Seite:Die Gartenlaube (1865) 615.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

man durch Beobachtungen die Stelle kennen gelernt, wo ein Tiger aus dem Dickicht zu treten pflegt, so gräbt man ein Loch, das bei nur acht Fuß Weite zwanzig Fuß tief ist, und überdeckt es mit einer Doppelschicht von dünnen Aesten und dürrem Laub, so daß es von dem angrenzenden Boden nicht zu unterscheiden ist. Tritt der Tiger an dieser Stelle wieder aus dem Dickicht heraus, so bricht er durch und stürzt in die Grube. früher waren unten spitzige Pfähle angebracht, auf welchen der Tiger sich spießte. Seit ein Glaubensbote in einer solchen Grube einen qualvollen Tod gefunden hat, läßt man die Pfähle weg und tödtet entweder den Tiger durch Schüsse oder fängt ihn. Ist er ein schönes Thier, so läßt man ihn erst zwei oder drei Tage hungern, fesselt ihm durch herabgelassene Schlingen die Tatzen und zieht ihn heraus, um ihn zu verkaufen. Die Tigergruben sind auch ohne Pfähle eine Gefahr, vor der man fremde Europäer dringender warnt, als vor dem Tiger selbst.

Die Jagd mit der Büchse wird auf eine ungefährliche Weise betrieben. Man weiß, daß der Tiger, der einen Menschen erschlagen hat, ihn eine Strecke fortschleppt, sich sättigt, sein Versteck aufsucht und nach vierundzwanzig Stunden zurückkehrt, findet man eine Leiche, so läßt man sie ruhig liegen und baut auf dem nächsten Baume einen Sitz für den Jäger. Der Tiger kommt fast immer wieder und wird erlegt. Ein ehemaliger amerikanischer Officier, der die Ausrottung der Tiger um Singapore als seine Aufgabe betrachtete, hat auf diese Art schon eine ziemliche Anzahl getödtet. Vermindert wird die Zahl der Tiger durch alle Nachstellungen nicht, und man will sogar wissen, daß sie sich vermehren. Es giebt gegen diese Noth nur ein Mittel: die rasche Ausdehnung des Anbaues. Mit jedem Dickicht, das unter der Axt fällt, verschwindet ein Versteck der Tiger, und die gänzliche Ausrodung des Waldes treibt die verderblichen Raubthiere auf das Festland zurück, von dem sie eingewandert sind. –

Zu den beliebtesten Schauspielen gehören auf mehreren ostasiatischen Inseln, namentlich auf Java und Sumatra, die Kämpfe zwischen Tiger und Büffel, welche, wie in Spanien die Stiergefechte, von den verschiedenen Fürsten und Residenten auf jenen Eilanden bei besonderen festlichen Gelegenheiten zur Ergötzung des Volkes veranstaltet zu werden pflegen. Bei diesen Kämpfen ist indeß der Tiger regelmäßig die unterliegende Partei.

In einer aus Bambus errichteten kreisförmigen Umzäunung, an der zugleich in verschiedenen Etagen Schautribünen angebracht sind, befindet sich der Büffel, manchmal, um das Ganze mannigfaltiger zu machen, auch noch anderes Gethier, etwa ein Affe, ein Hund, ein Ziegenbock u. a. m. Jetzt tritt der Tiger aus einer Seitenthür in den Kreis, durch längeres Fasten sehr zahm und versöhnlich gestimmt, kaum mehr das Ebenbild seiner Brüder draußen in der Freiheit des Dickichts.

Er scheint wirklich allerfriedlichste Gesinnungen zu hegen, denn matt und träge mit schleppendem Schweife schleicht er am Rande der Schranke hin und meidet den Büffel, welcher, den Kopf vorgestreckt, mit glühenden Augen, dem Feinde die Stirn bietet. Mit einem Male stürzt dieser auf den wilden Stier, allein er prallt an dessen Hörnern zurück, wird überrannt und in den Sand geschleudert. Zwar richtet er sich wieder auf, doch seine Kraft ist gebrochen und es geschieht selten, daß er sich noch einmal ermannt; vielmehr äußert er seine Wuth nur durch ein dumpfes Knurren und grimmiges Zähnefletschen, höchstens bringt er dem Büffel noch einige Bisse an Kehle und Schenkeln bei, ehe er, unter den Klängen einer ohrenzerreißenden Musik, sich müde niederlegt und unter gräßlichen Zuckungen verendet.




Die blaue Tiefe.
Von Karl Vogt.
II.
Unzugänglichkeit der größeren Tiefen. – Der Taucherhelm. – Gewalt des Luftdrucks. – Das Schleppnetz. – Das Messungsloth. – Brooke’s Apparat. – Proben vom Meeresgrunde. – Tiefe desselben. – Unzulänglichkeit aller Sondirungsinstrumente. – Organisches Leben in der blauen Tiefe. – Der Teleskopfisch. – Die Industrie im Dienste der Naturforschung. – Die Telegraphenkabel als Mittel zur Naturforschung.

