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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

sorgt und härmt. Am Abend sah ich ihn im Speisesaale, seinem abgehungerten Leibe eine halbe Flasche Wein mit Imbiß zuwendend, und welche lucullische Table d’hôte hatte sich der Arme für einen seiner vielen Goldsätze erzeugen können, wenn es eben nicht der Grundsatz der Spieler von Fach wäre, Alles auf den Zufall und Nichts auf den Körper zu wenden. Glückliche Spieler werden als eine Sehenswürdigkeit gezeigt, finden aber stets in ihren unglücklichen Collegen die lebhaftesten Sympathien, denn es geht nichts über die Freude, wenn einer dem Hai ein tüchtiges Stück vom Leibe reißt. Da verzerren sich die Gesichter der Spieler zu einem Lächeln teuflischer Freude über die der Bank versetzte Schlappe, einer wirklich teufelmäßigen Freude, die von neidischen Gefühlen gegen den glücklichen Collegen nicht im Geringsten alterirt wird, und als Pendant zu diesem schönen Götterfunken affectiren die Visagen der Croupiers eine himmlische mit kolossaler Gleichgültigkeit gepaarte Ruhe, als ob den Kerls Alles Eins sei, ob sie Geld hätten oder keins. Ich hatte an jenem Nachmittage das Vergnügen, zwei solche Glückliche zu schauen, eine junge Pariserin, die ganz anständige Packete von Tausend-Francs-Billets in die Tiefe ihrer Kleidtasche senkte und lachend der Bank den Rücken wandte, und einen riesigen Russen, ein echtes Baschkirengesicht. der unter den Goldrollen-Bergen am Trente et Quarante gründlich aufräumte.

Auf der nach dem Park gelegenen Terrasse erholt sich, wer genug sein läßt des grausamen Spiels, wer des Drängens und Treibens müde, wer das Gewonnene nicht verlieren, wer die Häupter seiner Lieben zählen will, aber vor Allem wer nichts mehr zu zählen, sondern Alles verloren hat, nur die Ehre nicht – hier noch eine Tasse kräftigen Kaffee zu trinken. Hier läßt sich manche heitere Beobachtung machen, besonders die, in wie verschiedener Weise sich die Wonne- und Schmerzensgefühle der von den Spielsälen Kommenden kundgeben. Da schreitet ein ernster Jüngling möglichst unbefangen über die Terrasse, läßt sich mit einem tiefen Seufzer nieder und schaut schwermüthig hinab in den herrlichen Park, aus dem gerade die lustigsten Weisen von Keler Bela heraufschallen, und unwillkürlich fielen mir beim Anblick dieses Jünglings die Worte ein: „Und sie trugen einen Todten hinaus und der war stumm!“ Da kommt die alte Mutter mit dem jungen Sohne, Beide roth wie Krebse, und flüstern ärgerlich, nachdem sie am äußersten Ende der Colonnade Platz genommen. Der junge Tausendsasa scheint noch eine Force auf diverse Nummern machen zu wollen, aber die Mama, die selbst die Hälfte der Reisecasse „versockt“ hat, schüttelt den Kopf, weht den erhitzten Fettwangen mit dem Fächer Kühlung zu und hält die Ledertasche mit dem Rest der Reisecasse fest. Da erscheinen zwei Husarenofficiere in leichtem „Sommercivil“ an der Schwelle des auf die Terrasse führenden Saales, und der eine bestellt lachend eine Wittwe Cliquot. „Wie stehst denn Du?“ fragt er den andern. „Ich stehe jar nich! Futsch!“ sagt der und lorgnont eine zwei Ellen Schleppe vorübertragende Camelliendame. „Weiß Gott,“ höre ich hinter mir eine Stimme aus dem Herzen Deutschlands, „ich habe Sie Habchen und Pabchen verloren, aber der Kaffee is kräftig!“

Das war, als ich diese Bilder dem immer wechselnden Leben auf diesem Ruhepunkte entnahm, genau die Stunde, in der die Abendstille eines bei Offenbach gelegenen Wäldchens durch einen Schuß unterbrochen wurde, dann waltete wieder Friede und Ruhe wie vorher, und die Vögelchen wagten ihr Abendlied fortzusetzen und die Grillen zirpten weiter. Auch der Mann in dem dichtern Theile des Wäldchens, der mit dem Gesicht auf dem Moosboden liegt, regt sich nicht mehr, – rien ne va plus!




Blätter und Blüthen.

