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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

ich der genauen Untersuchung des Aufsehers, die wahrscheinlich zu der Entdeckung meiner angenommenen afrikanischen Hautfarbe geführt haben würde.

Der zweite Tag im Dienste der Conföderirten war für mich weit angenehmer als der erste. Ich hatte nur eine Brigade mit Wasser zu versorgen, was keine großen Anstrengungen einforderte, denn der Tag war kühl und der Brunnen nicht weit entfernt; demzufolge hatte ich eine Gelegenheit, unter den Soldaten herumzuschlendern und die Besprechung wichtiger Gegenstände anzuhören.

Auf diese Weise erfuhr ich die Zahl der Verstärkungen, die aus verschiedenen Orten angekommen waren, und hatte das Vergnügen, den General Lee zu sehen, der eintraf, während ich dort war.

Die Leute flüsterten sich einander zu, man habe ihn durch den Telegraphen beschieden, um die Yankee-Verschanzungen zu inspiciren, weil er der beste Ingenieur in der Conföderation sei, und er habe es für unmöglich erklärt, Yorktown zu halten, nachdem MacClellan seine Belagerungs-Geschütze auf den Ort hatte spielen lassen.

Ferner wurde auch General J. C. Johnson mit einem Theile seiner Truppen stündlich erwartet. Alles zusammengenommen, schlugen die Rebellen ihre Streitmacht in Yorktown und seiner Umgebung zu 150,000 Mann an.

Als Johnson ankam, wurde ein Kriegsrath gehalten und die Dinge nahmen ein mißliches Aussehen an. Darauf begann das Gerücht in Umlauf zu kommen, daß der Ort geräumt werden solle. Da ich noch etwas Zeit übrig hatte, so besuchte ich meine Negerfreunde und brachte ihnen Wasser. Ein junger Schwärzling, der einen Zug aus dem kühlen Getränke gethan, betrachtete mich mit Verwunderung und wandte sich an einen seiner Cameraden mit den Worten: ,Jim! ich will verdammt sein, wenn der Kerl da nicht weiß wird, wenn er es nicht wird, dann bin ich kein Nigger.’ Ich wurde durch diese Bemerkung etwas bestürzt, doch versetzte ich mit gleichgültiger Miene: ,Well, meine Herren, ich erwartete immer, einmal weiß zu werden; meine Mutter ist eine weiße Frau.’ Dieses hatte die gewünschte Wirkung, denn sie Alle lachten über meine Einfalt und machten keine weitere Bemerkung über den Gegenstand. Sobald ich ihnen schicklicher Weise außer Sicht kommen konnte, betrachtete ich meine Hautfarbe vermittelst eines kleinen Taschenspiegels, den ich gerade zu diesem Zwecke bei mir führte – und wahrhaftig, wie der Neger gesagt hatte, ich färbte mich in der That wieder weiß. Ich hatte mir noch eine dunkle Mulattenfarbe, während ich vor zwei Tagen noch so schwarz wie Ebenholz war. Indeß hatte ich ein Fläschchen salpetersaures Silber in schwacher Auflösung bei mir, welche ich anwandte, um das Verschwinden der übrigen Farbe zu verhindern.

Als ich mit einem frischen Wasservorrath auf meinen Posten zurückkehrte, sah ich eine Soldatengruppe um einen Menschen versammelt, der sie in echt südlicher Manier anredete. Die Stimme des Redners kam mir bekannt vor, und als ich einen verstohlenen Blick auf ihn warf, erkannte ich alsbald in ihm einen Hausirer, der regelmäßig einmal in der Woche mit Zeitungen und Schreibmaterialien in das Hauptquartier kam. Er pflegte sich dort unter einem oder dem andern Vorwande jedesmal einen halben Tag lang herumzutreiben. Eben gab er den Rebellen eine vollständige Beschreibung unseres Lagers und unserer Streitkräfte und brachte auch einen Abriß der ganzen Verschanzungen von MacClellan’s Stellung zum Vorschein. Er schloß seine Ansprache mit den Worten: ,Sie verloren einen trefflichen Officier durch meine Vermittelung, seitdem ich diesmal fortwar. Es war doch schade, einen solchen Mann zu tödten, obwohl er ein verdammter Yankee war.’ Dann erzählte er den Tod eines meiner innigsten Freunde, des Lieutenants James B., eines hohen stattlichen schwarzlockigen jungen Mannes aus St. John in New-Braunschweig, der durch diesen Verräther auf das Schändlichste hingemordet worden war. Ich dankte Gott für diese Nachricht. Von diesem Augenblick an war der Hausirer ein dem Tode geweihter Mann; sein Leben war nicht drei Cents in Conföderirtem Scheingeld werth. Zum Glück kannte er nicht die Gefühle, die das Herz des kleinen schwarzen Burschen durchstürmten, der so ruhig dasaß und die Feldflaschen füllte – und es war gut, daß er sie nicht kannte.

