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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

Die Moderatoren.
Erzählung aus Texas.
Von Fr. Gerstäcker.
(Fortsetzung.)
6. Der Marsch.

Mit diesen Vorberathungen, während die Leute an dem mitten auf dem Platze entzündeten mächtigen Feuer ihre mitgebrachten Provisionen zubereiteten und Jenkins’ große blecherne Kaffeekanne brodelte und zischte, rückte die Zeit des Aufbruchs heran. Billins sammelte die ihm zugetheilten Männer, schüttelte Jenkins und Ashley noch einmal die Hand und rüstete sich zum Marsch.

„Und denkt daran, Billins,“ rief ihm der Alte nach, „daß wir die Burschen lebendig haben wollen, spart Euer Blei soviel als möglich, denn eine Kugel ist zu gut für sie!“

,Habt keine Angst, Jenkins,“ sagte der junge Mann finster, nur im äußersten Fall schießen wir, mir liegt selber daran, daß ich die Schufte hängen sehe. Und nun kommt, Cameraden, wir haben noch einen ziemlichen Ritt und wollen machen, daß wir den Platz erreichen.“

Und fort trabten die sieben dunkeln Gestalten durch den Wald, während Ashley jetzt seine Schaar sammelte, um zuerst auf Netley’s Haus zu marschiren und von da den Bruch vorzunehmen. Auch diese waren beritten, um den noch ziemlich weiten Weg rasch zurücklegen zu können und dann lieber bis zur Morgendämmerung im Hinterhalt zu bleiben.

Jenkins behielt, da Ashley ebenfalls sechs von den Männern mitgenommen, noch sechs für sich, und mit Sip, der in Ermangelung anderer Waffen nur ein Beil und ein Messer bekam, waren sie jetzt acht Mann, aber sie ließen ihre Pferde bei Jenkins’ Haus, da sie kaum mehr als anderthalb englische Meilen zu gehen hatten, bis sie die Slew erreichten, und dort mit den Thieren doch nicht gut weiter konnten. Jenkins hätte auch wohl noch eine gute Stunde Zeit gehabt; allein es ließ ihm keine Ruhe. Was jeden Andern vielleicht ermattet und niedergeworfen, seine körperlichen Schmerzen, trieb ihn nur um soviel rückhaltloser zur Rache an, und er konnte den Moment nicht erwarten, wo er auf die Verbrecher einstürmen und Vergeltung, furchtbar blutige Vergeltung an ihnen üben durfte.

Nicht weniger eifrig waren seine Bundesgenossen in der Ausführung der ihnen ertheilten Weisung, und noch lange vor Tag erreichte Billins „Joe’s Ferry“, wie der Platz genannt wurde. In Sicht der Häuser schon zügelte der kleine Trupp seine Pferde ein. Am Wasser konnten sie mit den Thieren doch nichts anfangen und es war besser, sie hier frei zu lassen, daß sie die Zeit zur Weide benutzten. Rasch und leise wurde der Befehl gegeben, denn der wahre Jäger macht nie gern viel Lärm im Walde. Die Sättel und Decken mit dem Zaumzeug legten die Männer dann zusammen unter einen Baum und schritten zu Fuß den Häusern zu, um Joe zu wecken und Rücksprache mit ihm wegen der Canoes zu nehmen

Im Haus schlief noch Alles. Lichter waren wenigstens nirgends zu sehen, auch der Schein keines Feuers, aber am Fluß selber, der etwa fünfzig Schritt weiter entfernt lag, hörten sie Stimmen. Billins horchte hoch auf, denn es schien fast, als ob sich dort ein paar Leute miteinander zankten.

Einen Moment horchte er und flüsterte dann leise:

„Da sind Leute an den Booten, beim Himmel, was ist das?“

Der Fluß war ziemlich hoch, da in dieser Jahreszeit das Schneewasser aus den Felsengebirgen noch herunterkam, die Uferbank aber doch noch zu steil, als daß sie von hier aus die Stelle, wo die Canoes lagen, hätten erkennen können. Die Stimmen kamen jedoch jedenfalls vom Wasser herauf, und die kleine Schaar der Moderatoren glitt jetzt, ohne weiter ein Wort miteinander zu wechseln, rasch und geräuschlos der Landungsstelle zu, an der sie, auf ein Zeichen von Billins, einen Augenblick hielten.

„Gemmen,“ sagte die Stimme des alten Negers Nero, die Billins gut genug kannte, „Massa hat Schlüssel zu Canoe, muß erst Massa wecken, wenn Sie Canoe haben wollen, und ist jetzt noch dunkle Nacht, Massa wird schimpfen.“

„Aber ich habe Dir ja gesagt, Wollkopf,“ rief der eine der Männer, „daß wir nur unser eigenes Canoe haben wollen, das am anderen Ufer liegt, in einer halben Stunde sind wir mit dem zurück.“

„Ach, mach’ keine Umstände, Bob,“ sagte der Andere, „dreh die verfluchte Kette ab. Die Zeit vergeht und wir können uns mit dem Nigger nicht die halbe Nacht herumstreiten.“

„Das sind Regulatoren und wollen die Canoes stehlen,“ flüsterte einer der Schaar Billins zu.

