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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

waren zwei Nachtheile gemein. Erstens, daß die Höhe, bis zu der sie den Hammer hoben, in allen Fällen dieselbe blieb und die Wirksamkeit da gerade abnahm, wo ihre Erhöhung wünschenswerth gewesen wäre, nämlich dann, wenn das auf dem Ambos liegende zu schmiedende Stück von großen Dimensionen war und somit von der Fallhöhe des Hammers wenig zum Schlage übrig blieb. Zweitens, daß der Schlag des Hammers vermöge des Winkels, in dem er gehoben wurde, niemals parallel zum Ambos erfolgen konnte.

Außerdem beschränkte sich die Wirksamkeit der Hämmer durch die Schwierigkeit, ihren Fundamenten die für rapide Arbeit und die Verwandlung der wälzenden Bewegung der Welle in die des Hammeraufwurfes nöthige Stabilität zu geben. In dieser Verwandlung der wälzenden Bewegung der Welle in das Auf- und Niedergehen der Hämmer gab sich eine Uneigentlichkeit kund, die a priori für den denkenden Techniker auf die Nachtheile der damaligen Hammerconstruction hindeutete und mit Sicherheit annehmen ließ, daß die Form für die wirksamste Anordnung des mechanischen Hammers noch nicht gefunden sei. In diesem Sinne nahm schon im Jahre 1696 Evan Jones ein Patent auf Verbesserungen im Betriebe von Eisenhämmern, dessen Wesen indeß nicht mehr genau zu ermitteln ist.

Gerade in der letzterwähnten Schwierigkeit lag der Grund, daß das geradlinige Auf- und Niedersteigen der Kolbenstange der Dampfmaschine sich eigentlich ohne Weiteres als diejenige Gestalt mechanischer Kraft kundgeben mußte, die für Hervorbringung eines verticalen Schlages von beliebiger Fallhöhe und Intensität wie geschaffen schien. Am wenigsten konnte dies dem durchdringenden Blicke des Mannes entgehen, dessen großer Genius in der Entwickelung der Dampfmaschine die ganze Arbeit gethan hat, zu der es, beim Heranbilden anderer Erfindungen, der Thätigkeit von Generationen bedurfte.

James Watt, der die Dampfmaschine als formlosen, kaum lebensfähigen Embryo empfing und als reiche Individualität, als mächtigstes Rüstzeug des Geistes unserer Zeit aus den „sinnbegabten“ Händen stellte, der uns nur das Häufen der Zinsen jenes gewaltigen Capitals von Ideen übrig ließ, mit denen er, in wahrhaft apokalyptischem Geiste, die ganze Gegenwart und Zukunft der Dampfmaschine umfaßt hat: James Watt erkannte sofort, nachdem ihm seine doppelt wirkende Maschine gelungen war, daß es, um ein wirksames Werkzeug herzustellen, eigentlich nichts bedürfe, als einen gewöhnlichen Hammer mit dem Balancier dieser Maschine in Verbindung zu bringen und von diesem aufheben und fallen zu lassen.

Der große Vater der Dampfmaschine nahm auf diese Idee ein Patent, das vom 28. April 1784 datirt ist. Sie kam während seines Lebens nicht zur Ausführung und wie die Patente, die er auf Verwendung der Dampfmaschine zum Treiben von Schiffen und Wagen entnommen, erlosch auch dieses unbenutzt. Die Zeit für die Idee war noch nicht da. Aus gleichem Grunde besaß die Wiedererfindung derselben Vorrichtung durch W. Deverell, dessen Patent vom 6. Juni 1806 ist, keine Lebensfähigkeit. Da erschien der Geist der Zeit, der zu Ende des vorigen und Anfang des jetzigen Jahrhunderts die riesenhaften Kämpfe seiner politischen Reformation geschlagen hatte, nach mehr als zehnjähriger Ruhe mit neuer Kraft, aber in friedlicher Gestalt, auf dem Schauplatze der Civilisation. Die bewegliche Dampfmaschine, diese Personification des Verkehrs, war sein eingebornes Organ. Mit anderen Verkehren nahm auch der auf der Hauptstraße, welche die Civilisation auf ihrem Wege von Ost nach West um den Erdball wandelt, der Transatlantischen, ungewohnte Dimensionen an. In gleichem Maße wuchsen die der Fahrzeuge, welche ihn vermittelten, und ihre Theile.

Rathlos stand daher der Eigenthümer der berühmtesten Schmiedewerkstatt der Welt, John Nasmyth zu Patricroft, vor der ihm gestellten Aufgabe, als die Eigenthümer der neu begründeten Cunard-Dampfschifffahrt-Gesellschaft für ihr später so unglückliches Schiff „Präsident“ eine Welle mit Luftpumpenkrummachse von fünfzehn Zoll Durchmesser und zweiundzwanzig Fuß Länge durch ihn ausgeführt zu sehen wünschten. Die Noth zwang ihn endlich, einen Versuch mit dem directen Heben eines Hammerblockes durch einen darübergestellten Dampfcylinder zu machen. Der Versuch gelang über Erwarten, obwohl das Werkzeug blos aus einem alten Dampfcylinder bestand, der, auf einem Holzgerüste umgekehrt befestigt, an der Stange des in ihm spielenden Kolbens einen Block von circa zweitausend Pfund Gewicht ungefähr vier Fuß hoch hob und dann wieder fallen ließ, wenn man dem wirkenden Dampfe die Entweichung gestattete. Die Schläge, welche diese rohe Vorrichtung auf das zu bearbeitende Stück führte, waren so mächtig, so correct, so wirksam, daß die Constructeure derselben, Nasmyth, Gaskell und Crawdon, den Apparat mit großer Freude umstanden, der die glühenden Blöcke so gründlich durcharbeitete und die Schweißschlacke, selbst aus dem innersten Kerne desselben, so lustig herausspritzen ließ.