Humor und Poesie auf Cassenscheinen. Die Casse der Niedersächsischcn Bank in Bückeburg, der berühmten Hauptstadt des deutschen Großstaates Lippe-Schaumburg, hat im Jahre 1856 Banknoten im Betrage von je zehn Thalern ausgegeben, welche eine Merkwürdigkeit zeigen, die gewiß nur von den Wenigsten bisher beachtet worden ist. Es hat nämlich einer der Bankbegründer – Manche wollen, der Fürst selber, nach Andern der betheiligte Prinz von Hohenlohe – den sublimen Einfall gehabt, die einzelnen Cassenscheine so zu zieren und zur Controle zu bezeichnen, daß darauf Verse aus Volksliedern, bekannten Gedichten und deutschen Sprüchwörtern derartig Wort für Wort niedergeschrieben (mit Tinte!) sind, daß eine gewisse Serie den ganzen Satz bildet. So liegt vor uns die mühsam zusammengebrachte Reihe Nr. 323,300–323,307. Auf dem ersten Schein trägt der Revers in dem flatternden Band unterhalb des Wappens links die Nummer „323,300“, rechts das Wörtchen „Ich“ (und darunter den classischen Namen „Spindler“). Die folgende Nummer trägt:

  323,301 = hab’
ferner 323,302 = mein’
  323,303 = Sach’
  323,304 = auf
  323,305 = Nichts
  323,306 = gestellt,
  323,307 = Juchhe!

Und da alle Noten der Niedersächsischen Bank in gleich origineller Weise beschrieben oder vielmehr gezeichnet sind, so bildet ihre Gesammtheit jedenfalls das wunderlichste und kostbarste Spruch- und Liederbuch der Welt! Wer sich die Mühe des Suchens und Sammelns nehmen will (und nota bene die Mittel dazu besitzt), der wird finden:

„Wer niemals einen Rausch gehabt,
Der ist kein braver Mann!“

oder:

„Wer nicht liebt Wein, Weib und Gesang,
Der bleibt ein Narr sein Leben lang!“

Und

„Willst du immer weiter schweifen?
Sieh, das Gute liegt so nah.
Lerne nur das Glück ergreifen
Denn das Glück ist immer da!“

Von diesen und vielen andern guten Reimen sind untrügliche Bruchstücke gefunden worden. Ob nicht die berühmte Scene der Papiergelderfindung im zweiten Theile des Faust ebenfalls benutzt worden ist? Nun weiß doch ein jeder Eigner von Bückeburger Banknoten, wenn ein früheres Besitzthum dieser Art wieder zu ihm rückkehrt, und kann ihm gerührt entgegenrufen: „Ihr naht euch wieder, schwankende Gestalten!“ Sage Niemand fürder, im Geld und Bankwesen sei keine Poesie zu finden – oder wir senden ihn nach Bückeburg!




Aus Mecklenburg. Als ein Seitenstück zu dem, was sich mecklenburgische Ritter namentlich den kleinen Landstädten gegenüber, welche theilweise ihre Nahrung aus den großen Gütern ziehen, erlauben dürfen, ohne dafür exemplarisch gestraft zu werden, will ich Ihnen einen Fall mittheilen, der die kürzlich in der Gartenlaube geschilderten Uebergriffe des Herrn von Arenstorff noch hinter sich zurückläßt. In der Nähe des Städtchens Krakow wohnt ein Herr von S…, auf dessen Besitzthum eines Abends in den vierziger Jahren ein armer Handelsjude aus der genannten Stadt hausirend einkehrte und, weil sich plötzlich heftiges Regenwetter eingestellt hatte, das ihn vorher ganz durchnäßte, um ein Obdach für die Nacht bat und es auch erhielt. In der Nacht wurde der alte Mann krank und starb gegen Morgen, ohne daß ihm Hülfe gegeben werden konnte. Dem Herrn wird die unangenehme Meldung gemacht und er schickt sofort seinen Reitknecht mit der Todesanzeige an die Stadtbehörde, der er die Aufforderung, die Leiche abzuholen, beifügte. Zu seiner Ueberraschung und größten Entrüstung lautet die Antwort ablehnend und auf die Verordnung verweisend, daß er für Bestattung des Gestorbenen zu sorgen habe. Kurz entschlossen läßt er anspannen und den Todten auf einen Büschel Stroh in einem Leiterwagen legen und zur Stadt führen. Zwei starke Knechte mußten mit aufsitzen und vorwärts ging’s bis zum Kirchhof. Dort angekommen, fuhr der Wagen dicht an die Mauer heran, die beiden vorerwähnten Knechte packten die Leiche je an Kopf und Füßen und schleuderten sie eins, zwei, drei über die Mauer. „Da habt Ihr Euren Juden!“ jubelten die Knechte und heim ging’s im sausenden Galopp.

