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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

und es galt jetzt, sich vor dem heranwälzenden Feuer zurückzuziehen. Sip wurde indeß der Richtung zugesandt, in der sie Nelly wußten, um diese zu rufen und zum Haus zu bringen, während die Moderatoren mit ihren beiden Gefangenen, denn der Getroffene lebte ebenfalls noch, langsam nach Süden hinunter, der Grenze des Schilfbruches zurückten. An dieser hinauf zogen sie sich dann langsam Joe’s Ferry zu, die als Sammelplatz nach beendigtem Kampf bestimmt worden war.

Mit Ashley’s Schaar trafen die Männer dort zusammen, und laut jubelnd grüßten sich die Sieger, aber Abend wurde es fast, bis Billins mit den Seinen und mit den erbeuteten Pferden und Negern zu ihnen stoßen konnte. Er hatte ja nahe an fünf englische Meilen den Strom mit dem Floß hinabtreiben müssen, ehe er wieder eine menschliche Wohnung und einen Landungsplatz am Ufer antraf. Den Negern, denen er für jede Pirogue einen der befreiten Schwarzen beigab, überließ er es dann, die beiden Fahrzeuge wieder stromauf zu schaffen, und die armen Teufel hatten harte Arbeit genug damit und kehrten auch erst am nächsten Tage zu der Fähre zurück, während er selber mit den Seinen und den übrigen Negern die vier Gefangenen und die Pferde transportirte.

Einer der „Regulatoren“ war allerdings durch den Leib geschossen und zum Gehen zu schwach, aber wenig Umstände genug wurden mit ihm gemacht. Man band ihn auf ein Pferd, das Billins selber an die Leine nahm, und wie sie nur erst einmal die unmittelbare Nähe des Stroms hinter sich hatten und aus der Niederung heraus waren, ging es in einem scharfen Trab dem Sammelplatze zu, wo jetzt Gericht gehalten werden sollte.

Gericht? es bedurfte dessen fast nicht. Der Bube, den die eine Pirogue aus dem Strom aufgefischt, war der Führer jener nämlichen Schaar, die Jenkins’ Hütte überfallen, auch der Verwundete gehörte dazu, der mit Netley hatte fliehen wollen. Die Beiden im Canoe waren dieselben, welche Ashley an jenem Tage mit an dem Baumast festgebunden; alle die gefundenen Pferde gehörten außerdem in die Ansiedlung, ebenso die Neger. Bedurfte es da eines weiteren Verhörs, weiterer Umstände?

Keiner der Gefangenen verlor auch ein Wort, das ihnen jetzt drohende Verhängniß abzuwenden, nur Netley warf sich in feiger Todesfurcht vor seine Richter auf die Kniee und flehte um sein Leben. Er hätte ebensogut den Himmel anflehen können, über ihm zusammenzustürzen.

Acht von den „Regulatoren“, mit den beiden, die Joe in Bewachung gehabt und unter denen sich Boyd mit dem einen Ohr befand, waren gefangen genommen, drei auf der Flucht getödtet worden, zwei nur entkommen oder wenigstens für jetzt in den Wald geflohen, und die Moderatoren saßen zum ersten Mal furchtbar zu Gericht.

„Was haben die Buben verdient,“ schrie Jenkins mit heiserer Stimme, „die Raub und Mord in unsere friedlichen Wohnungen getragen?“

„Den Tod!“ lautete die einstimmige dumpfe Antwort, und kaum fünfzehn Minuten später hingen die Verbrecher draußen im Wald an den breiten Aesten eines Maulbeerbaumes, ein furchtbar leckeres Mahl für Raben und Geier. Da Joe aber erklärte, daß er es in der Nachbarschaft nicht aushalten könne und seine Frau die nächste Nacht jedenfalls aus Furcht und Entsetzen kein Auge schließen würde, wenn die acht Leichen da kaum hundert Schritt von seinem Haus entfernt an den Zweigen hingen, schnitten sie die jungen Leute noch gegen Abend ab und warfen die Leichname in den Strom.

Von der Zeit an hatte die Ansiedlung am Red River Ruhe und kein Regulatorenbund wagte mehr, sein Haupt zu erheben. Zwei von der Bande waren allerdings entkommen, und trotzdem, daß am nächsten Morgen sämmtliche Backwoodsmen den Wald durchstreiften und sie aufzufinden suchten, liefen sie keinem von diesen in den Weg. Aber die Gegend war ihnen auch zu warm geworden und nur vereinzelt trieben sie sich Jahre lang in den westlichen Staaten herum, bis endlich im Jahre 1848 der Goldreichthum Californiens entdeckt wurde. Das befreite Texas mit einem Schlage von all dem gesetzlosen Volk, denn diese Burschen wußten sich sämmtlich Geld zur Ueberfahrt zu verschaffen, und der noch junge Staat konnte von da an ruhig seiner Entwickelung entgegengehen.




