonderen Wagen, sie mußten in den Straßen jedem Weißen ausweichen, wenn sie sich nicht augenblicklicher Züchtigung aussetzen wollten, und nur in neuerer Zeit scheint man den Versuch gemacht zu haben, sie in Allem den weißen Bürgern der Union gleichzustellen, ja ihnen sogar das Stimmrecht zu verleihen, und es bleibt abzuwarten, wie lange das gut thut. Es wird aber sehr schwer sein, die alten Vorurtheile so mit einem Mal zu beseitigen, denn der Weiße haßte nicht allein den Neger – das hätte sich ändern lassen –, sondern er verachtete ihn auch, und ein derartiges Gefühl ist unendlich schwer in Achtung zu verkehren. Geschah doch sogar das Außerordentliche vor einigen Jahren in einem der ersten Hotels Bremens, einer deutschen Stadt, wo ein Violinenvirtuos, ein Mulatte und ein durchaus gebildeter junger Mann, die Tafel auf Geheiß des Wirthes verlassen mußte, weil die dort das Haus zahlreich frequentirenden amerikanischen Schiffscapitaine drohten, das Hotel in Verruf zu erklären, wenn der Nigger nicht entfernt würde.

Jetzt ist die Sclaverei im Norden aufgehoben, und das einzige Land des amerikanischen Continents, wo es noch (außer in einem kleinen Theile Guianas) Negersclaven giebt, ist Brasilien. Dorthin wird auch noch – trotz aller dem entgegenlaufenden Gesetze – ein lebhafter Negerhandel von der afrikanischen Küste getrieben. Man scheint übrigens die Sclaven in Brasilien – so weit ich nämlich darüber urtheilen kann, ziemlich gut zu behandeln, und die Regierung thut auch ihr Möglichstes der Verbreitung der Sclaverei entgegenzutreten. Verbietet man doch sogar den deutschen Colonisten dort Sclaven zu halten. Die Neger verleugnen aber auch dort nicht ihr leichtes Blut und verrichten die schwersten Arbeiten unter Singen und Lachen. So sah ich einst vier Neger ein Pianino in Rio-Janeiro durch die Straßen tragen, und zwar auf ganz eigenthümliche, dort aber stets gebräuchliche Weise. Sie trugen das ziemlich schwere Instrument an den vier Ecken auf den Köpfen, und keuchten nicht etwa ihren Weg entlang, sondern tanzten. Einer von ihnen hatte eine Art von Castagnetten, mit denen er den Tact angab, und während sie mit lauter, jubelnder Stimme und außerordentlich vergnügten Gesichtern eines ihrer tollen Lieder sangen, tanzten sie dabei im wahren Sinn des Worts auf dem breiten Trottoir hin und verdrehten ihre Körper in der wunderlichsten Art.

In sämmtlichen Republiken des amerikanischen Continents sind die Negersclaven freigegeben, denn mit Recht hielten es die damaligen Gesetzgeber einer Republik für unwürdig, alle Menschen frei und gleichberechtigt zu erklären, und doch dabei die eine bestimmte Race in Banden und Knechtschaft zu halten. An der ganzen Westküste Amerikas, wie auch in den La Plata-Staaten, giebt es, dem Gesetz nach, keinen Sklaven mehr. Wo aber wäre schon ein Gesetz gegeben worden, das nicht der Eigennutz und die Habgier der Menschen zu umgehen und kraftlos zu machen gewußt!

Das Gesetz in Ecuador und Peru sagt ausdrücklich, daß dort kein Neger mehr als Sclave gehalten und verkauft werden darf, und doch geschieht Beides noch bis zu dieser Stunde, wenn auch in beschränktem Maße, aber noch dazu vor Gericht und von den

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