Aber die Herren waren noch weit von derjenigen Lösung der Aufgabe entfernt, durch welche das neue Werkzeug die Gestalt erhalten sollte, die es dazu befähigte, die ihm bestimmte große Rolle in der Entwickelungsgeschichte der neuen Technik zu spielen. Der erste Dampfhammer, den die Bridgewater Foundry zu Patricroft im Jahre 1842 vollendete, hob den Kolben mit dem daranhängenden Blocke nur dann, wenn ein Ventil in Schieberform, welches dem Dampfe gestattete, aus dem Kessel unter den Kolben zu treten, mittels eines langen Hebels von der Hand des Schmiedes geöffnet wurde. Dieser mußte nun alle Aufmerksamkeit darauf verwenden, daß dies nur während der gehörigen Zeit geschah. Erfolgte es nicht lange genug, so hob sich der Kolben und Hammer nicht zur vollen Höhe, während zu lange einströmender Dampf verloren ging. Es gehörte daher große Geschicklichkeit, Geistesgegenwart und auch Körperkraft dazu, mit der Vorrichtung einigermaßen regelmäßige Schläge auszuführen.

Ueberdies ergab es sich als geradehin unmöglich, mit der Vorrichtung so schnell zu schmieden, wie es erforderlich war, wenn die Glühhitze der Stücke, während deren sie am zweckmäßigsten bearbeitbar sind, genügend ausgenützt werden sollte. Im Ganzen zeigte sich daher noch im Jahre 1843 die neue, mächtige Vorrichtung zu Patricroft so unbehülflich, daß die Eigenthümer des berühmtesten Eisenwerks in England, dessen zu Low Moor, die Herren Hird, Dawson und Hardy, die im März des genannten Jahres nach Patricroft kamen, um den Apparat zu sehen und einen solchen von großen Dimensionen für ihr riesiges Etablissement bauen zu lassen, enttäuscht wieder abreisten. Bei dem ihnen zu Ehren gegebenen Diner äußerte einer der Herren, daß sie mit Bedauern die Banknoten wieder mitnähmen, die sie gern zu Patricroft gelassen hätten. Da sprang John Nasmyth auf und rief: „Legen Sie sie bei Seite! Legen Sie sie bei Seite und noch zehn Mal mehr dazu, und sie sollen doch nicht ausreichen, uns den Tribut zu bezahlen, den wir von Ihnen noch erheben werden!“

Die Thatsache gab den genialen Technikern zu Patricroft einen gewaltigen Stimulus, das ungelenke Kind ihres Talentes zum brauchbaren Manne heranzubilden. Mit zwei Eigenschaften mußten sie den Hammer vor allen Dingen ausstatten. Er mußte schneller arbeiten lernen und seine Function mußte von der unmittelbaren Leitung der Menschenhand unabhängig werden. Schon Deverell hatte 1806 den Weg zu Erreichung des ersteren Zweckes gezeigt. Er verschloß den Obertheil des Cylinders, in dem der hebende Kolben spielte, und ließ von diesem bei seinem Steigen die darin befindliche Luft zusammendrücken, so daß, wenn die Wirkung des Dampfes aufhörte, die Elasticität dieser Luft den Kolben rasch zurückschleuderte. In ähnlicher, jedoch nicht unwesentlich modificirter Weise, stellten die Ingenieure von Patricroft aus Luft ein Prallkissen, einen unzerstörbaren und nie versagenden Puffer her, der ihrem Hammerblocke die nöthige Geschwindigkeit verlieh. Blieb noch die Abhängigkeit von der Steuerung durch die Menschenhand zu beseitigen, und dies war die schwerere Aufgabe!

Der Eifer und eiserne Fleiß, mit dem die Constructeure an ihre Lösung gingen, war ohne Gleichen in der Bridgewater Foundry. Das Wort ihres berühmten Chefs, die Ehre des Werkes war verpfändet. Es handelte sich nicht mehr darum, ob die Erfindung gemacht werden könne, sondern nur darum, wann sie reif und fertig vom Zeichentische der Techniker in die Ateliers zur Ausführung wandern mußte. Das Constructionsbureau erklärte sich in Permanenz, es wurde zum Cardinalconclave, das fast nicht essen, trinken und schlafen durfte, bis der Papst gewählt, d. h. die Erfindung gemacht wäre.

Robert Wilson, einer der Chef-Techniker des Werkes, war der glückliche Finder der Ideen zu der „automatischen Steuerung des Hammers“, die von allen seinen Collegen, die mit ihm gebrütet und fast Tag und Nacht die Stirnen über die Reißbreter und Skizzenblätter gebeugt hatten, als vollständige Lösung der Aufgabe erklärt wurde. Die Wilson’sche Hammersteuerung gehört

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