In größere Tiefen ist bisher noch kein Blick hinabgedrungen. Was viele sogenannte populäre Naturgeschichten von Tiefen von tausend Fuß und mehr fabeln, in welche geschickte Taucher sich hinabgelassen haben sollen, ist eitel Uebertreibung. Der Mensch könnte nicht einmal den Athem so lange anhalten, wie zur Erreichung einer solchen Tiefe nöthig wäre. Genauere Messungen würden leicht zeigen, daß eine Tiefe von einhundert und fünfzig bis höchstens zweihundert Fuß die äußerste Grenze ist, die der Mensch ohne Vorrichtungen erreichen kann. Die Perlenfischer von Ceylon und Bengalen tauchen nur bis in eine Tiefe von vierzig Fuß und können kaum mehr als eine halbe Minute aushalten.

Aber auch die Tauchapparate reichen nicht viel weiter. Früher hatte man die Taucherglocke – einen ungemein großen, unbehülflichen Apparat, in welchen eine gewisse Quantität Luft eingelassen war, die dem Tauchenden das Athmen gestattete man hat sie jetzt allgemein verlassen, um dagegen den Taucherhelm zu gebrauchen – eine geschlossene, mit Augengläsern versehene Sturmhaube, welche auf den Schultern aufsitzt und in die durch eine Luftpumpe vom Bord aus beständig frische Luft eingepumpt wird. Bei gehörigen Vorrichtungen im Schiffe, von welchem aus man taucht, bei guter Einübung der Leute, welche die Pumpen dirigiren und auf die Signale, die der Taucher aus der Tiefe giebt, Acht haben, und bei zweckmäßiger Auswahl der Taucher ist diese Einrichtung vollkommen, sobald man von gutem Wetter und ruhiger See begünstigt wird. Nicht Jeder kann aber selbst in geringer Tiefe diese Maschine vertragen. Sie übt dieselbe Einwirkung, wie die Röhren, in welchen bei den neueren Brückenbauten Menschen in verdichteter Luft unter einem Drucke von einigen Atmosphären arbeiten. Viele sind unfähig, es in einer solchen Röhre auszuhalten; unerträgliche Schmerzen in den Ohren zwingen sie, in gewöhnlichen Atmosphärendruck zurückzukehren. Von zweien meiner Freunde, die an der sicilischen Küste den Taucherhelm zu unterseeischen Untersuchungen benutzten, war der eine nicht im Stande, den Druck der Luft nur unter vierzig Fuß Wasser zu vertragen, während der andere sich dabei ganz wohl befand.

So ist es denn begreiflich, daß alle die unterseeischen Apparate, die Tauchkammern und untermeerischen Kameele Bauer’s und wie alle die unzähligen Erfindungen heißen mögen, von denen die Gartenlaube früher Kunde brachte – daß alle diese Apparate ebenfalls in keine größere Tiefe als dreihundert Fuß (fünfzig Faden) reichen und daß also Alles, was unterhalb dieser Tiefe sich findet, bis jetzt fast vollkommen unzugänglich war. Je tiefer man hinabsteigt, desto größer wird der Druck, welchen das Wasser auf die Apparate ausübt, so daß starke Metallröhren wie Wachs zusammengedrückt werden. Die Substanz müßte erst noch erfunden werden, welche fähig wäre, dem Drucke einer Wassermasse von tausend und mehr Faden Mächtigkeit zu widerstehen! Und doch wäre dies nöthig, wenn der Mensch selbst oder ein anderes luftathmendes Wesen in diese Tiefen dringen wollte – es müßte ihm ein hohler, mit Luft gefüllter Raum geschaffen werden, in dem er athmen könnte.

Für größere Tiefen über fünfzig Faden müssen also andere Hülfsmittel geschaffen werden. Die Naturforscher haben hierzu in ausgedehntestem Maße das Schleppnetz (drague im französischen, dredge im Englischen) benutzt, und besonders sind es englische und nordische Forscher, welche bedeutende Resultate damit erzielt und große Strecken der europäischen Meere auf diese Weise durchsucht haben. Die Austernfischerei hat zu diesen Forschungen den Anstoß gegeben.

Ich habe einmal einen Monat in St. Malo zugebracht. Wie in Frankreich Alles reglementirt ist, so auch die Austernfischerei. Die Boote, welche sie betreiben, müssen nach vorgeschriebenem Modell ausgerüstet, mit einer bestimmten Anzahl von Leuten bemannt sein und dürfen nur zur genau regulirten Zeit fischen. Es war ein schöner Anblick, wenn Hunderte von diesen Booten auf das Zeichen eines Kanonenschusses ihre Segel entfalteten und dann, weißen Schwänen gleich, aus der Bucht an meinem Fenster vorbei zu den Bänken flatterten, die in einiger Entfernung von der Küste sich befinden. Das Schleppnetz selbst ist ein grober, an einem eisernen Rahmen befestigter Beutel, welcher mittelst einer Winde in die Tiefe von höchstens dreihundert Fuß hinabgelassen wird. Die

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 615. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_615.jpg&oldid=- (Version vom 15.10.2022)