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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

bot sich ihnen ein würdiger Platz, der Kirche des Ansgarius gegenüber. Dort bauten sie 1619–1621 das stattliche Haus mit den beiden hohen Giebeln, das noch heute steht, wie eine alte Gedenktafel sagt; „dem Vaterland zu Ehren, die Nachkommen zu lehren“. Die Zeit der Blüthe des norddeutschen Tuchhandels war jedoch dahin, der Bau war für das Amtshaus zu prächtig, und so war der Plan gefaßt, dasselbe zugleich als Hochzeitshaus zu benutzen. Die Gewandschneider konnten mit dem stolzen Gebäude prunken und zugleich aus seinen Räumen den ihrer Casse erwünschten Verdienst ziehen; eine Verordnung des Raths befahl, daß in ihnen allein die „Braut- und Kindtage“ abzuhalten seien, Das Haus war auch ausgestattet; wie es sich für Feste ziemt; unter seinen Gemälden verdient ein Bild von dem namhaften Maler Franz Wulfhagen Erwähnung, die Hochzeit zu Kana darstellend, den in allen Hochzeitshäusern üblichen Gegenstand.

Lange erfreute sich die Tuchhändlerinnung ihres Bauwerkes nicht, 1685 mußte sie dasselbe an das Krameramt verkaufen; allein das Gebäude behielt seine alte Bestimmung. Mancherlei Privatfeste wurden in seinen Räumen gefeiert; im Laufe der Zeit kamen andere Geselligkeiten hinzu. Versammlungen zu wissenschaftlichen Zwecken, Schaustellungen der verschiedensten Art, Theateraufführungen und Concertvorträge, Wachsfigurencabinete und Taschenspielerproductionen riefen Manchen in’s Amtshaus der Kramer. Obwohl die Sitte dann mehr und mehr abkam, in ihm Hochzeiten und ähnliche Familienfeste zu feiern; obwohl das reiche Silbergeschirr der alten Zeit veräußert wurde: bewahrte das Krameramthaus im vorigen und selbst noch in diesem Jahrhundert noch alle die Eigenthümlichkeiten des alten Hochzeithauses, die mit dem neuen Wesen, den modernen Verhältnissen in Einklang zu bringen waren; es blieb ein städtisches Gesellschaftshaus eigenthümlicher Art.

Diesen Charakter bewahrt das Gebäude auch jetzt noch, obwohl es in jüngster Zeit in die Hände des Staates kam und zum Mittelpunkte der gewerblichen Interessen Bremens, zum Sitz der Gewerbekammer und des Gewerbeconvents gemacht wurde. Wohl eignete sich das stattliche Amthaus, das aus der zünftigen Zeit der Stadt in die moderne Periode der Gewerbefreiheit sich hinübergerettet hatte, zum „Gewerbehause“; aber man vergaß nicht, daß es auch „Hochzeitshaus“ gewesen war. Als 1861 der verdienstvolle Architect S. Loschen den im Innern vorzunehmenden Umbau leitete, ward in sehr glücklicher Weise die doppelte Bestimmung des Bauwerkes zur Geltung gebracht, das neue „Gewerbehaus“ blieb den geselligen Zwecken erhalten, denen sein Bau von Anbeginn gedient hatte. Freilich werden seine Räume wohl schwerlich jemals für Privat- und Familienfeste benutzt werden; freilich werden von ihnen Schaustellungen fern gehalten bleiben, die in Marktbuden und Trinkstuben gehören, aber seit ihrem kurzen Bestehen sind sie schon oftmals zu großen Ausstellungen, zu Vorlesungen, zu berathenden Versammlungen aller Art benutzt, hat schon manche Festtafel an der Stätte gestanden, wo die Hochzeitstische in früherer Zeit sich befanden.

