Seite:Die Gartenlaube (1865) 509.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

den Beschluß. Oken warnte die Studenten, eine Partei zu bilden, denn der Staat sei ihnen jetzt fremd, es gezieme nur zu überlegen, wie sie dereinst im Staate handeln sollten. Ein Banket auf der Wartburg und ein Festgottesdienst in der Kirche zu Eisenach folgten. Bei Fackelschein zogen die Studenten sodann nach dem Wartenberge, wo weithin die Ebene beleuchtende Siegesfeuer brannten. Die Professoren, ein Theil der Studenten waren nach der Universitätsstadt zurückgekehrt, die Gedenkfeier war vorüber. – Da kam Maßmann auf den unseligen Gedanken, politische Schriften reactionären Inhalts zu verbrennen, mit Hinweis auf Luther’s That vor dem Thore zu Wittenberg. Man warf die Schriften eines Schmalz, Kamptz, eines Kotzebue u. A., zuletzt einen Schnürleib, einen „Pracht-, Prahl- und Patentzopf“ und einen „großmächtigen Corporalstock“ in das Feuer.

Die Burschenschafts-Fahne.
die erste schwarz-roth-goldne Fahne Deutschlands.
Das Burschenschafts-Schwert.

Das Autodafé lag außerhalb des Festprogramms, geschah ohne Vorwissen des Ausschusses und hatte vor Allem den Nachtheil, die Leidenschaften wachzurufen. Die Phraseologie war entfesselt, und zwar in einer die weisen Staatsmänner jener Tage gewaltig erschreckenden Weise. Indem die Lohe dieses Feuers weithin den ganzen deutschen Himmel röthete – indem die Rödiger’sche Feuerrede und der Gesang:

Zuletzt nun rufet Pereat
Den schuft’gen Schmalzgesellen
Und drei Mal Pere – Pereat!
So fahren sie zur Höllen!
Auf! auf! mein deutsches Vaterland,
Ihr Brüder, reichet Euch die Hand
Und schwört: so woll’n wir’s halten!

weithin durch die deutschen Gauen donnerten und die Maßmann’sche Festbeschreibung und die Schilderungen und Bildchen in Oken’s Isis all das weiter und weiter trugen, wurde die Burschenschaft und ihr Fest der Gegenstand der Angriffe der aus allen Köchern wieder vorgekrochenen mächtigen freiheitsfeindlichen Partei. Das ganze Gelichter eines von Kamptz, Schmalz, von Cölln, Kotzebue etc. fiel über „den Haufen verwilderter Professoren und verführter Studenten auf der Wartburg, welche diese klassische Burg durch einen solchen recht eigentlichen Vandalismus demagogischer Intoleranz öffentlich entwürdigt“ habe, über die „jungen unreifen Solonen“, über „die neuen Jacobiner in Jena“ und „den demagogischen Frevel“ her und denuncirten nach Herzenslust. Noch gelang es dem deutschgesinnten edeln Karl August von Weimar, den Sturm zu beschwören. Nur Eins ging verloren: auf das Erscheinen der auf der Wartburg beschlossenen Burschenzeitung („der deutschen Burschen fliegende Blätter“) hatte man vergebens zu warten. Schon waren Beiträge von Nord und Süd zugesagt; aber die Vorsicht, welche man in Weimar üben zu müssen glaubte, verbot das Erscheinen der Zeitung; war man ja doch von Seiten aller der großen und kleinen Regierungen gegen das kleine liberal regierte Weimar und gegen den Weimarischen Großherzog aufgebracht, der zuerst unter allen deutschen Fürsten sein gegebenes Wort eingelöst, seinem Volke eine freisinnige Verfassung gegeben und sich dadurch neuen Dank, neue Verehrung gewonnen hatte. Die Angriffe auf das Wartburgfest galten zugleich dem Weimarischen Liberalismus.

Karl August aber hatte sich schon vor dem Wartburgfeste durch die hannöverschen Winke: „es gingen große Umtriebe in der deutschen Jugend- und Burschenwelt um, man wolle bei Eisenach eine Zusammenrottung halten und aus den entferntesten Gegenden sich dort zusammenfinden,“ nicht beirren lassen, sondern einfach geantwortet, „er danke herzlich für die Nachricht, wisse das Alles aber schon längst. Er erkannte jetzt, wie sein Staatsminister von Fritsch, allen den Verdächtigungen und Schmähungen der Reaction gegenüber, offen an, daß „das auf die Studirenden gesetzte Vertrauen nicht getäuscht und das Fest des 18. October im Ganzen mit religiösem Ernst, würdiger Haltung und Rührung gefeiert worden sei,“ und überzeugte davon im December 1817 auch den Grafen von Zichy und den Fürsten von Hardenberg, welche von Oesterreich und Preußen ganz expreß nach Weimar und Jena geschickt worden waren, um die unerhörten Dinge in der Nähe zu schauen, und Alles anders fanden, als man es außerhalb Thüringens dargestellt hatte. Namentlich berichtete Zichy hinsichtlich der Ungarn und Siebenbürger (welche noch bis neuere Zeit stets ein starkes Contingent zur Burschenschaft geliefert), daß er bei ihnen Ordnung, Disciplin und treffliche Gesinnungen gefunden habe. Karl August ließ es daher ruhig geschehen, daß in Folge des Wartburgfestes zu besserem Zusammenhalt der verschiedenen deutschen Burschenschaften vom 29. März bis 3. April und wieder vom 10. bis 19. October 1818 Burschentage in Jena abgehalten und von den Abgeordneten von Breslau, Erlangen, Gießen, Halle, Heidelberg, Jena, Königsberg, Leipzig, Marburg, Rostock, Tübingen und Würzburg die allgemeine deutsche Burschenschaft constituirt und am 18. Oktober 1818 durch öffentliche Gesänge und Reden, Gottesdienst und Freudenfeuer festlich gefeiert wurde.

Zum Dank hatte die Jenenser Burschenschaft schon kurze Zeit nach dem Eisenacher Feste ihm ein Fackelständchen bringen wollen, Karl August hatte es abgelehnt, war aber selbst nach Jena gekommen, hatte am 7. März 1818 den Dank der Burschenschaft im Schlosse zu Jena entgegengenommen und die kräftigen Vaterlands- und Kriegslieder des Männergesangvereins mit aufrichtigem Wohlwollen angehört. Am 24. Juni 1818 wurde ihm ein Enkel (der jetzt regierende Großherzog) geboren. Gern ertheilte Karl August der Burschenschaft die erbetene Erlaubniß, ihm und der landesfürstlichen Familie nach der Taufe des Erbprinzen eine feierliche Abendmusik darzubringen, und lud sogar dazu ein, zur Taufe selbst einige Abgeordnete als Vertreter der Burschenschaft abzusenden. v. Binzer, Siewerssen, Graf Keller, Gabler, Bogk und Gruner wohnten in vollem burschenschaftlichen Festkleide dem Taufact am 5. Juli 1818 bei, und an demselben Tage zog die gesammte Jenenser Burschenschaft, fast fünfhundert Mann stark, hinüber nach Weimar. Janitscharenmusik und die von Graf

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 509. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_509.jpg&oldid=- (Version vom 11.8.2022)