Seite:Die Gartenlaube (1865) 404.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

Bund gründen und regelmäßige Versammlungen halten, und seid versichert, wenn wir heute damit beginnen, jene Buben in ihrer noch geträumten Sicherheit zu fassen und zu vernichten, so wird der Name der Moderatoren für derlei Gesindel ein eben solcher Schrecken in Texas werden, wie es der der Regulatoren für sie in Arkansas war.“

„Gut, Jenkins!“ rief Ashley, „dann nehmt Ihr auch die Führung unseres neuen Bundes, und ich will Euch treu zur Seite stehen. Ich glaube, wir sind dabei ohnedies die Aeltesten unter allen Nachbarn und haben Beide ein Hühnchen mit diesen Herren zu pflücken. Wann wollen wir fort?“

„Jetzt gleich,“ sagte der alte Mann von seinem Sitz aufspringend, „jede Minute, die wir versäumen, kann uns den Fang aus den Zähnen reißen.“

„Aber Sie doch nicht mit den Wunden!“ warf Mrs. Border ein, denn alle Frauen der kleinen Ansiedlung hatten sich um den alten Mann geschaart, „eher lasse ich Sie nicht fort, Mr. Jenkins, bis ich Sie nicht verbunden habe.“

„Ach was, Madame,“ entgegnete der zähe Alte, „so lange halte ich schon noch aus, bis wir die Hunde gezüchtigt haben, und nachher ist’s immer Zeit genug, an die alten Knochen zu denken.“

„Und wenn Euch unterwegs doch eine Schwäche ankommt,“ rief Border, „so haben wir den Führer verloren, denn von zwei Seiten müssen wir angreifen und Ashley kann nur auf einer sein.“

Der Alte wollte sich noch weigern, wurde aber überstimmt, und wahrlich, es that Noth, daß nach seinen Wunden gesehen wurde, noch dazu da man gar nicht wußte, welchen Anstrengungen man wieder entgegenging. Auch nur der zähe Körper, die eiserne Constitution eines Backwoodsman hätte solche Mißhandlung unerschüttert ertragen können, und erst als sie ihm das mit geronnenem Blut bedeckte und schon fest auf den Rücken geklebte Hemd mit warmem Wasser ablösten und dann den ganzen Rücken mit Branntwein wuschen, wurde er todtenbleich und lag ein paar Minuten bewußtlos. Doch auch diese Schwäche überwand der Alte. Er kam bald wieder zu sich, leerte einen halben Becher heiß gemachten Whisky auf einen Zug, ließ sich dann seine Wunden bepflastern und ordentlich verbinden, borgte sich frische Wäsche und verlangte, als der Verband noch nicht einmal fertig angelegt war, schon nach einer Büchse und Kugeltasche, um nicht zu viel Zeit zu versäumen.

Die Kugeltasche konnte er sich aber nicht einmal umhängen, weil ihn der Riemen drückte; er gürtete sich dieselbe um die Hüfte und gab jetzt keine Ruh, bis er die Männer zum Aufbruch gerüstet sah.

Betten für seine Frau, da ihm die Regulatoren ja Alles mitgenommen, hatte ihm Mrs. Border indessen schon zusammengeschnürt, weiches Moos hing überall genug an den Bäumen, das konnte sein Sip in einer halben Stunde genügend sammeln, und eben sank die Sonne hinter den dichten Wipfeln der Bäume, als die wilde Schaar der „Moderatoren“ zu ihrem Rachezug ausritt, der das Land von seiner Geißel befreien sollte.

Kein Mann blieb in Brownsville zurück. Selbst seine Neger hatte Border bewaffnet, und als Jenkins die kleine Schaar überblickte, zählte er einundzwanzig wehrhafte Männer und wußte, daß sie jetzt einer doppelten Zahl der Schurken überlegen wären. Doch mit so Vielen hatten sie es nicht einmal zu thun. Bei der Plünderung seines Hauses waren nur neun gewesen und man durfte annehmen, daß sich die größte Zahl der Verbrecher dabei betheiligt hatte. Jedenfalls wußten sie das gute Recht auf ihrer Seite und brannten vor Begierde mit dem Feind zusammenzutreffen.

Die Richtung nahmen Alle zunächst nach Jenkins’ Haus, das sie überhaupt passiren mußten, und von dort aus sollte dann der gemeinsame Angriff so geordnet werden, daß sie sich mit der Morgendämmerung auf ihren bestimmten und verschiedenen Posten befanden, um von dort aus gemeinschaftlich und mit einem Mal den Schlag zu führen. So nur war es möglich, daß die Verbrecher nicht vorher Warnung der ihnen drohenden Gefahr erhielten und sich der Strafe durch die Flucht entzogen.