„Zwei von Euch rechts, zwei links die Bank hinunter,“ drängte Billins, „daß wir sie in die Mitte bekommen, rasch, sowie sie Wind kriegen, sind sie fort und geben Alarm.“

Wie die Schatten glitten die Jäger rechts und links ab, und von allen drei Seiten zugleich sprangen sie jetzt hinab, daß sie die drei Personen unten am Ufer in die Mitte bekamen.

„Halt! was geht hier vor?“

„Law de Mussy,“ rief der alte Neger erschreckt, „gar nichts, Gemmen wollen meine Canoes nehmen.“

„Wer seid Ihr und was wollt Ihr mit den Fahrzeugen?“ rief Billins, indem er, die Büchse im Anschlag, an die Canoes hinuntersprang.

„Gehören sie Euch?“ frug der eine der Burschen finster.

„Ich will Dir etwas sagen, Camerad,“ entgegnete Billins, „komm einmal hier an’s Land, denn wir möchten Deine nähere Bekanntschaft machen. Die erste Bewegung zur Flucht und ich lasse den Mond durch Deinen Schädel scheinen.“

„Was wollt Ihr von uns? Wir sind friedliche Ansiedler,“ rief der Andere, „und wohnen gegenüber am Strom.“

„Gut, wenn das wahr ist, habt Ihr auch nichts zu fürchten,“ entgegnete ihm Billins, „aber da draußen können wir Euch nicht so gut erkennen, also kommt an’s Land. Bei Gott, ich verstehe keinen Spaß und mein Finger liegt am Drücker.“

Seine Gefährten hatten indeß die Boote umzingelt, Flucht der Fremden war nicht mehr möglich, wenn sie sich nicht durch Schwimmen und Tauchen retten konnten, wozu sie aber keine Lust zu haben schienen. Es blieb ihnen deshalb nichts Anderes übrig, als dem Befehl Folge zu leisten, denn nicht einmal mit Feuergewehr versehen, hätten sie sich gar nicht widersetzen können. Mürrisch und mit leisen, zwischen den Zähnen durchgemurmelten Flüchen verließen sie die dicht nebeneinander hängenden Canoes, von denen schon Jeder eines betreten hatte, und sagten:

„Nun, Sir, was giebt’s, daß Sie friedliche Leute in solcher Art überfallen?“

„Das sollt Ihr gleich hören, meine Burschen,“ sagte Billins, der noch immer mit der Büchse zum Schuß fertig am Ufer stand und jetzt nur ein paar Schritt zurücktrat, um ihnen Raum zu machen. „Ihr seid vor der Hand unsere Gefangenen, sträubt Euch nicht, denn Keiner von uns ist aufgelegt, viel Umstände zu machen.“

„Euere Gefangenen? Weshalb?“

„Steven und Brawny, Ihr habt ja wohl die Seile,“ fuhr Billins fort, ohne sie einer Antwort zu würdigen, „bindet ihnen einmal die Hände auf den Rücken. Bei dem geringsten Widerstand habt Ihr eine Kugel durch den Schädel – halt, rührt Euch nicht!“

„O Massa Billins,“ rief jetzt der Neger, der den jungen Mann erkannte, „sehr gut, daß Sie gekommen sind. Böse Kerle wollten armen Nero die Canoes wegnehmen.“

„Sie werden sie dalassen müssen, Nero,“ sagte Billins ruhig, „nun, wird’s bald? Glaubt um Gotteswillen nicht, daß wir Scherz mit Euch treiben; ich zähle drei, und wenn Ihr bis dahin nicht gutwillig die Arme ausstreckt, gebe ich Feuer – eins – zwei –“

„Ihr werdet uns Rechenschaft geben müssen, Sir, daß Ihr friedliche Männer so behandelt,“ sagte der Eine, während er aber doch die Arme ausstreckte, denn zu furchtbar nah’ und drohend war das tödtliche Rohr auf ihn geheftet, und Widerstand gegen die sieben Bewaffneten, mit keiner Aussicht zur Flucht, wäre hoffnungslos gewesen.

„Darauf könnt Ihr Euch verlassen,“ lächelte Billins ingrimmig in sich hinein, „so ist’s recht, bindet sie nur fest und gut. Wenn Ihr zu der Gesellschaft gehört, der wir jetzt auf den Fersen

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verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 429. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_429.jpg&oldid=- (Version vom 11.12.2022)