Die Sache bedarf keines Commentars, um in ihrer ganzer Scheußlichkeit zu erscheinen; für die Wahrheit bürge ich Ihnen, und wer in Mecklenburg bekannt ist, wird von diesem Stück des edlen Ritters wohl wissen.

W.




Gedenkt der Invaliden! Ueber ein Jahr schon ist dahin seit den siegreichen Tagen des schleswig-holsteinischen Feldzuges, und daß die so hoch gehenden Wogen des Enthusiasmus inzwischen wieder sich gelegt, ist nicht weniger eine natürliche Wirkung der Zeit, als die leicht erklärliche Folge des unerquicklichen Verlaufes, den diese uns so tief berührende Angelegenheit genommen hat. Frei von aller Verstimmung, hoch über jeder Parteinahme aber muß ein Gefühl bestehen bleiben: das der Dankbarkeit gegen die Tapfern von Oeversee, Oberselk, Düppel, Alsen etc. und heilig sei uns Allen die Pflicht, diesem Gefühle der Dankbarkeit den Invaliden jenes Feldzuges gegenüber thatsächlichen Ausdruck zu geben. Hier muß das gesammte deutsche Volk warmen Herzens und mit offener Hand um so bereitwilliger eintreten, als Jeder weiß, wie unzulänglich der Staat für seine hülflosen Krieger sorgt; dies ist ein unabweisbarer Fall edelster Selbsthülfe! Eine Anzahl von Patrioten in preußisch und österreichisch Schlesien hat sich zu dem der Anerkennung wie der Unterstützung gleich werthen Unternehmen vereinigt, dem Einzelnen die Erfüllung seiner Dankespflicht zu erleichtern. Das Comité hat einen freundlichst ihm überlassenen Carton des rühmlich bekannten Künstlers P. J. N. Geiger, Professors an der Akademie der bildenden Künste in Wien, durch den Photographen G. Jägermeier in Wien vervielfältigen lassen und ladet nun zur Subscription auf dieses in jeder Beziehung vorzügliche und seiner Größe halber namentlich auch zum Zimmerschmuck geeignete „Erinnerungsblatt an die glorreiche Befreiung Schleswig-Holsteins“ mit dem Bemerken ein, daß der gesammte Reingewinn den im schleswig-holsteinischen Feldzuge von 1864 invalid ge- gewordenen Kriegern Preußens und Oesterreichs durch Vermittelung der Kriegsministerien zukommt, des guten Glaubens, „die deutsche Nation werde sich in diesem Gefühle der Dankbarkeit und seiner Bethätigung als ‚ein einig Volk von Brüdern‘ zeigen“. Mag dieser Glaube nicht getäuscht werden! Indem wir das Unternehmen unsern Freunden und Lesern zu geneigter thatkräftigster Unterstützung empfehlen, uns auch zur Entgegennahme von Subscriptionen gern bereit erklären, bemerken wir noch, daß der Preis des neunundzwanzig Zoll breiten und zwanzig Zoll hohen Kunstblattes vier Gulden ö. W. oder zwei Thaler zwanzig Silbergroschen beträgt und daß alle directen Bestellungen und Sendungen aus Preußen an Herrn Robert Scholz, königl. preuß. Kreis-Steuereinnehmer in Pleß in preußisch Schlesien, jene aus Oesterreich und allen andern Staaten aber an Herrn Eduard Klimett in Bielitz in österreichisch Schlesien erbeten werden.




Zur Beachtung für unsere Abonnenten in Schleswig-Holstein. In wenigen Wochen wird Schleswig sowohl als Holstein preußische Post besitzen, diese aber, früheren Erfahrungen nach, obwohl sie in dem fremden Lande kein Recht zu solcher Weigerung hat, die Beförderung unseres Blattes an die betreffenden Postabonnenten nicht mehr übernehmen. Wir ersuchen die letzteren daher, fortan die Gartenlaube auf dem Wege des dortigen Buchhandels beziehen zu wollen.

Die Expedition der Gartenlaube.

Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 592. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_592.jpg&oldid=- (Version vom 16.9.2022)