Es wurde etwa Mitternacht, ehe sie Jenkins’ Haus erreichten, und leise Flüche und Verwünschungen murmelten die Männer in den Bart, als sie hier das Unheil sahen, das jene Buben angerichtet; nur Jenkins selber war der Ruhigste von Allen und schien alles Erlittene in dem einen Gefühl bald befriedigter Rache zu vergessen. Sein Rücken schmerzte ihn furchtbar, aber kein Laut der Klage kam über seine Lippen und er ordnete Alles an und dachte an Alles.

Netley war der, der ihn gepeitscht, er hatte ihn gut genug gekannt; dessen Haus mußte also, da es außerhalb des Schilfbruchs lag, vor allen anderen durchsucht werden. Ashley aber übernahm das, denn von jener Slew aus führte ein Weg oder Pfad in den Bruch hinein, den er allein kannte und auf dem es auch nur möglich war in das Dickicht zu dringen. Wurde der besetzt, so konnten die Verbrecher nach dieser Richtung nimmermehr entfliehen.

Billins überkam die Führung der Canoes und sechs Mann mit, um sich dort noch durch Joe und dessen Neger zu verstärken. Der alte Schwarze bei Joe sollte, wenn nöthig, als Lootse dienen, um die Mündung jener Slew zu besetzen, welche sein Herr damals zur Ansiedlung wählen wollte. Hatten die Verbrecher wirklich Canoes, so konnten sie nur von da aus ihre Flucht versuchen und dann mochten die Büchsen der Verfolger unter ihnen aufräumen.

Jenkins selber übernahm die Führung des kleinen Trupps, der von dort aus, wo er den Pfad entdeckt, also von Osten her, während Ashley die westliche Seite besetzt hielt, vordringen sollte.

Billins hatte den weitesten Weg und die meisten Vorbereitungen nöthig, sollte deshalb etwa um zwei Uhr Morgens aufbrechen, Ashley ihm etwa eine Stunde später folgen und Jenkins dann, ziemlich mit diesem zu gleicher Zeit zu der Slew hinüberschneiden und an dieser hinauf bis zu dem Fußweg vordringen. Jenkins und Ashley geriethen dadurch allerdings etwa anderthalb Meilen auseinander, aber wenn sie geräuschlos und vorsichtig ihren Weg verfolgten, durften sie hoffen sich wenigstens so weit einander zu nähern, daß sie gegenseitig das Knallen der Gewehre hören und dadurch auch den genauen Platz des Kampfes bestimmen konnten.

Keinesfalls blieb ihnen etwas Anderes übrig, als diesem klar und einfach vorgelegten Plane zu folgen, und sie durften unter solchen Maßnahmen bestimmt darauf rechnen, wenigstens einen Theil der Gauner in ihre Gewalt zu bekommen. Daß sich die anderen dann nicht wieder in diesem Theil von Texas blicken ließen, blieb außer Zweifel.

(Fortsetzung folgt.)[1]




Ein seltner Mönch.[2]
Von Gustav Steinacker.

Wer in den dreißiger Jahren an einem Sonntagmorgen zwischen neun und elf Uhr zu Pest in der Nähe des Franziscanerplatzes und des daselbst befindlichen Klosters seine Straße zog, dem mußte nothwendig jenes ungewöhnliche, still und feierlich dahinfluthende Menschengewoge auffallen, das seine Richtung nach oder aus der dort gelegenen Franziscanerkirche nahm. Er sah in der Nähe des Portals eine ganze Reihe schimmernder Carossen halten und das Ende der Predigt abwarten, um die derselben


  1. Ganz der Praxis der Gartenlaube zuwider, sind wir genöthigt die vorstehende Erzählung in das neue Halbjahr hinüberlaufen zu lassen. Uebrigens wird in nächster Nummer außerdem eine neue Novelle beginnen.
    Die Redaction.
  2. Die jüngst in Pest erschienene sechszehnte Auflage eines in ganz Ungarn und weit darüber hinaus seine Herrschaft unter der katholischen Bevölkerung trotz alledem und alledem seit fünfunddreißig Jahren unausgesetzt behauptenden „katholischen Gebetbuches („heilige Anklänge“), welches durch den in ihm wehenden Geist, wie durch die seltene Popularität seines schon vor zwölf Jahren verstorbenen berühmten Verfassers ein eigenthümlich bedeutsames Schlaglicht auf die religiösen Stimmungen und neuesten Concordatskämpfe in Oesterreich zu werfen geeignet erscheint, veranlaßt uns, nicht länger mit der Veröffentlichung des vorstehenden Artikels zu zögern, von dem wir voraussetzten, daß er auch in außerösterreichischen Kreisen ein rein menschliches und culturhistorisches Interesse erregen dürfte. Unser Mönch macht eine so hervorstechende Ausnahme von der Regel, daß wir, denen man unablässig Animosität gegen das katholische Priesterthum zum Vorwurf zu machen pflegt, es für unsere Pflicht erachten, den großen Kreis unserer Leser mit dieser Zierde des katholischen Clerus näher bekannt zu machen.
    D. Red.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 404. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_404.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2022)