Schildereien aus Mecklenburg.
1. Ein Junker von Gottes Gnaden.

Das achtzehnte Jahrhundert beugte fast überall in Deutschland die Adelsmacht und den Adelsübermuth. Nur in Mecklenburg geschah dieses nicht, im Gegentheil ging die dortige Ritterschaft aus allen Kämpfen, die sich zwischen ihr und der fürstlichen Gewalt entsponnen hatten, als vollständige Siegerin, mit vielfach vermehrten und neuverbrieften Privilegien, hervor. Diese Privilegien sind denn auch bis auf den heutigen Tag conservirt worden, und die Ausnahmestellung, welche der mecklenburgische Adel dadurch vor seinen Standesgenossen in allen übrigen Culturländern einnimmt, hat es zu einer natürlichen Folge gehabt, daß seine Ansichten über staatliche und andere menschliche Verhältnisse und demnach auch seine Handlungen oft seltsam von denjenigen abweichen, welche anderswo gebräuchlich sind. Die nachfolgende, kaum glaubliche und doch buchstäblich wahre Geschichte wird dies darthun.

Mecklenburg, durchweg sehr schwach bevölkert, ist es am schwächsten in seinem südöstlichen, an die Mark grenzenden Theile. Hier finden sich zwischen zahlreichen, mannigfach verschlungenen Landseen meistens nur sandige Aecker, große Waldungen, morastige Brüche und ausgedehnte Wiesenflächen. In den hier belegenen ritterschaftlichen Aemtern Lübz, Slan und Wredenhagen wohnen auf der Quadratmeile kaum eintausend Menschen.

Die einzelnen Güter sind groß und oft befinden sich mehrere zusammengrenzende in den Händen eines Besitzers. Die Bauern, welche ehedem zahlreich darin wohnten, sind bis auf einige wenige, die zu Kossathen abgemindert und meistens in die abgelegensten und unfruchtbarsten Flecke der Feldmark ausgebaut sind, während der letzten achtzig Jahre von den Gutsherren abgeschlachtet worden und auf den Aeckern, welche sie ehemals inne hatten, sind neue Gutshöfe entstanden. So ist denn in den meisten Gütern der sämmtliche, in den übrigen aber fast aller Grund und Boden ein directes Eigenthum des Gutsherrn, und ebenso sind auch alle im Gute wohnenden Menschen, mit Ausnahme von Predigern und Küstern, vollständig abhängig von ihm, ihm zur täglichen Arbeit verpflichtet, seiner Polizeigewalt und seinem Patrimonialgericht unterworfen.

Domanialbesitzungen finden sich in dieser Gegend nur wenige. Größere Städte fehlen gänzlich und auch die kleineren sind dünner gesäet, als in den übrigen Landestheilen. Die Städte, obschon keine derselben sich jetzt noch unter adliger Herrschaft oder Gerichtsbarkeit befindet, sind doch mehr oder minder abhängig von einem oder einigen der umwohnenden Herren: Malchow von den Flotows, Röbel von dem Grafen Blücher-Finken und dem Baron von Langermann, Mirow von dem Baron von Hammerstein-Retzow und dem Herrn von Arenstorff-Krümmel, Wesenberg von dem Herrn von Voß-Ahrensberg. Denn da die genannten Herren die bedeutendsten Güterbesitzer im Umkreis der betreffenden Städte sind und diese ihre körperliche Nahrung meist aus jenen entnehmen müssen, so haben die Gutsherren das Wohl und Wehe jener Städte in ihrer Hand. Sie dürfen ihren Verbrauch nur anderswo entnehmen und ihren Tagelöhnern ein Verbot zugehen lassen, die betreffende Stadt zu besuchen, und diese wird sich, falls sie nicht ruinirt sein will, gar bald in den Willen der Gnädigen schicken. Die Stadt Hagenow, obschon dieselbe doch schon viele Domanialdörfer in ihrer Umgegend hat, wurde vor etwa fünfzehn Jahren von den benachbarten adeligen Familien in Verruf gethan, und dies wirkte derartig, daß die Bürger nach Kurzem die beleidigten Herren durch Deputationen um Verzeihung und um Zurückschenkung der ehedem genossenen Gunst inständigst anflehen ließen.

Dieser Landestheil, welcher weitab von jeder Eisenbahn liegt und den auch nicht einmal eine irgend beträchtlichere Handelsstraße durchstreicht, wurde früherhin nicht selten das mecklenburgische Sibirien genannt. Mit einem weit größeren Rechte könnte man ihn

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verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 441. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_441.jpg&oldid=- (Version vom 13.7.2022)