Das Gewerbehaus in Bremen umschließt nicht blos die Räume für die zur Förderung von Industrie und Gewerbe bestehenden Staatskörperschaften und freien Vereine; es enthält nicht blos die Gewerbebibliothek und die Zeichenschule für Handwerker: die ganze Einrichtung seines Innern zeigt vielmehr, daß das öffentliche Gebäude noch den weiteren Zweck eines allgemeinen Gesellschaftshauses hat. Treten wir durch das alte Portal in den unteren Raum, so schauen von den Wänden die lebensgroßen Portraits Bremischer Rathsherrn auf den Besucher herab, ernste, würdige, kraftvolle Gestalten. Dem Kreise der Vertreter Bremischer Geschichte wird man beim Besteigen der breiten Treppe entrückt; hier schmücken Symbole der Künste die Seiten, unter ihnen das große Bauhüttenwappen, das auf Kaiser Maximilian zurückgeführt wird. Ein breiter lebensvoller Fries zeigt dann im oberen Treppenhause das Leben, das dem Handwerksmanne in jener Zeit deutschen Bürgerthums blühte, wo das Handwerk die Hauptstütze städtischen Wesens war. Zur Linken öffnet sich hier die Thür des großen Saales, auf dessen Längswänden in breitem Friese die Entwicklung des menschlichen Geistes in energischen charakteristischen Zügen dargestellt ist; der Treppe gegenüber befindet sich der Saal, den unsere Abbildung darstellt, wohl der gelungenste Theil im Inneren des Baues, ein Werk aus einem Guß, im Großen, wie im Einzelnen mit feinem Tacte ausgeführt, eine der vollendetsten Schöpfungen der modernen Gothischen Schule. Sein Schmuck hat dem Zimmer den Namen des „Kaisersaales“ gegeben; auf der Decke zeigt sich der deutsche Reichsadler mit den städtischen Wappenzeichen auf der Brust; die Schilde der deutschen Staaten rahmen die Decke ein und oben an den Wänden prangen die Brustbilder der deutschen Kaiser.

In der Ausschmückung dieses Zimmers, wie des ganzen Gewerbehauses offenbart sich deutlich, welche Fortschritte der Geschmack unserer Zeit gemacht hat. Was hätten die Männer, die das Hochzeitshaus zu Bremen bauten, wohl gesagt, wenn ihnen in dieser Weise ein Zimmer decorirt wäre? Sie hätten für einen Rathhaussaal, für den Saal eines fürstlichen Schlosses solchen Schmuck vielleicht geeignet gefunden, nicht aber für ein Zimmer, in dem heut Diese, morgen Jene sich versammeln, bald zu ernster Verhandlung, bald zu festlichem Vereine. Unserer Zeit ist es eigen; daß die Kunst ihren veredelnden Einfluß, wo immer sie thätig wird, geltend zu machen sucht; sie strebt überall die ideale Seite des Lebens uns vor die Augen zu führen, und sicher ist der künstlerische Schmuck des Gewerbehauses ein Zeichen, daß Bremen nicht aufgeht in Handel, Geschäft und Materialismus.

H. A. S.




Die Moderatoren.
Erzählung aus Texas.
Von Friedrich Gerstäcker.
(Schluß.)

Noch war es nicht heller Tag; die Sonnenscheibe berührte allerdings schon den Horizont, aber im Walde selber lag noch Dämmerung, wenn sich die nächsten Gegenstände auch deutlich erkennen ließen. Jedenfalls hatten die Moderatoren schon, was man „Büchsenlicht“ nennt; es war so hell, daß der Jäger das Korn an seiner Büchse im Visier unterscheiden kann, allein die Gestalt schien keine Ahnung der nahen Feinde zu haben, die mit ihren waldfarbenen Jagdhemden auch allerdings in Nichts von dem sie umgebenden Dickicht abstachen. Jetzt war sie auf kaum zehn Schritt herangekommen und erkannte den Pfad, als Jenkins plötzlich mit erstaunter, aber vorsichtig gedämpfter Stimme rief: „Nelly!“

Die Flüchtige stutzte und erschrak, einen Moment stand sie wie unschlüssig, wohin sie sich wenden sollte, doch im nächsten erkannte sie ihren alten Herrn, stürzte mit einem Freudenschrei auf ihn zu, warf sich vor ihm nieder und umklammerte seine Kniee.

Und wie sah die Unglückliche aus! Ihr Antlitz war aschfahl geworden, die dünnen Kleider hingen ihr, von dem Rohr zerrissen, nur noch in Streifen um die Glieder, und scheu und entsetzt flog ihr Blick zurück, als ob sie die Verfolger noch immer auf ihren Fährten fürchte.

Des alten Jenkins Frage brachte sie aber bald wieder zu sich selber. „Wo sind sie?“ flüsterte er leise.

„Dort,“ sagte das Mädchen und zeigte entsetzt mit dem Arm zurück.

„Wieweit?“

„Gar nicht weit mehr, dicht am Fluß.“

„Wie viel?“

„Elf Mann, zwei wurden heute Nacht fortgeschickt, um Master Joe’s Canoes zu holen, sind aber noch nicht zurück.“

„Haben sie kein Canoe im Fluß?“

„Ich habe keins gesehen, aber ein Floß haben sie gebaut und die Pferde heute Morgen hinaufgeschafft, und fünf Neger sind auf dem Floß. Sie wollen fort, sie warten nur auf die Canoes.“

„Aber in der Slew ist ein Canoe?“

„Ja, aber ein kleines, das nur zwei Mann tragen kann. Sie haben es vorhin in den Fluß hinüber geschleppt.“

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verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 438. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_438.jpg&oldid=- (Version vom 13.7.2022)