Am Abend des dritten Tages nach meinem Eintritt in das feindliche Lager, wurde ich in Begleitung der Farbigen ausgeschickt, um den äußersten Vorposten auf dem rechten Flügel ihr Abendessen zu bringen. Dies war gerade was ich wünschte, und ich hatte während des Tages in Betracht der Möglichkeit eines solchen Ereignisses Vorbereitungen getroffen, mich namentlich unter Anderem mit einer Feldflasche voll Whiskey versehen. Manche der auf Vorposten stehenden Leute waren Schwarze und manche Weiße.

Ich hatte große Vorliebe für die Leute meiner eigenen Farbe, deshalb rief ich einige der schwarzen Vorposten zu mir, setzte ihnen Maisbrod vor und gab ihnen etwas Whiskey zum Dessert. Während wir so zusammen waren, pfiffen uns die Miniékugeln der Yankees um die Köpfe herum, denn die Piketlinien der streitenden Theile waren keine halbe Meile von einander entfernt. Ich beabsichtigte eine Weile bei den Vorposten zu bleiben, und die Schwarzen kehrten ohne mich in das Lager zurück.

Nicht lange nach Einbruch der Nacht kam ein Officier die Linien entlang geritten; er bemerkte mich und fragte, was ich da zu thun hätte. Einer der Farbigen versetzte, ich hätte geholfen, ihnen ihr Abendessen zu bringen, und ich wolle warten, bis die Yankees ihr Feuer einstellten, ehe ich mich auf den Rückzug machte.

Er wandte sich darauf gegen mich mit den Worten: ,Du gehst mit mir voran.’ Ich folgte seinem Befehle und er kehrte auf demselben Wege, den er gekommen, zurück, bis wir etwa fünfzig Ruthen zurückgelegt hatten; darauf hielt er vor einem Unterofficier an und sprach: .Stellen Sie diesen Burschen bis zu meiner Rückkehr auf den Posten, wo jener Mann erschossen wurde.' Ich wurde einige Ruthen weiter geführt, worauf man mir eine Büchse in die Hand gab, welche ich ohne Weiteres zu brauchen hätte, falls ich irgend Etwas oder irgend Jemanden vom Feinde herankommen sehen sollte. Darauf folgte die schmeichelhafte Bemerkung, nachdem man mich am Rockkragen gepackt und ziemlich derb geschüttelt hatte: ,Nun, Du schwarzer Schuft, wenn Du auf Deinem Posten einschläfst, so schieße ich Dich wie einen Hund nieder.' ,O nein, Massa, ich fürchte mich zu sehr zu schlafen,’ war meine Antwort in echtem Negerkauderwälsch.

Die Nacht war sehr finster und es begann zu regnen. Ich war jetzt ganz allein, aber wie lange es dauern mochte, bis jener Officier mit Jemanden, der mich ablösen sollte, zurückkehren würde, das wußte ich nicht, und ich hielt es für das Beste, was ich thun konnte, den gegenwärtigen günstigen Augenblick gut zu benützen.

Nachdem ich die Stellung der Vorposten auf jeder Seite von mir so gut wie möglich ausgemittelt hatte, von denen jeder den Schutz des nächsten Baumes genoß, trat ich vorsichtig und geräuschlos in die Finsterniß hinaus und schlüpfte bald rasch durch den Hochwald nach dem ,Lande der Freien’ hin, während ich meine stattliche Büchse festpackte, um diese Beute nicht zu verlieren. Ich wagte mich nicht zu nahe an die Linien der Bundestruppen, denn ich schwebte in größerer Gefahr, von diesen erschossen zu werden, als von dem Feinde; deshalb brachte ich den Rest der Nacht auf Schußweite von unseren Linien zu und hielt mit dem ersten Morgengrauen das wohlbekannte Signal in die Höhe, worauf ich wieder einmal mit dem Anblick des theuern alten Sternenbanners begrüßt wurde.

Ich begab mich alsbald in mein Zelt. Nachdem ich mit Seife und Wasser soviel Farbe als möglich beseitigt hatte, war meine Hautfarbe ein hübsches Kastanienbraun geworden, das zu meinem neuen Costüm, einer Soldatenuniform, die ich mir hatte holen lassen, sehr gut stand. Hätte meine eigene Mutter mich damals gesehen, so würde es schwer gehalten haben, sie von unserer Verwandtschaft zu überzeugen. Ich fertigte meinen Rapport alsbald aus und brachte ihn in General Mac Clellan’s Hauptquartier, nebst meiner Trophäe aus dem Lande der Hochverräther. Ich sah den General G. B., aber er erkannte mich nicht wieder und befahl mir, mich in einer Stunde nach jener Zeit zu ihm zu begeben. Abermals kehrte ich in mein Zelt zurück, machte mein Gesicht mit Kreide weiß und kleidete mich in derselben Weise, wie am Tage der Prüfung, stellte mich zu der bestimmten Stunde ein und empfing die herzlichen Glückwünsche des Generals. Die Büchse wurde nach Washington geschickt und befindet sich jetzt als ein Andenken an den Krieg im Capitol.“



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